Leitsätze:
1. Befinden sich im Hause Gaststätten mit Vorgärten, von denen Lärm ausgeht, der die Nutzbarkeit des Balkons stark beeinträchtigt, kann der Mieter die Miete mindern.
2. Unter den Voraussetzungen des § 536 a Abs. 2 Nr. 1 BGB kann der Mieter bei Gaststättenlärm Schallschutzfenster einbauen lassen und die Kosten hierfür vom Vermieter ersetzt verlangen.
3. Die Unterdimensionierung der Mülltonnen (bzw. eine zu geringe Zahl von Mülltonen), welche zu einer Verwahrlosung des Müllplatzes und zu Geruchsbelästigungen führt, stellt einen Mietmangel dar, der zu einer Minderung von 5 Prozent berechtigt.
AG Lichtenberg, Schlussurteil vom 16.3.04 – 6 C 239/03 –
Mitgeteilt von RA Jörg Grützmacher
Urteilstext
Aus dem Tatbestand:
Die Klägerin verlangt von den Beklagten die Zahlung von Miete und Räumung. Über die Ansprüche auf Leistungen von Betriebskostenvorauszahlungen und auf Räumung ist durch Teilurteil vom 11. Dezember 2003 entschieden worden, auf das Bezug genommen wird. Für die weiter geltend gemachte Nettokaltmiete wird der Tatbestand wie folgt ergänzt:
Jedenfalls seit dem Sommer 2000 entwickelte sich die S…-Str. zu einer so genannten Szenegegend mit viel Gastronomie. Auf einer Länge von 200 m befinden sich Gaststätten mit ca. 1500 Sitzplätzen. In dem von den Beklagten bewohnten Haus gibt es ein indisches, ein arabisches und – seit 2003 – ein türkisches Speiselokal. Hierfür wurde eine Abzugsanlage installiert, die unterhalb des Küchenfensters und seitlich an dem Fenster des Hofzimmers der Beklagten vorbeiführt. Nach Beschwerden der Beklagten wurde in die Anlage ein Schalldämpfer eingebaut. Anschließend holte der Gaststätteninhaber Herr M. ein Gutachten ein, nach dem die Anlage in der Wohnung der Beklagten Geräusche verursacht, die nach dem Beurteilungspegel 22 dB(A) betragen. Weiter wird in dem Gutachten ausgeführt, dass es sich um ein im Raum deutlich wahrnehmbares, gleichförmiges und breitbandiges Geräusch handle. Für weitere Einzelheiten wird auf das Messprotokoll der K. Ingenieur GmbH vom 24.8.2000 verwiesen.
Das Bezirksamt Friedrichshain ermittelte in der Nacht vom 6. zum 7. Juli 2001 zwischen 22 und 0.30 Uhr den Lärmpegel auf der Straßenseite. Gemessen wurde 0,5 m vor einem geöffneten Fenster der Beklagtenwohnung. Es wurde ein Beurteilungspegel von 65 dB(A) festgestellt. Für die näheren Einzelheiten wird auf den Messbericht vom 10. Juli 2001 Bezug genommen. Die Kläger wurden daraufhin unter Fristsetzung aufgefordert, in den drei straßenseitigen Zimmern der Beklagtenwohnung Schallschutzfenster der Klasse V einzubauen. Da sie dem nicht nachkamen, ließen die Beklagten die Holzkastendoppelfenster durch Schallschutzfenstern der Klasse IV (Schalldämmwert: +/- 42 dB) austauschen, wofür sie 3674,69 Euro aufwandten. Sie rechneten die Kosten seit Januar 2002 gegen die Nettokaltmiete, die sie um 20 Prozent minderten, auf. Ferner ließen die Beklagten in dem Zimmer zum Hof ein neues Fenster für 547,52 Euro einbauen, für das die Klägerin die
Kostenübernahme zusagte. Letztere haben die Beklagten gemäß Schriftsatz vom 24. September 2003 mit der Nettokaltmiete für Mai und Juni (anteilig) 2003 verrechnet. Auf die Nettokaltmiete für Juli 2003 zahlten die Beklagten 143,72 Euro, für August bis Oktober jeweils 243,90 Euro. Die Klägerin verrechnete gemäß Schriftsatz vom 27. Oktober 2003 die Kosten für den Fensteraustausch in dem Berliner Zimmer und Guthaben aus Nebenkostenabrechnungen für 1999 bis 2001 auf die Mieten für Januar bis März (anteilig) 2002. Die übrigen Fehlbeträge macht sie wie folgt geltend:
Restmiete März 2002 = 95,17 Euro
Miete April 2002 bis Juni 2003: 15 x 293,63 Euro = 4.404,45 Euro
Restmiete Juli 2003 = 149,91 Euro
Restmiete August bis Oktober 2003 von jeweils 58,78 = 176,19 Euro
Gesamt (Nettokaltmiete) = 4.825,72 Euro
