Leitsatz:
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Mieter vom Vermieter die Duldung zum Einbau einer Gasetagenheizung, zum Austausch von Sanitärobjekten und zur Verfliesung des Badezimmers im Wege der so genannten Mietermodernisierung verlangen kann.
AG Neukölln, Schlussurteil vom 30.7.01 – 5 C 130/01 –
LG Berlin, Urteil vom 8.2.02 – 64 S 355/01 –
Mitgeteilt von RA Stephan Werle
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen des Amtsgerichts:
Die Klägerin kann von dem Beklagten grundsätzlich die Zustimmung zu den von ihr beabsichtigten baulichen Veränderungen in der von ihr gemieteten Wohnung gemäß §§ 535 Satz 1, 536, 242 BGB beanspruchen.
Der Mieter ist allerdings grundsätzlich nicht zu baulichen Veränderungen in der gemieteten Wohnung berechtigt, die in die Substanz des Mietgebäudes eingreifen. Dies gilt jedoch zunächst nicht für bloße Hilfsmaßnahmen für die Einrichtung und Ausstattung der Räume in den Grenzen des Verkehrsüblichen. Verbotsklauseln und Erlaubnisvorbehalte beziehen sich von vornherein nicht auf solche Maßnahmen. Der Mieter kann weiterhin bloße Einrichtungsmaßnahmen (Raumteiler, Einbauküche) durchführen, auch soweit sie mit kleineren Substanzeingriffen ohne Dauerfolgen für das Mietgebäude verbunden sind, sofern die Eingriffe dem Einrichten der Wohnung näher stehen als einer baulichen Maßnahme (vgl. insoweit Sternel, Mietrecht, 3. Auflage, Rn II 211 ff.).
Auch bei weitergehenden baulichen Veränderungen unterliegt ein generelles Verbot oder ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt der Einschränkung von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Der Vermieter darf dem Mieter nicht ohne zwingenden Grund die verbesserte Nutzung des Mietobjekts verweigern, insbesondere nicht die Durchführung baulicher Maßnahmen, die im Zusammenhang mit dem Wohnzweck und der Lebensführung des Mieters stehen, wie etwa ein Badeinbau, die Änderung der Heizungsart, die Verfliesung von Bad und Küche (vgl. Sternel, a.a.O., Rn II 211 ff.). Bei der Zurverfügungstellung von Wohnraum gegen Entgelt muss der Vermieter berücksichtigen, dass die Wohnung für jedermann Mittelpunkt seiner privaten Existenz ist, auf deren Gebrauch er zur Befriedigung elementarer Lebensbedürfnisse sowie zur Freiheitssicherung und Entfaltung seiner Persönlichkeit angewiesen ist (vgl. BVerfG NJW 1993, 2035). Der Vermieter tritt mit der gewählten Verwertung seines Eigentums in eine vertragliche Beziehung zu dem Mieter, deren Gegenstand sich nicht in der Sachnutzung erschöpft. Dies verpflichtet die Mietvertragsparteien zur größtmöglichen Rücksichtnahme und gebietet auch, bei nur unerheblicher Beeinträchtigung der eigenen Belange den Interessen des anderen Vertragsteiles Vorrang einzuräumen. Der Vermieter ist demgemäß nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) in der Weise gebunden, dass er nicht ohne triftige sachbezogene Gründe dem Mieter Einrichtungen versagen darf, die ihm die Nutzung der Mietwohnung als Mittelpunkt seines Lebens und der Entfaltung seiner Persönlichkeit sowie als Freiraum eigenverantwortlicher Betätigung ermöglichen, selbst wenn bei Abschluss des Mietvertrages derartige Nutzungsmöglichkeiten noch gar nicht abgesehen werden konnten (vgl. hierzu insgesamt OLG Karlsruhe, NJW 1993, 2815 ff.). Sachbezogene, triftige Gründe ergeben sich für den Vermieter nur aus nicht unerheblichen Beeinträchtigungen oder nachhaltigen Verschlechterungen der Mietsache (vgl. BayObLG, NJW 1981, 1275). Insoweit kann der Vermieter bauliche Veränderungen, die zu einem erhöhten Wohnkomfort des Mieters führen sollen, nicht (wie es der Beklagte zunächst tut) mit der Begründung abwehren, dieser möge sich auf dem Wohnungsmarkt anderweitigen Wohnraum beschaffen, der seinen Anforderungen genüge. Dies gilt vorliegend umso mehr, als die Klägerin bereits seit mehr als 16 Jahren die streitgegenständliche Wohnung bewohnt.
