Leitsatz:
Werden die Grenzwerte der 26. BlmSchV eingehalten, liegt in der Aufstellung einer Mobilfunkantenne auf dem Dach des Miethauses kein zur Minderung berechtigender Mietmangel.
AG Spandau, Urteil vom 4.7.01 – 4 C 305/01 –
Mitgeteilt von RA Peter-Leonhard Bonin
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.
Die Beklagte schuldet der Klägerin gem. § 535 Satz 2 BGB restlichen Mietzins in Höhe von jeweils 38,06 DM für die Monate Februar, März und April 2001. Im fraglichen Zeitraum war die Miete nicht gem. § 537 Abs. 1 Satz 1 BGB gemindert.
Eine Reduzierung des Mietzinses gem. § 537 Abs. 1 Satz 1 BGB ist gerechtfertigt, wenn der Mietsache ein Fehler anhaftet, durch den ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufgehoben oder eingeschränkt wird. Als Mangel im Sinne von § 537 Abs. 1 Satz 1 BGB gilt also jede für den Mieter nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustands des Mietobjekts von dem vertraglich geschuldeten. Wird bezüglich des vertragsgemäßen Zustands nichts vereinbart, so liegt ein Fehler vor, wenn die Mietsache von der üblichen Beschaffenheit abweicht. Tatsächlich lässt sich vorliegend aber kein Mangel an der von der Beklagten gemieteten Wohnung feststellen.
Grundsätzlich kann der Mietgebrauch auch durch Umstände, die außerhalb des Mietobjektes liegen, also etwa durch negative Umwelteinflüsse, die auf die vermieteten Räume einwirken, beeinträchtigt sein. Ein Mangel wäre demnach zu bejahen, wenn die Beklagte durch die in der Umgebung aufgestellten Mobilfunkantennen konkret geschädigt oder gefährdet würde. Die Beklagte macht in diesem Zusammenhang geltend, sie habe zunehmend unter Schlaflosigkeit und Erkältungen gelitten. Tatsächlich hat sie einen kausalen Zusammenhang zwischen den Mobilfunkantennen und ihren körperlichen Beschwerden aber nicht nachvollziehbar und mit der erforderlichen Substanz vorgetragen. Es hätte der Beklagten schon oblegen, im Einzelnen dezidiert darzulegen, wie sich ihre körperliche Befindlichkeit seit der Installation der Antennen verschlechtert haben soll. Sie hätte also etwa in Form eines Vorher-Nachher-Vergleichs schildern müssen, in welcher physischen Verfassung sie sich vor den Antennen befunden hat und wie sich diese verschlechtert haben soll sowie ferner, woraus zu schließen ist, dass dies gerade auf die von den Antennen ausgehende Strahlung zurückzuführen sein soll. Denkbar sind schließlich auch andere Ursachen für Schlaflosigkeit und Infektionsanfälligkeit.
Ein sog. Umweltfehler der Mietsache läge allerdings dann vor, wenn bei der Aufstellung der Mobilfunkantennen gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen worden wäre. Tatsächlich ist dies aber nicht der Fall: Wie die Beklagte selbst nicht in Abrede stellt, sind die Grenzwerte der 26. BlmschV gewahrt. Eine erhebliche Minderung der Tauglichkeit der Mietsache scheidet aber aus, wenn die Grenzwerte eingehalten sind, die nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft festgelegt wurden, weil nach aller Erfahrung bei einer Unterschreitung der Grenzwerte nicht mit einer Gesundheitsbeeinträchtigung zu rechnen ist (so auch AG Traunstein, ZMR 2000, 390).
Würde man einen Mangel bereits dann annehmen, wenn eine Gesundheitsgefährdung nicht mit absoluter Sicherheit verneint werden kann, würde dies zu einer grenzenlosen Ausweitung des Fehlerbegriffes führen, denn in der heutigen Zeit lässt sich nun einmal nicht völlig ausschließen, dass eine bestimmte Bauweise oder die Verwendung mancher Baumaterialien Gesundheitsgefahren bergen. Es ist dementsprechend im Hinblick darauf, dass die dem derzeitigen wissenschaftlichen Standard entsprechenden Grenzwerte der 26. BlmschV eingehalten wurden, nicht davon auszugehen, dass die Wohnung den anerkannten Regeln zum Schutz vor Gesundheitsschäden nicht genügt. Es mag zwar sein, dass die genannten Grenzwerte von einigen Wissenschaftlern als nicht ausreichend angesehen werden. Die Frage der Mangelhaftigkeit der Mietsache beurteilt sich aber von dem Zeitpunkt aus, in dem die Mietminderung geltend gemacht wird. Wenn in diesem Zeitpunkt keine wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse des Inhalts bestehen, dass bestimmte Einflüsse schädlich sind, kann der Mieter auch nicht verlangen, dass die Mietsache von den fraglichen Immissionen freigehalten wird. Die Schutzpflicht für die körperliche Unversehrtheit, die alle staatlichen Organe bindet, führt nicht so weit, dass vom Gericht verlangt werden könnte, nicht verifizierte und widersprüchliche Befunde zu bestätigen und mit den Mitteln des Zivilrechts ungesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Durchsetzung zu verhelfen (vgl. BverfG ZMR 1997, 218).
Aus dem baulichen Zustand der überlassenen Mietsache ergibt sich ebenfalls kein Mangel. Nach dem allgemeinen Standard braucht eine Wohnung nicht über Abschirmmaßnahmen gegen Elektrosmog oder sonstige Sicherheitsvorkehrungen zu verfügen. Etwas anderes haben die Parteien nicht vereinbart. Es besteht ferner auch keine allgemeine Verkehrsauffassung, wonach der Mietzins für Wohnungen, in deren Nähe sich Mobilfunkantennen befinden, wegen des dort vorhandenen Elektrosmogs niedriger ist als anderswo.
Soweit schließlich von der Beklagten angedeutet wird, sie habe auf Grund der auftretenden Strahlung Angst um ihre Gesundheit, können auch diese Empfindungen nicht als Mangel im Sinne von § 537 Abs. 1 BGB angesehen werden, da ihre Berechtigung – wie bereits ausgeführt – wissenschaftlich nicht eindeutig nachgewiesen ist. Etwas anderes folgt auch nicht aus § 242 BGB: Den Vermieter trifft zwar nach Treu und Glauben grundsätzlich die Pflicht, seinen Vertragspartner, den Mieter, vor Gefahren zu schützen. Die Frage, ob eine Gefahr vorliegt, kann sich aber nur nach den derzeitigen Erkenntnissen der Wissenschaft beurteilen. …
Anmerkung der Redaktion:
Die in der Entscheidung zitierten Paragraphen entsprechen der bis zum 31. August 2001 geltenden Rechtslage.
29.05.2018