Die Klägerin behauptet, die ursprünglichen Kastendoppelfenster hätten einen Schalldämmwert von 37 dB. Dieser Wert hätte durch das Einbringen von zwei Dichtungsebenen auf 42 dB erhöht werden können; die Kosten dafür hätten 500 Euro betragen. In dem hier maßgeblichen Zeitraum sei der Müllplatz nach der Anbringung von Schlössern an den Tonnen in einem ordentlichen Zustand. …
Die Beklagten behaupten, die Mülltonnen im Hof seien bis einschließlich April 2003 ständig überfüllt gewesen, weshalb ständig Gestank von ihnen ausginge. Die Lokale in dem Haus würden einen erheblichen Essensgeruch verursachen. Die Küchentüren von zwei Einrichtungen seien so häufig zum Treppenflur hin geöffnet, dass durch diesen der Essensgeruch in die Wohnungen gelange. Teilweise seien die Gäste des indischen Restaurants in Schlaf- und Kinderzimmern zu hören. Auf Grund des Lärms sei der Balkon nicht benutzbar. Die Abzugsanlage verursache einen ständig vibrierenden Lärm von ca. 50 dB. Die ursprünglichen straßenseitigen Kastendoppelfenster hätten einen Schalldämmwert von 27 dB gehabt.
Das Gericht hat bei dem Bezirksamt Friedrichshain von Berlin, Umweltamt, eine Auskunft über das Ergebnis der von dort durchgeführten Messung des Lärms der Abzugsanlage eingeholt. Sie ergab einen Beurteilungspegel von 45 dB(A). …
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage auf Zahlung der Nettokaltmiete ist unbegründet. Die vertraglich vereinbarte Miete ist gemäß § 536 Abs. 1 BGB gemindert. Der verbleibende Anspruch der Klägerin ist durch die Aufrechnung der Beklagten mit ihrem Anspruch auf Erstattung der Kosten für den Fenstereinbau erloschen (§ 389 BGB).
I.
Der Klägerin steht dem Grunde nach gemäß § 535 Abs. 2 BGB ein Anspruch auf Mietzahlung für die Monate März 2002 bis Oktober 2003 zu. Die Miete ist jedoch auf Grund der eingeschränkten Benutzbarkeit des Balkons, der Belästigung durch Essensgerüche, der Geräusche der Abzugsanlage und des Zustandes des Müllplatzes gemindert.
Nach § 536 Abs. 1 S. 1 BGB tritt eine Herabsetzung der Miete ein, wenn die Tauglichkeit der Mietsache zu dem vertragsgemäßen Gebrauch auf Grund eines Fehlers eingeschränkt oder aufgehoben ist.
1. Die eingeschränkte Benutzbarkeit des Balkons führt zu einer Minderung der Miete. Die Beklagten haben geltend gemacht, dass sie auf Grund der Lärmbelästigung durch die Gaststättenbesucher den Balkon nicht mehr nutzen können.
Fehler einer Mietsache ist die nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustandes von dem vertraglich vorausgesetzten. Der vertragsgemäße Zustand beurteilt sich nicht nur anhand der Mietsache selbst, sondern bezieht sich bei einer Wohnung auch auf die Umgebung. Äußere Einwirkungen, die sich unmittelbar auf die Mietsache auswirken, stellen einen Fehler dar, wenn sie die Gebrauchstauglichkeit zu dem vertraglichen Zwecke beeinträchtigen. Das gilt nicht, wenn die Einwirkung bereits zu dem vertragsgemäßen Zustand gehört. War die Störungsquelle bereits bei Vertragsabschluss vorhanden oder jedenfalls absehbar, gehört sie zu dem Inhalt der vertraglichen Vereinbarung (KG GE 2003, 115). Die S…-Str. hat sich erst in den letzten Jahren von einer ruhigen Wohnstraße zu einer so genannten Szenegegend entwickelt. Diese Veränderung liegt nicht mehr im Rahmen dessen, was man als übliche Entwicklung hinnehmen muss. So kann zwar eine Lärmbelastung, die auf die allgemeine Zunahme des Straßenverkehrs zurückzuführen ist, keinen Mangel der Wohnung begründen (vgl. LG Berlin MM 2002, 40; LG Lüneburg WM 1991, 683). Wenn aber eine ehemals ruhige Straße durch Nutzungsänderung eine Hauptverkehrsstraße wird, haben sich die dem Vertrag zu Grund liegenden und sein Inhalt mitdefinierenden Umstände so maßgeblich geändert, dass ein Mangel angenommen wird (vgl. AG Erfurt WM 2000, 592). Die Veränderungen in der S.- Straße und insbesondere in dem Haus selbst von einer ruhigen Wohngegend zu einer „Kneipenmeile“ entspricht einer Nutzungsänderung. Daraus resultierende Beeinträchtigungen des Wohnkomforts stellen eine Abweichung des Ist- von dem Sollzustand dar, der einen Fehler i.S.d. § 536 BGB begründet.
