Leitsätze:
1. Die fehlerhafte Berechnung der zu erwartenden Mieterhöhung, welche zu einer Abweichung von mehr als 10 Prozent führt, hat nicht die formelle Unwirksamkeit der Modernisierungsankündigung zur Folge.
2. Die schuldhaft falsche (zu niedrige) Angabe der zu erwartenden Mieterhöhung durch den Vermieter kann eine Pflichtverletzung im Sinne des § 280 Abs. 1 BGB darstellen, die zu einem Schadensersatzanspruch des Mieters führt.
3. Der Einbau eines Aufzuges stellt auch dann eine Wertverbesserung dar, wenn sich dessen Haltepunkte zwischen den einzelnen Etagen befinden und deshalb jeweils einige Treppenstufen überwunden werden müssen.
4. Das Gebot der Wirtschaftlichkeit ist für die Frage der Duldungspflicht des Mieters unbeachtlich, solange die beabsichtigte Maßnahme eine Wohnwertverbesserung darstellt.
LG Berlin, Urteil vom 23.8.04 – 67 S 27/04 –
Mitgeteilt von RA Jochen Steinert
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
… Die Beklagten sind auf Grund der Modernisierungsankündigung der Klägerin vom 27.3.2003 verpflichtet, gemäß § 554 Abs. 2 Satz 1 BGB den Einbau eines Außenaufzugs zu dulden.
Auf Grund des Vertragsabschlusses vom 15.3.1990 besteht zwischen den Parteien ein wirksames Mietverhältnis über die streitgegenständliche Wohnung im Hause H.-Straße in Berlin. Die Beklagten hatten die Räumlichkeiten zu DDR-Zeiten von der staatlichen Wohnungsverwaltung 11 angemietet, die offenbar als Treuhänder über das Vermögen der Eigentümerin E.G. verfügte, was beispielsweise auf Grund der „Verordnung über die Verwaltung und den Schutz ausländischen Eigentums in der Deutschen Demokratischen Republik“ vom 6.9.1951 (GBI. der DDR 1951, Nr. 111, S. 839) der Fall gewesen sein könnte. Die Klägerin hat das Gebäude mit ihrer Eintragung in das Grundbuch am 10.10.2001 von der Eigentümerin E.G. erworben, so dass sie gemäß § 566 Abs. 1 BGB in das Mietverhältnis mit den Beklagten eingetreten ist. Die Beklagten bestreiten nicht, dass zwischen den Parteien eine mietvertragliche Beziehung besteht.
Mit Schreiben vom 27.3.2003 hat die Klägerin den Einbau eines Außenaufzugs an der Fassade zum Innenhof angekündigt.
Die Modernisierungsankündigung der Klägerin vom 27.3.2003 wahrt die dreimonatige Ankündigungsfrist des § 554 Abs. 3 Satz 1 BGB, denn mit der Baumaßnahme sollte Anfang Juli 2003 begonnen werden. Die voraussichtliche Dauer der Baumaßnahme („bis Ende August 2003“) wurde den Beklagten ebenso mitgeteilt wie die zu erwartende Mieterhöhung, die sich ausgehend von Gesamtkosten in Höhe von rund 87.000 Euro für die streitgegenständliche Wohnung im 3. Obergeschoss auf 61,39 Euro belaufen soll. Hierbei erscheint es grundsätzlich sachgerecht, wenn die Gesamtkosten für den Einbau des Außenaufzugs in Abstufung nach der Geschosshöhe auf die einzelnen Wohnungen umgelegt werden, wie es auch bei der Verteilung der Betriebskosten zulässig ist (vgl. Beuermann, Miete und Mieterhöhung bei preisfreiem Wohnraum, § 4 MHG Rn. 28 c). Soweit die Wohnungen im 1. Obergeschoss an den Gesamtkosten für den Einbau des Außenaufzugs nicht beteiligt werden sollen, haben die Mieter dieser Räumlichkeiten auch keinen Nutzen von der Anlage, die erstmals zwischen dem 1. Obergeschoss und dem 2. Obergeschoss einen Ein- und Ausstieg haben soll. Allerdings ist der Klägerin bei ihrer Berechnung der zu erwartenden Mieterhöhung in der Modernisierungsankündigung vom 27.3.2003 ein Denkfehler unterlaufen, wie die Beklagten anhand ihres Rechenwerks im Schriftsatz vom 11.11.2003 schlüssig nachgewiesen haben. Darüber hinaus hat die Klägerin inzwischen eingeräumt, dass die Gesamtkosten der Baumaßnahme voraussichtlich höher ausfallen werden, als es in ihrem Schreiben vom 27.3.2003 angekündigt wurde. Aus der Kalkulation des Architekten Dipl.-Ing. M. H. vom 5.10.2003 ergeben sich Gesamtkosten in Höhe von 96.917,71 Euro, was eine Abweichung von rund 10 Prozent begründet.
