Leitsätze:
1. Die von der Rechtsprechung entwickelte 14-tägige Frist im Sinne des § 270 Abs. 3 ZPO beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem dem (Prozessbevollmächtigten des) Kläger(s) die Aufforderung zur Einzahlung des Gebührenvorschusses zugeht.
2. Auf Kürzungsbeträge nach § 558 Abs. 5 BGB muss in der Mieterhöhung nicht hingewiesen werden, wenn der Abzug der Kürzungsbeträge von der ortsüblichen Vergleichsmiete zu einem Mietzins führt, der immer noch über demjenigen liegt, auf den die Miete erhöht werden soll.
LG Berlin, Urteil vom 9.7.01- 67 S 544/00 –
Mitgeteilt von RAin Cornelia Möller
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
I. Die Berufung ist gemäß § 511 ZPO statthaft und die gemäß § 511 a Abs. 1 ZPO erforderliche Mindestbeschwer ist erreicht. Die Form- und Fristvorschriften der §§ 516, 518 und 519 ZPO sind erfüllt. Die Berufung ist damit insgesamt zulässig.
Sie hat jedoch keinen Erfolg.
II. Die Klägerin kann von den Beklagten verlangen, dass diese einer Erhöhung der Nettokaltmiete von 383,81 DM monatlich um 51,53 DM auf 435,34 DM monatlich mit Wirkung ab 1.4.2000 zustimmen.
1. Die Klage ist zulässig.
a) Die Unzulässigkeit der Klage ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht schon daraus, dass die Klägerin mit ihrer am 31.5.2000 eingereichten und am 26.7.2000 zugestellten Klage die zwei Monate betragende Frist des § 2 Abs. 3 Satz 1 MHG versäumt hätte. Denn die Zustellung der Klage ist gemäß § 270 Abs. 3 ZPO noch demnächst erfolgt, nachdem die Klage am letzten Tag der Frist eingereicht worden war. Die Klägerin hatte die Beklagten mit Schreiben ihrer Hausverwaltung vom 19.1.2000 darum gebeten, der Erhöhung der Nettokaltmiete von 383,81 DM um 51,53 DM auf 435,34 DM ab 1.4.2000 gemäß § 2 Abs. 1 MHG zuzustimmen. Das Schreiben ist der Beklagten unstreitig noch im Januar 2000 zugegangen. Die Überlegungsfrist der Beklagten gemäß §2 Abs. 3 Satz 1 MHG endete am 31.3.2000 und die Klagefrist demnach am 31.5.2000. Nach dem Sinn und Zweck der in § 270 Abs. 3 ZPO getroffenen Regelung soll die Partei vor Zustellungsverzögerungen innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebes bewahrt werden, weil derartige Verzögerungen außerhalb ihres Einflussbereichs liegen. Hingegen sind der Partei Verzögerungen zuzurechnen, die sie oder ihr Prozessbevollmächtigter bei gewissenhafter Prozessführung hätten vermeiden können. Nach feststehender Rechtsprechung ist daher eine Klage dann im Sinne des § 270 Abs. 3 ZPO „demnächst“ zugestellt, wenn die Partei und ihr Prozessbevollmächtigter unter Berücksichtigung der Gesamtumstände alles Zumutbare für die alsbaldige Zustellung getan haben. Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn die Partei, der die Fristwahrung obliegt, oder ihr Prozessbevollmächtigter durch nachlässiges, wenn auch nur leicht fahrlässiges Verhalten zu einer nicht bloß geringfügigen Zustellungsverzögerung beigetragen haben. Als geringfügig in diesem Sinne sind in der Regel Zustellungsverzögerungen bis zu 14 Tagen anzusehen. Eine Zeitspanne von mehr als zwei Wochen, um die sich die Klagezustellung durch leichte Fahrlässigkeit des Klägers oder seines Prozessbevollmächtigten verzögert, wird hingegen nicht mehr als geringfügig und damit unschädlich behandelt (BGH FamRZ 1998, 1154 unter b; BGH NJW-RR 1992, 1346 unter II 3 a; BGH, FamRZ 1994, 299 unter 1; NJW-RR 1995, 254 unter II. 2. a; OLG Düsseldorf ZMR 1996, 608). Die Frage, ob die Frist eingehalten worden ist, bemisst sich nach dem Zeitraum, den die Klägerin beziehungsweise ihr Prozessbevollmächtigter ohne leichte Fahrlässigkeit beeinflussen konnte. Die maßgebliche Frist begann hier mit dem Zeitpunkt, zu dem dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Aufforderung zur Einzahlung des Gebührenvorschusses zuging. Dies war der 13.6.2000. Erst von diesem Zeitpunkt an konnte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin reagieren. Sie endete nicht erst mit dem Zeitpunkt der Gutschrift auf dem Konto der Gerichtszahlstelle Mitte am 3.7.2000, sondern mit dem Zeitpunkt, zu dem die Klägerin die Überweisung des Vorschusses veranlasste. Dies war unstreitig der 27.6.2000. Zwischen diesen beiden Tagen lag ein Zeitraum von 14 Tagen. Auf die Dauer des Überweisungsvorganges von der Abbuchung vom eigenen Konto der Klägerin bis zur Gutschrift auf dem Konto der Gerichtszahlstelle hatte die Klägerin keinen Einfluss mehr. Der 27.6.2000 war ein Dienstag. Selbst wenn auf den Zeitpunkt der Abbuchung vom Konto der Klägerin abgestellt wird, konnte die Klägerin auf jeden Fall darauf vertrauen, dass diese spätestens am 29.6.2000, einem Donnerstag erfolgen würde. Sie brauchte von vornherein nicht den Zeitpunkt bis zur Gutschrift auf dem Konto der Gerichtszahlstelle am 3.7.2000, einem Montag, in Rechnung zu stellen, weil sie diesen nicht beeinflussen konnte.