Die von den Beklagten vorgetragenen Einschränkungen bei der Balkonnutzung sind nachvollziehbar, wenn man sich vor Augen führt, dass in dem Haus drei Lokale betrieben werden, sich die Wohnung der Beklagten im 1. OG befindet und der Balkon zur Straße ausgerichtet ist. Sobald das Wetter eine Benutzung des Balkons erlaubt, werden auch die Gaststättenbesucher sich im Freien aufhalten, da auch dort Sitzgelegenheiten von den Gaststättenbetreibern zur Verfügung gestellt werden. Die Beklagten müssen dann auf ihrem Balkon mehr oder weniger direkt über den Lokalbesuchern sitzen. Dass sie dort Beeinträchtigungen ausgesetzt sind, drängt sich auf.
Das pauschale Bestreiten dieser Beeinträchtigung durch die Klägerin ist demgegenüber unbeachtlich. Sie hätte ausführen müssen, warum die Beklagten weiterhin ungestört auf dem Balkon sollen sitzen können. Gemäß § 138 Abs. 2 ZPO muss sie sich über die von den Beklagten behaupteten Tatsachen erklären. Daraus folgt eine Verpflichtung, sich nicht auf einfaches Bestreiten zu beschränken, wenn der Gegner substantiiert vorgetragen hat. Bloße Erklärungen ins Blaue hinein sind unzulässig (vgl. Zöller/Greger, Kommentar zu ZPO, 23. Aufl. 2002, § 138, Rdnr. 8). Die Beklagten haben den Mangel hinreichend dargelegt. Die Klägerin hat sie ins Blaue hinein bestritten. Sie hat sich nicht ein eigenes Bild verschafft, was insbesondere in Anbetracht der unstreitig vorhandenen Lokale erforderlich gewesen wäre. Sie kann sich auch nicht auf ein Bestreiten mit Nichtwissen nach § 138 Abs. 4 ZPO beschränken. Zwar ist die Situation auf dem Balkon nicht Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung, wohl aber die Verhältnisse in und vor dem Haus. Die Zulässigkeit eines Bestreitens mit Nichtwissen nach § 138 Abs. 4 ZPO setzt voraus, dass die streitige Tatsache nicht im eigenen Geschäfts- und Verantwortungsbereich liegt und die eigene Kenntnis daher nicht verschafft werden kann (vgl. Zöller/Greger, a.a.O., § 138 ZPO, Rdnr. 16). Es wäre der Klägerin möglich, sich die entsprechende Kenntnis von den Auswirkungen des Gewerbes auf den Balkon zu verschaffen. Sie ist aus dem Mietverhältnis verpflichtet, den Mängelrügen der Mieter nachzugehen.
2. Das oben Gesagte gilt auch für die von den Beklagten bemängelte Beeinträchtigung durch Essensgerüche. Die Annahme drängt sich förmlich auf, dass bei einem Betrieb von drei Speisegaststätten in einem Haus trotz Abzugsanlage Essensgerüche in die darüber gelegene Wohnung dringen. Auch hier hat die Klägerin sich in unzulässiger Weise auf einfaches Bestreiten beschränkt.
3. Eine Minderung erfolgt auch wegen der Geräusche der Abzuganlage am Fenster des Hofzimmers.
Es ist davon auszugehen, dass die Abzugsanlage zu einer Lärmbelastung von bis zu 22 dB(A) in dem Zimmer führt. Die Angabe der Beklagten von ca. 50 dB(A) bezieht sich auf den Zeitraum vor Einbau des Schalldämpfers im Jahr 2000 und ist für den hier maßgeblichen Zeitraum ab März 2002 nicht mehr aktuell. Nach Nr. 6.2 der TA Lärm v. 26.8.1998 soll die Geräuschbelastung innerhalb von schutzbedürftigen Räumen nachts 25 dB(A) nicht übersteigen. Obwohl dieser Wert hier eingehalten ist, liegt ein Mangel vor.