Der Vermieter (und Eigentümer) kann aber zur Wahrung seiner eigenen Interessen die Gestattung baulicher Maßnahmen insoweit verweigern, als zu gewärtigen wäre, dass mit ihnen eine dauerhafte Umgestaltung des Wohnungsgrundrisses, endgültige oder nur schwer behebbare Veränderungen oder nachteilige Folgewirkungen für das Mietobjekt, nachteilige Veränderungen des Gesamteindrucks, Störungen, Belästigungen oder Gefährdungen Dritter verbunden wären, oder dass etwaige eigene Modernisierungspläne oder die Weitervermietbarkeit beeinträchtigt würden oder das Haftungs- und Kostenrisiko erhöht würde (vgl. Sternel, a.a.O., Rn II 215). Der Vermieter ist deshalb auch berechtigt, die Erlaubnis von entsprechenden Auflagen abhängig zu machen, die sich auf die Maßnahme des Mieters unmittelbar beziehen, nämlich zu verlangen (vgl. OLG Karlsruhe, NJW 1993, 2815 ff.):
– den Nachweis fachmännischer Planung und Durchführung (zur weitgehenden Sicherung vor denkbaren Schäden und zur Vermeidung nachteiliger Eingriffe in die Bausubstanz; ferner zur Wahrung berechtigter Interessen Dritter, insbesondere der übrigen Mieter des Hauses),
– die Übernahme der Verpflichtung zur Beseitigung der vorgenommenen Veränderungen zum Ende des Mietverhältnisses oder im Falle der Durchführung eigener Modernisierungsmaßnahmen des Vermieters,
– die Übernahme der Schadenshaftung (einschließlich der Freistellung von berechtigten Ansprüchen Dritter),
– die Verpflichtung zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung oder Erbringung einer hinreichenden Sicherheit für etwaig zu erwartende Kosten zum Ende des Mietverhältnisses im Hinblick auf die Beseitigung der baulichen Veränderungen und etwaig damit verbundener Folgeschäden.
Der Beklagte hat insoweit Ansprüche auf die Wahrung der eigenen Interessen insoweit geltend gemacht, als es die finanzielle Absicherung von Rückbaumaßnahmen und die Freistellung von Ansprüchen Dritter betrifft. Zu Letzterem hat die Klägerin eine entsprechende Protokollerklärung abgegeben. Soweit sich diese nur auf berechtigte Ansprüche Dritter bezieht, ist dies unschädlich. Die Erwägung des Beklagten, er würde durch diese Einschränkung mit Prozessrisiken belastet, zu deren Übernahme er nicht verpflichtet sei, kann nicht durchgreifen, weil mit einer solchen Begründung jegliche nur potenziell außenwirksamen Handlungen des Mieters im Zusammenhang mit der Nutzung der Mietwohnung unterbunden werden könnten. Der Vermieter kann nicht beanspruchen, von jeglicher, auch unbegründeter gerichtlichen Inanspruchnahme geschützt zu werden. Prozessual sind seine Interessen durch die Möglichkeit der Streitverkündung (§§ 72 ff. ZPO) hinreichend gewahrt. Dem (finanziellen) Sicherungsinteresse des Beklagten ist – entsprechend seinem Hilfsantrag – hinreichend Rechnung zu tragen durch eine inhaltliche Einschränkung der zu erteilenden Zustimmung dahingehend, dass mit der Durchführung der baulichen Maßnahmen erst nach entsprechender Sicherheitsleistung begonnen werden kann (insoweit handelt es sich nicht etwa um die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts des Beklagten gegenüber dem Anspruch der Klägerin auf Zustimmung, die – mit der Folge der §§ 894 Abs. 1 Satz 2, 726, 730 ZPO – zu einer Zug-um-Zug-Verurteilung führen würde). Dem Sicherungsinteresse des Beklagten steht – im Hinblick auf den Einbau der Gasetagenheizung – nicht ohne Weiteres entgegen, dass der Beklagte in dem Haus, in dem die streitgegenständliche Wohnung belegen ist, seinerseits gleichartige Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt hat, da ihm die Disposition in der baulichen Gestaltung der streitgegenständlichen Wohnung (jenseits der Nutzungsinteressen der Klägerin) nicht genommen werden darf. Es kann also nicht unterstellt werden, der Beklagte werde sich die von der Klägerin geschaffenen Einbauten nach einem etwaigen Ende des Mietverhältnisses zunutze machen (zur „aufgedrängten Wertverbesserung“ vgl. LG Berlin, GE 1994, 1121).