b) Die Unzulässigkeit der Klage ergibt sich auch nicht daraus, dass das Zustimmungsverlangen der Klägerin nicht den formellen Anforderungen des § 2 Abs. 2 Satz 1 MHG entspräche und deshalb nicht geeignet wäre, die Überlegungsfrist und die Klagefrist auszulösen. Nach der genannten Vorschrift ist der Anspruch nach § 2 Abs. 1 MHG schriftlich geltend zu machen und zu begründen. Dabei sind auch etwaige nach § 2 Abs. 1 Satz 2 MHG erhebliche Kürzungsbeträge anzugeben.
aa) Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 MHG sind vom Jahresbetrag des nach Satz 1 Nr. 2 zulässigen Mietzinses die Kürzungsbeträge nach § 3 Abs. 1 Satz 3 bis 7 abzuziehen, im Falle des §3 Abs. 1 Satz 6 mit 11 % des Zuschusses. Hier hatte die Klägerin mit Schreiben vom 25.5.1994 die damals maßgebliche Nettokaltmiete unter Berufung auf § 3 MHG um einen von den Parteien nicht näher mitgeteilten Betrag erhöht. Es handelte sich dabei um eine Maßnahme zur Modernisierung der im Hause befindlichen Zentralheizungsanlage mit Warmwasserversorgung mit dem Ziel der Energieeinsparung. Die Modernisierungskosten hatten sich auf 1432723,14 DM belaufen und waren mit einem Betrag von 716361,57 DM öffentlich gefördert worden. Diese Daten sind der Kammer aus anderen, dieselbe Anlage betreffenden, Rechtsstreitigkeiten bekannt. Bei der Berechnung der Umlage war dieser Betrag abgezogen worden, so dass nur umlagefähige Modernisierungskosten von 716361,57 DM verblieben. Unter Zugrundelegung des gemäß § 3 Abs. 1 MHG maßgeblichen Satzes von 11 % und einer Gesamtwohnfläche von 14730,90 qm ergab sich ein monatlicher Erhöhungsbetrag von 0,45 DM/ qm, der die Grundlage für die Berechnung des Modernisierungszuschlages bildete. Ausgehend von der Größe der Wohnung der Beklagten von 60,42 qm dürfte dieser bei 60,42 qm x 0,45 DM = 27,19 DM gelegen haben.
bb) Der Zuschussbetrag von 716361,57 DM führt gemäß § 3 Abs. 1 Satz 6 MHG zu einem nach § 2 Abs. 1 Satz 2 MHG zu berücksichtigenden Kürzungsbetrag von ebenfalls 0,45 DM x 60,42 qm = 27,19 DM. Dieser Betrag wäre jedoch nicht von der Nettokaltmiete von 435,34 DM, auf die die Miete gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 MHG erhöht werden sollte, abzuziehen, sondern von der ortsüblichen Vergleichsmiete, die sich nach den Angaben im Schreiben vom 19.1.2000 wie folgt errechnet: 60,42 qm x 7,90 DM/qm = 477,32 DM. Ein solcher Abzug würde zu einem Betrag von 477,32 DM – 27,19 DM = 450,13 DM führen, der immer noch über dem Betrag von 435,34 DM liegt, auf den die Miete erhöht werden soll. Denn maßgeblich ist nicht der Betrag der gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 MHG zu ermittelnden Kappungsgrenze, der hier bei 435,34 DM liegt, sondern die gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MHG ortsübliche Vergleichsmiete, die 477,32 DM beträgt. Dies ergibt sich aus dem Hinweis in Abs. 1 Satz 2 auf Abs. 1 Nr. 2 und nicht auf Nr. 3.
cc) Auf den Kürzungsbetrag hätte die Klägerin in dem Schreiben vom 19.1.2000 nicht hinweisen müssen. Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 MHG ist der Anspruch nach Abs. 1 dem Mieter gegenüber schriftlich geltend zu machen und zu begründen. Die Begründungspflicht bezieht sich auch auf die Darstellung eines Kürzungsbetrages, wenn dieser Auswirkungen auf die verlangte Höhe des Mietzinses hat. Denn nur so kann der Mieter ermessen, in welchem Umfang er zur Zustimmung verpflichtet ist (Schmidt-Futterer/Börstinghaus, a.a.O., § 2 MHG Rdnr. 173; LG Berlin – ZK 65 – MM 1990, 229; LG Berlin – ZK 64 – GE 1996, 1189; LG Berlin – ZK 62 – GE 1997, 239-240). Dies kann aber nicht gelten, wenn der Abzug des Kürzungsbetrages von der ortsüblichen Vergleichsmiete zu einem Mietzins führt, der immer noch über demjenigen liegt, auf den die Miete erhöht werden soll. Zu überflüssigen Mitteilungen in dem schriftlichen Erhöhungsverlangen, die auf die Entscheidungsfindung des Mieters keinen Einfluss haben können, ist der Vermieter nicht verpflichtet. …
Anmerkung der Redaktion:
Die in der Entscheidung zitierten Paragraphen entsprechen der bis zum 31.8.2001 geltenden Rechtslage.
16.03.2013