Wie bereits ausgeführt kommt es für die Feststellung eines Fehlers auf die Abweichung von dem vertragsgemäßen Zustand an. Maßgeblich ist, welchen Zustand die Parteien als solchen vereinbart haben. Wird eine Wohnung innerhalb einer lärmbelasteten Umgebung angemietet, kann der Mieter nicht geltend machen, er fühle sich durch den Lärm gestört. Denn die Wohnung ist mit dieser Beeinträchtigung Vertragsgegenstand geworden. Wird hingegen eine Wohnung in absoluter Ruhiglage gemietet, kann bereits eine geringe Lärmquelle zu einer Abweichung von dem vertragsgemäßen Zustand führen. Es kommt mithin nicht darauf an, ob Rechtsvorschriften oder technische Normen eingehalten sind, sondern darauf, was die Parteien vereinbart haben (vgl. LG Berlin GE 2002, 392; Schmidt-Futterer, Mietrecht, 8. Aufl. 2003, § 536, Rdnr. 26). Die technischen Normen können bei der Beurteilung der Erheblichkeit des Fehlers herangezogen werden (LG Berlin MM 1995, 33).
Die Klägerin selbst hat durch die Einreichung des Messprotokolls der K.-S.-Z. Ingenieur GmbH vom 24.8.2000 vorgetragen, dass das Lüftergeräusch im Zimmer deutlich und gleichförmig zu hören ist. Da die Beklagten ein Zimmer ohne diese Dauereinwirkung angemietet haben, weicht der jetzige Zustand von dem vertraglichen ab. Diese Abweichung ist auch erheblich. Ein permanent wahrnehmbares, gleichförmiges Geräusch beeinträchtigt die Wohnqualität auch dann, wenn es relativ leise ist. Die Erheblichkeit folgt hier nicht aus der Intensität, sondern aus der Art des Geräuschs. Ob die Werte der TA Lärm entsprechen oder nicht, ist daher nicht maßgeblich.
4. Ein weiterer Minderungsgrund liegt in dem Zustand des Müllplatzes bis zum April 2003 (einschließlich).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass die Mülltonnen regelmäßig überfüllt waren, Abfalltüten mit Essensresten neben den Tonnen lagen und der Platz damit einen ungepflegten Eindruck machte. Dass solcher Zustand auch eine Geruchsbelästigung sich bringt, ergibt sich von selbst und bedarf keiner gesonderten Feststellungen. Die Zeugen K. und A. haben diese Situation glaubhaft geschildert. Sie haben beide die Verhältnisse nachvollziehbar und in sich stimmig dargestellt. Die Aussage der Zeugin K., sie habe sich vor dem Wegbringen des Mülls immer vergewissert, ob die Tonnen bereits voll wären, vermittelt einen guten Eindruck auch der Permanenz des Problems und erscheint sehr realistisch. Die Zeugen haben übereinstimmend geschildert, dass die Überfüllung in der Regel auf große blaue Müllsäcke mit Speiseresten zurückzuführen war. Ihre Darstellung wird gestützt durch die zur Akte gereichten Fotos. Der dort ersichtliche Zustand ist von beiden Zeugen bestätigt worden.
Die Zeugen waren auch glaubwürdig. Sie haben während ihrer Aussage keine Verunsicherung gezeigt und sich weder widersprüchlich noch sonst auffällig verhalten. Der Umstand, dass der Zeuge A. aus demselben Grund die Miete mindert und dies Gegenstand eines anderen Rechtsstreits ist, mag zwar nahe legen, dass er der Beweisfrage nicht neutral gegenüber steht. Er wird dadurch jedoch nicht unglaubwürdig. Die Aussage eines Zeugen wird durch ein Eigeninteresse oder die Nähe zu einer der Parteien nicht unverwertbar. Dieser Umstand ist zu berücksichtigen, führt zur Unglaubwürdigkeit aber nur bei Hinzutreten weiterer Anhaltspunkte, die hier fehlen. Etwaige Zweifel werden hier durch die Übereinstimmung mit der Aussage der insofern „neutralen“ Zeugin K. beseitigt.