Der Beklagte kann allerdings nur eine Sicherheitsleistung in angemessenem Umfang beanspruchen, die das Gericht nach Maßgabe der §§ 287, 308 ZPO selbst bestimmen kann.
Hinsichtlich der „Badobjekte“ hat der Beklagte, soweit es Wanne, Handwaschbecken und Toilette betrifft, nicht erheblich bestritten, dass die Klägerin bereits die zuletzt vorhandenen Gegenstände auf ihre eigenen Kosten und mit dem Einverständnis der seinerzeitigen Hauseigentümerin und Vermieterin neu hatte installieren lassen. Insoweit wird Bezug genommen auf das Schlussurteil vom 28.5.2001. Die Klägerin beabsichtigt nur die (wiederholte) Erneuerung der Objekte. Hierfür ist ein besonderes Sicherungsinteresse des Beklagten nicht zu erkennen.
Hinsichtlich der Wandbekleidung im Bad ist der Beklagte dem Vortrag der Klägerin nicht mehr erheblich entgegengetreten, dass dort anfänglich nur ein Wandputz vorhanden gewesen sei, den sie mit wasserfester Farbe angestrichen habe. Es wären deshalb ggfs. zum Mietende nur die von der Klägerin anzubringenden Rigipsplatten mit den Fliesen zu entfernen und zu entsorgen und die Verputzung wiederherzustellen. Der Beklagte hat zu dem diesbezüglichen Aufmaß nichts vorgetragen, so dass (nach Maßgabe des § 287 ZPO) eine Kalkulation der voraussichtlichen Beseitigungskosten mit 1000 DM angemessen erscheint. Bei der Heizung ist eine Orientierung des Beseitigungsaufwandes an den sich aus dem Angebot der Firma B… GmbH vom 11.10.2000 ergebenden Einbaukosten nur sehr bedingt möglich, da dieses Angebot einerseits sämtliche Materialkosten beinhaltet, die Demontage sich andererseits naturgemäß erheblich weniger arbeitsintensiv gestaltet als die fachgerechte Installation der Heizungsanlage. Der Beklagte hat zur Bezifferung des zu sichernden Aufwandes näher nichts vorgetragen, obwohl sich die bauliche Gestaltung der Heizungsanlage aus der Anlagenbeschreibung in Verbindung mit dem Angebot der Firma B… GmbH vom 11.10. 2000 ergibt. Das Gericht schätzt deshalb das Sicherungsinteresse des Beklagten insoweit gemäß § 287 ZPO auf 2500 DM.
Der Beklagte kann dem Anspruch der Klägerin auf Zustimmung zu den beabsichtigten Maßnahmen auch nicht entgegenhalten, dass diese ihm nicht ordnungsgemäß angekündigt worden seien. Eine entsprechende Anwendung des § 541 b BGB kommt dabei zwar jedenfalls insoweit in Betracht, als dem Vermieter vorab Umfang und Art der erforderlichen Arbeiten mitzuteilen sind, damit er überprüfen kann, ob die geplanten Modernisierungsarbeiten genehmigungsfähig sind, ob also seine erheblichen Interessen gewahrt sind. Dem tragen die Darlegungen der Klägerin hinsichtlich des Heizungseinbaus, jedenfalls nach Vorlage der Anlagenbeschreibung, in genügender Weise Rechnung. Soweit der Beklagte nunmehr noch Ausführungen der Klägerin vermisst zu der Höhe und zu dem Abstand der Heizkörper an den Wänden, ferner zu der Art der Herstellung der Wanddurchführungen, deren Stärke und anschließendem Verschluss, ist nicht ersichtlich, welche Gesichtspunkte eines künftigen Beseitigungsinteresses oder welches gegenwärtige Interesse des Beklagten (insbesondere im Hinblick auf die Erhaltung der Bausubstanz) weitere Darlegungen erforderlich machten, die sich nicht aus der Anlagenbeschreibung ergeben. Hinsichtlich der Auswirkungen der baulichen Gestaltung auf die Wohnnutzung der streitgegenständlichen Wohnung ist ein Interesse des Beklagten nicht erkennbar. Auch auf die weiteren in dem § 541 b Abs. 2 BGB bestimmten Einzelheiten der Ankündigung kann es bei der „spiegelbildlichen Anwendung“ dieser Vorschrift im Falle der Mietermodernisierung (vgl. Schach, in: Kinne/ Schach, Mietvertragsrecht und Mietprozessrecht, 2. Auflage, Rn 32 zu § 535 BGB) nicht ankommen. Insbesondere kann die Einhaltung einer Ankündigungsfrist nicht verlangt werden, denn diese trägt den besonderen Dispositionsinteressen und dem Überlegungsbedarf des Mieters im Hinblick auf die Nutzung der Wohnung einerseits und sein Interesse an dem Fortbestand des Mietverhältnisses andererseits Rechnung. …
Aus den Entscheidungsgründen des Landgerichts:
Zwar besteht ein mietvertraglicher Anspruch der Klägerin zur Durchführung der Modernisierung grundsätzlich nicht. Jedoch besteht ein Anspruch dann, wenn die Klägerin ein berechtigtes Interesse an den Modernisierungsmaßnahmen hat, welches das Interesse des Beklagten an der Substanzerhaltung überwiegt. Die Klägerin hat insofern hinreichend dargelegt, dass die Maßnahmen zu einer erheblichen Verbesserung der Wohnqualität führen und nur minimale Eingriffe in die Substanz verursachen, welche mit geringen Mitteln wieder beseitigt werden können.