Die Aussage der Zeugin P. ist nicht geeignet, den von den Beklagten erbrachten Beweis zu erschüttern. Sie hat keine ebenso schlüssige Schilderung der Müllsituation abgegeben. Zwar hat sie ausgesagt, die Mülltonnen wären in der Regel nicht überfüllt. Gleichzeitig hat sie aber eingeräumt, dass es in gewissen Situationen, z.B. nach Feiertagen, anders sein könne. Sie hat bestätigt, dass es im Jahr 2000 ein Müllproblem gegeben habe, dass aber durch die Anbringung von Schlössern beseitigt worden sei. Warum es nicht wieder aufgetreten sei, seitdem die Schlösser an den Tonnen der Wohnraummieter defekt sind, konnte sie nicht erklären. Nach Ihrer Auffassung war die Überfüllung auf die Wohnraummieter zurückzuführen, die die Tonnen der Gewerbemieter mitnutzten. Diese hätten dann ihre blauen Müllsäcke in die anderen Mülltonnen geworfen oder sie daneben abstellen müssen. Das Problem lässt sich aber nicht durch ein Schloss, sondern allein durch die Bereitstellung weiterer oder größerer Mülltonnen lösen. Dass den Wohnraummietern, die die Verursacher gewesen sein sollen, in dem maßgeblichen Zeitraum größere Müllkapazitäten eingeräumt worden sind, hat kein Zeuge ausgesagt. Ferner hat die Zeugin P. nicht bestritten, dass die Fotos des Müllplatzes realistisch seien, sondern nur, dass sie den Zustand nach Anbringung der Schlösser wiedergäben. Zu den Fotos, auf denen das Datum 17.1.2003 eingeblendet ist, hat sie auch den Zeitpunkt nicht in Abrede gestellt, sondern bekundet, es könne schon vorkommen, dass die Gewerbemieter ihren zusätzlichen Müll für einen kurzen Zeitraum neben die Tonnen stellen. Insgesamt kann ihre Aussage dahingehend zusammengefasst werden, dass es eine Überfüllung entsprechend dem Vortrag der Beklagten und der Schilderung der Zeugen K. und A. gegeben haben kann, dieser Zustand aber jeweils nur vereinzelt und von kurzer Dauer gewesen sei. Es ist nicht überzeugend, dass die Gewerbemieter ihre Müllsäcke jeweils nur kurz vor der Abholung ihrer Mülltonnen herausstellen. Wie die Zeugin diesen Zusammenhang herstellen kann, obwohl sie nicht sagen konnte, wann die Gewerbetonnen entleert werden, bleibt offen.
5. Nicht gegeben ist eine Minderung wegen der behaupteten nächtlichen Müllentleerung und der Geräuschbeeinträchtigung durch den Wohnungsfußboden. Die Angaben zu diesen Punkten sind zu pauschal, um ihnen eine Beeinträchtigung und deren Umfang entnehmen zu können. Es ist ungeklärt, wie lange die Müllentleerung dauert, um welchen Müll es sich handelt (Glas?) und wodurch dabei Lärm verursacht werden soll (Einwurf? Schlagen der Mülltonnendeckel?). Auch die Behauptung der gelegentlichen Wahrnehmung besonders lebhafter Gäste durch den Fußboden ist zu allgemein. Es hätte jedenfalls angegeben werden sollen.
6. Die oben genannten Mängel (eingeschränkte Nutzbarkeit des Balkons, Geräusche der Abzugsanlage, Gerüche, Zustand des Müllplatzes) berechtigen zu einer 25-prozentigen Minderung, die sich seit Mai 2003 mit Beseitigung des Müllproblems auf 20 Prozent reduziert. Bei der Festlegung der Minderungshöhe ist zu berücksichtigen, dass der Balkon das ganze Jahr über unbenutzbar ist, zum einen witterungsbedingt (was keinen Fehler der Mietsache ausmacht), zum anderen durch den Lärm des Gaststättenbetriebs. Es wird ein einheitlicher Minderungsbetrag für das ganze Jahr angesetzt, in dem die ansonsten nur für die Sommermonate anzusetzende Minderung für den Balkon gleichmäßig aufgeht. Die Belästigung durch Essensgerüche und der Zustand des Müllplatzes sind Mängel, die nicht unmittelbar die Nutzbarkeit der Wohnung einschränken, sondern schlicht lästig sind. Sie werden daher jeweils gering berücksichtigt. Anders ist es mit den Geräuschen der Abzugsanlage. Auch diese sind zunächst lästig, aber in einer Art und Weise, die sich auf die Nutzbarkeit auswirkt. Ein dauerhaftes Geräusch in einem Raum kann es – je nach dem Empfinden des Einzelnen – unmöglich machen, sich dort länger aufzuhalten auf Grund der damit einhergehenden nervlichen Belastung. In Anbetracht der Größe des Raumes von 22,39 qm, was ca. 1/5 der Wohnungsfläche ausmacht, fällt dieser Mangel am stärksten ins Gewicht.
Der Minderungsbetrag ist von der Bruttomiete zu berechnen und von dem Nettobetrag abzuziehen (bruttowarm: LG Hamburg WM 1983, 290; OLG Frankfurt WM 1986, 19; LG Kiel WM 1994, 609; Sternel, Mietrecht, 3. Aufl. 1988, II Rdnr. 556; bruttokalt: KG GE 2002, 930; LG Berlin GE 2002, 534). Gemäß § 536 BGB führt die Minderung zu einer Herabsetzung oder Befreiung von der Verpflichtung zur Entrichtung der Miete. Die Betriebskosten sind Teil der Miete, auch wenn sie dem Vermieter zur Deckung der Bewirtschaftungsauslagen dienen. Der Mieter zahlt die gesamte Summe für die vertragsgemäße Nutzung der Mietsache, die entsprechend dem Gewicht des Mangels beeinträchtigt wird, weshalb die Höhe der Herabsetzung im Einzelfall ausgehend von dem Gesamtbetrag berechnet werden muss. Der so ermittelte Minderungsbetrag ist von der Nettomiete abzuziehen. Da die Betriebskosten nach tatsächlichem Anfall abgerechnet werden, würde anderenfalls der Mieter über die Abrechnung zur Nachzahlung verpflichtet sein.
Die Miete für März 2002 bis April 2003 beträgt 417,86 Euro. Zieht man 25 Prozent = 104,46 Euro von der Nettkaltmiete in Höhe von 293,63 Euro ab, verbleibt eine monatliche Forderung von 189,17 Euro. Eine Restforderung für März 2002 besteht nicht. Von April 2002 bis einschließlich April 2003 beträgt die Nettokaltmiete insgesamt 189,17 Euro x 13 = 2459,21 Euro.
Die Miete ab Mai beträgt unter Berücksichtigung der berechtigten Betriebskostenanhebung auf 134,61 Euro (siehe Teilurteil vom 11.12.2003, I.) insgesamt 428,24 Euro. Abzüglich 20 Prozent (85,65 Euro) verbleibt eine Nettokaltmiete von 207,98 Euro, für Mai und Juni 2003 eine Forderung von 415,96 Euro. Für Juli 2003 zahlten die Beklagten 143,72 Euro, so dass der Restbetrag 64,26 Euro beträgt. In den Folgemonaten leisteten die Beklagten Zahlungen auf die Nettokaltmiete, die über den hier errechneten Sollbetrag hinausgehen, so dass keine Forderung der Klägerin mehr besteht.
II.
Die für den Zeitraum April 2002 bis Juli 2003 bestehende Gesamtforderung der Klägerin in Höhe von 2939,43 Euro ist durch die Aufrechnung der Beklagten mit ihren Ansprüchen auf Erstattung der Kosten für den Fenstereinbau aus § 536 a Abs. 2 Nr. 1 BGB bzw. der Zusage der Klägerin erloschen (§ 389 BGB).
1. Der Anspruch auf Kostenerstattung für den Einbau von Schallschutzfenstern an der Straßenseite der Wohnung folgt aus § 536 a Abs. 2 Nr. 1 BGB. Danach kann der Mieter den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen, wenn der Vermieter mit der Beseitigung des Mangels in Verzug ist.
a. Ein Mangel liegt durch die von den Gaststätten im Haus ausgehende Lärmbeeinträchtigung vor.
Ein Mangel im Sinne der §§ 536 a, 536 BGB ist eine Abweichung von dem vertraglich vereinbarten Zustand. Wie bereits oben dargelegt (I. 1.) folgt aus der Veränderung der S.-Straße, insbesondere der innerhalb des Hauses, und der damit einhergehenden Geräuscheinwirkung auf die Beklagten ein Fehler. Dieser Fehler wirkt sich nicht nur auf die Nutzbarkeit des Balkons negativ aus, sondern ist auch in der Wohnung selbst durch den erhöhten Lärmpegel störend wahrnehmbar.