Die Klägerin hat insofern einen Anspruch auf Einbau der Gasetagenheizung (vgl. Blömeke/Blümmel/Kinne/Lorenz, Die Modernisierung und Instandsetzung von Wohnraum Rn. 111, mwN.). Der Anspruch der Klägerin scheitert auch nicht daran, dass sie nicht hinreichend dargelegt hat, wo genau die einzelnen Heizkörper angebracht werden, denn dem Beklagten entsteht hierdurch kein erkennbarer Nachteil. Soweit er sich auf mögliche Verpflichtung zur Reparatur zum Zwecke der akuten Gefahrenabwehr beruft, ist nicht ersichtlich, inwiefern er hierzu Kenntnis von der exakten Position der Heizkörper benötigt. In den von ihm beschriebenen Fällen dürfte es nicht schwer sein, die Position der Heizkörper zu erkennen. Gleiches gilt für die entsprechenden Heizungsrohre, da diese Über-Putz verlegt werden. Sofern die einzubauende Gasetagenheizung nicht genehmigungsfähig sein sollte – wofür im Hinblick auf die bereits vorhandenen Gasetagenheizungen in anderen Wohnungen nicht viel spricht – berührt dies Rechte des Beklagten nicht, weshalb dieser Einwand unerheblich ist. Denn der Duldungstitel verpflichtet den Beklagten nicht zur Vornahme bestimmter Handlungen. Sollte der Einbau der Gasetagenheizung auf Grund entgegenstehender öffentlich-rechtlicher Vorschriften nicht möglich sein, ist dies für die Duldungspflicht irrelevant, da die Klägerin dann den Einbau nicht vornehmen kann bzw. darf.
Gleiches gilt für die Erneuerung der Badezimmerkeramik. Ein Nachteil des Vermieters oder eine Substanzbeeinträchtigung ist nicht ersichtlich. Der Rückbau ist mit einfachen Mitteln möglich. Es kommt insofern nach Abwägung der wechselseitigen Interessen auch nicht auf die fragliche Erlaubnis der Voreigentümerin an, da die Klägerin hiervon unabhängig einen Anspruch hat.
Hinsichtlich der Verfliesung des Bades ist grundsätzlich eine höhere Beeinträchtigung der Substanz zu erwarten. Da die Klägerin jedoch dargelegt hat, dass diese auf eine einfach zu entfernende Rigipsplatte aufgetragen wird, überwiegen auch insoweit die Interessen der Klägerin den Interessen des Beklagten.
Die Höhe der Sicherheitsleistungen wurde durch das Amtsgericht zutreffend geschätzt. Der Beklagte hat nicht dargelegt, inwiefern mit höheren Kosten zu rechnen ist. Hinsichtlich der Freistellung von Ansprüchen Dritter hat der Beklagte keinen Anspruch auf die Freistellung auch von unberechtigten Ansprüchen, denn insoweit trägt er selbst das Prozessrisiko, da hierfür nicht die Modernisierung der Klägerin ursächlich ist, sondern das Stellen unberechtigter Ansprüche Dritter. Der Beklagte ist insofern auch nicht schutzlos, da er auch der Klägerin den Streit verkünden kann.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch zum Zwecke der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erforderlich ist.
Anmerkung der Redaktion:
Die in der Entscheidung zitierten Paragraphen entsprechen der bis zum 31.8.2001 geltenden Rechtslage.
08.03.2016