Für die Prüfung, ob ein Mangel vorliegt, ist nicht auf die Vorgaben einzuhaltender Geräuschpegel nach Normen und technischen Richtlinien abzustellen, wie bereits oben ausgeführt worden ist. Allerdings können sie für die Frage, ob und wie erheblich die Einwirkung ist, herangezogen werden, wobei jedoch dem Umstand Rechnung getragen werden muss, dass diese Normen und Richtlinien in der Regel nicht unmittelbar anwendbar sind (vgl. BGH NJW 1990, 2465 m.w.N.; OLG Frankfurt OLGR 2003, 1, 3 f). Hier ist außerhalb der Wohnung in der Nachtzeit ein Schallpegel von 65 dB(A) gemessen worden. Dabei handelt es sich um den nach Ziffer 2.10 der TA Lärm maßgeblichen Beurteilungspegel. Nach Ziffer 6.2 der TA Lärm soll bei Geräuschübertragungen innerhalb von Gebäuden ein Pegel von 25 dB(A) nachts nicht überschritten werden. Diese Regelung, die auf § 48 BImSchG beruht, gilt unmittelbar nur für Anlagen nach dem 2. Teil des BImSchG. Nach Ziffer 1 b der TA Lärm sind Freiluftgaststätten von ihrem Anwendungsbereich ausdrücklich ausgenommen. Dasselbe gilt für die Richtlinie zur Beurteilung der von Freizeitanlagen verursachten Geräusche (Freizeitlärm – Richtlinie, ABl. von Berlin 1996, 2803). Auch sie legt in Ziffer 5.2 für die Geräuschübertragung innerhalb von Räumen einen Grenzwert von 25 dB(A) nachts fest, gilt jedoch gemäß Ziffer 2 Abs. 3 nicht für die von Gaststätten ausgehenden Immissionen. Allerdings lassen diese beiden Normen die Schlussfolgerung zu, dass eine Geräuscheinwirkung oberhalb von 25 dB(A) grundsätzlich als erheblich bzw. störend empfunden wirkt. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass es hier nicht um Lärm etwa durch Maschinen, Verkehr o.ä. geht, sondern um den von einer Vielzahl von Personen. Von der Art des Lärms ist daher eher die Freizeit-Richtlinie heranzuziehen, die nach Ziffer 2 Abs. 2 für Musikveranstaltungen, Rummelplätze, Freizeitparks u.ä. gilt. In diesen Fällen kommen zu den personenbezogenen Geräuschen noch die jeweiligen Veranstaltungsgeräusche, sei es Musik, Karussellbetrieb, usw. … Solche „Nebengeräusche“ treten – in begrenztem Maße – auch hier auf durch an- und abfahrende Autos, das Rücken von Stühlen, Schlagen von Türen usw. … Insgesamt kann man festhalten, dass die Lästigkeit einer Geräuscheinwirkung zwar auch von ihrer Art abhängt und die durch Personen verursachte weniger störend ist, da sie in den Bereich alltäglicher Beeinträchtigungen fällt, bedingt durch das mitmenschliche Zusammenleben. Sie ist aber ab einem gewissen Maß nicht mehr zumutbar, wobei als Richtwert gemäß den genannten Normen ein Schallpegel von 25 dB(A) nachts gilt.
Es ist davon auszugehen, dass die ursprünglichen Fenster der Beklagten einen Schallschutz zwischen 27 und 30 dB(A) boten. Es handelte sich um Holzkastendoppelfenster, die nach den eingereichten Unterlagen grundsätzlich den Schallschutzklassen 1 oder 2 angehören und damit ein Schalldämmmaß von bis zu 32 dB(A) aufweisen. Hiervon ist wegen des fehlenden Mittelstücks ein Abzug von 2 dB(A) zu machen. Die Klägerin hat zu ihrer Behauptung, die straßenseitigen Fenster hätten einen Dämmwert von 37 dB(A) gehabt, nicht hinreichend vorgetragen. Sie hätte ausführen müssen, auf welche konstruktiven Besonderheiten dieser für gewöhnliche Holzkostendoppelfenster nicht geltende Wert zurückzuführen sein soll.
Zieht man den angenommenen Lärmdämmwert von 30 dB(A) von dem Messergebnis (65 dB(A)) ab, ist davon auszugehen, dass die Beklagten in der Wohnung bei geschlossenem Fenster einer Geräuscheinwirkung von 35 dB(A) ausgesetzt waren. Bei geöffnetem Fenster entspricht die Beeinträchtigung innerhalb des Raumes der außerhalb vor dem Fenster gemessenen. Auf sie kommt es hier nicht an, da sich die Vorteile der neuen Fenster nur in geschlossenem Zustand bemerkbar machen können. Berücksichtigt man, dass eine Erhöhung des Schallpegels um 10 dB(A) wie eine Verdoppelung der Lautstärke empfunden wird (vgl. Umweltatlas des Landes Berlin, Ziffer 07.02), ergibt sich, dass die Überschreitung des nach der TA Lärm und der Freizeit-Richtlinie geltenden Richtwertes von 25 dB(A) um 10 dB(A) so wesentlich ist, dass sie einen Mangel der Mietsache begründet.
b. Die Beklagten haben die Klägerin mehrfach erfolglos zur Mangelbeseitigung aufgefordert und in Verzug gesetzt. Ihre Aufwendungen von 3674,69 Euro für den Einbau von Schallschutzfenstern der Klasse IV auf der Straßenseite war auch erforderlich.
Der Mieter kann nur die Erstattung der für die Mangelbeseitigung erforderlichen Kostenverlangen. Er darf keine unnötigen Maßnahmen ergreifen und keine unnötigen Kosten verursachen. Durch den Einbau von Schallschutzfenstern der Klasse IV, die grundsätzlich einen Lärmdämmwert von 42 dB(A) aufweisen, ist die Geräuschimmission innerhalb der Räume auf 23 dB(A) herabgesenkt worden. Die durch den Austausch der Fenster bewirkte Verbesserung ist geeignet, um den vertragsgemäßen Zustand innerhalb der Räume herzustellen. Das Bestreiten dieses Wertes durch die Klägerin ist nicht beachtlich, da es ins Blaue hinein erfolgt ist und die Klägerin nicht dargelegt hat, warum die eingebauten Fenster diesen Regelwert nicht erreichen sollten. Sie hat auch nicht angegeben, sich selbst ein Bild der Fenster und ihrer Eigenschaften gemacht zu machen, wozu sie als Vermieterin jedoch gehalten wäre.
Die Klägerin hat auch keinen Erfolg mit ihrem Einwand, der gleiche Zustand hätte durch kostengünstigere Maßnahmen geschaffen werden können. Sie nennt hierfür den Einbau von Schallschutzfenstern der Klasse III oder die Anbringung von Dichtungsebenen an den Bestandsfenstern. Insoweit hat sie aber nicht konkret vorgetragen, welche Kosten für diese Maßnahmen hätten aufgewendet werden müssen. Die genannten Zahlen sind ohne Kostenvoranschläge oder sonstige fundierte Berechnungen in den Raum gestellt worden. Solchen Behauptungen sind durch das Gericht nicht nachzugehen, da die Klägerin damit ihrer Pflicht nach § 138 Abs. 1, 2 ZPO, umfassend vorzutragen, nicht nachkommt. Was nun der Einbau von Dichtungsebenen gebracht hätte, ob dies an den Fenstern überhaupt möglich gewesen wäre und mit welchem Aufwand, lässt die Klägerin offen. Das gleiche gilt für die Kostenersparnis durch den Einbau von Fenstern der Schallklasse III. Die Klägerin ist auch darauf hinzuweisen, dass sie den Mangel selbst hätte beseitigen und dabei eine nach ihrer Meinung bessere Maßnahme hätte auswählen können. Kommt sie ihrer Verpflichtung aus dem Mietvertrag nicht nach, kann man von ihr jedenfalls verlangen, konkret darzulegen, worin eine bessere und günstigere Möglichkeit bestanden hätte sowie dass die Beklagten diese auch hätten erkennen und ergreifen können.
c. Die Beklagten rechnen mit ihrem Erstattungsanspruch in Höhe der Kosten von 3674,69 Euro gegen die Nettokaltmiete seit Januar 2002 auf. Für die (nicht streitgegenständlichen) Monate Januar und Februar 2002 haben die Beklagten jeweils 234,91 Euro verrechnet. Es verbleiben 3204,87 Euro. Dieser Betrag deckt die Verrechnung mit den Mieten für April 2002 bis April 2003 (2459,21 Euro) und Juli 2003 (64,26 Euro) ab.
2. Die Nettokaltmietforderung für Mai und Juni 2003 ist durch die Aufrechnung der Beklagten mit den Kosten für die Auswechselung des Hoffensters erloschen. Die Kostenübernahme hat die Klägerin zugesagt und befindet sich hier nicht um Streit.
Die Parteien nehmen lediglich eine unterschiedliche Verrechnung vor, die Klägerin mit den Mieten für Januar bis März 2002, die Beklagten mit denen für Mai und Juni 2003. Bereits die Aufrechnung durch die Beklagten hat zum Erlöschen der gegenseitigen Forderungen geführt, weshalb für die Verrechnung der Klägerin kein Raum mehr ist. Will die Klägerin die Verrechnung durch die Beklagten, die mit Schriftsatz vom 24.9.2003 erfolgt ist, nicht gelten lassen, hätte sie dem nach § 396 Abs. 1 S. 2 BGB unverzüglich widersprechen müssen. „Unverzüglich“ bedeutet ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 S. 1 BGB). Die Klägerin hat ihre Verrechnung mit Schriftsatz vom 27.10.2003 vorgenommen, was – ca. ein Monat später – nicht mehr unverzüglich ist. …
09.05.2017