Die fehlerhafte Berechnung der zu erwartenden Mieterhöhung führt indes nicht zur formellen Unwirksamkeit der Modernisierungsankündigung vom 27.3.2003. Letztendlich stellt sich die Frage nach der billigen Verteilung der Gesamtkosten für den Einbau des Außenaufzuges erst dann, wenn die Klägerin nach der Fertigstellung der Baumaßnahme tatsächlich eine Mieterhöhung verlangt. Gegebenenfalls könnte bei schuldhaft falschen Angaben der Klägerin eine Pflichtverletzung im Sinne von § 280 Abs. 1 BGB vorliegen, auf Grund derer sich die durchsetzbare Mieterhöhung verringern könnte.
Die materiellen Voraussetzungen eines Duldungsanspruchs der Klägerin gemäß § 554 Abs. 2 BGB liegen insoweit vor, als der angekündigte Einbau eines Außenaufzugs eine Wohnwertverbesserung darstellt, auch wenn sich dessen Ein- und Ausstiege zwischen den einzelnen Etagen befinden. Die Anzahl der Treppenstufen, die zu Fuß überwunden werden müssen, verringert sich für die Beklagten, deren Wohnung im 3. Obergeschoss liegt, mindestens um die Hälfte. Derzeit müssen die Beklagten zwei volle Treppenabsätze überwinden, um zu der streitgegenständlichen Wohnung zu gelangen, während sie bei der Benutzung des Aufzuges nur die halbe Treppe zum Absatz zwischen dem 1. Obergeschoss und dem 2. Obergeschoss sowie die halbe Treppe zum Haltepunkt zwischen dem 2. Obergeschoss und dem 3. Obergeschoss hinauf- bzw. herabsteigen müssten. Insbesondere dann, wenn die Beklagten schwere Lasten zu transportieren haben, stellt sich die Möglichkeit der Benutzung des Aufzuges für sie als eine Wohnwertverbesserung dar.
Die Beklagten können sich nicht darauf berufen, dass die angestrebte Wohnwertverbesserung außer Verhältnis zu der zu erwartenden Mieterhöhung stehen würde, so dass es sich um eine unzulässige Luxusmodernisierung handeln würde. Das Gebot der Wirtschaftlichkeit, das die Rechtsprechung vor Inkrafttreten der Mietrechtsreform mit Wirkung zum 1.9.2001 entwickelt hatte, stellt kein Korrektiv mehr dar.
Vor Inkrafttreten des Mietrechtsreformgesetzes mit Wirkung zum 1.9.2001 bestand nach Ansicht der Rechtsprechung keine Verpflichtung des Mieters, solche Modernisierungsmaßnahmen zu dulden, bei denen die angekündigte Wertverbesserung nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der voraussichtlichen Mieterhöhung stand. Eine Verletzung des Gebotes der Wirtschaftlichkeit wurde beispielsweise angenommen „bei zu erwartenden Mietpreissteigerungen von 80,00 DM monatlich für die Verfliesung der Fußböden in Küche (bisher Dielen) und Bad (bisher Steinholz)“ (LG Berlin [ZK 61], MM 1983, 14), bei Kosten der Wärmedämmung, welche die Ersparnis an Heizenergie um mehr als 200 Prozent überstiegen (OLG Karlsruhe, GE 1984, 1079; vgl. auch KG, GE 1986, 231 sowie LG Berlin [ZK 64], GE 1987, 521), bei einer Mietsteigerung wegen des Einbaus von Isolierglasfenstern, die um „nahezu 400 Prozent höher ist als die damit verbundene Heizkostenersparnis“ (LG Berlin [ZK 61], GE 1996, 129) und bei einer zu erwartenden Kostenbelastung in Höhe von „ca. 250 DM monatlich zusätzlicher Mietbelastung und rund 50 DM monatlicher Betriebskosten“ für den Einbau eines Aufzuges in einer ähnlichen Fallkonstellation wie dem vorliegenden Sachverhalt (LG Berlin [ZK 65], MM 1996, 365).
Seit Inkrafttreten des Mietrechtsreformgesetzes mit Wirkung zum 1.9.2001 kann auf das Gebot der Wirtschaftlichkeit indes nicht mehr abgestellt werden, wie sich aus einem Urteil des BGH vom 3.3.2004 (GE 2004, 620) ergibt. Der BGH hat für einen Fall der Energieeinsparung durch eine Wärmedämmfassade entschieden:
„Für eine solche Begrenzung nach Art einer ,Kappungsgrenze‘ besteht keine gesetzliche Grundlage. Die Regelungen für den preisgebundenen Wohnraum (…) und den preisfreien Wohnraum (§§ 559-559 b BGB; § 3 MHG) regeln die Zulässigkeit einer Umlage der Modernisierungskosten auf den Mieter, ohne eine Begrenzung im Hinblick auf die zu erwartende Heizkostenersparnis vorzusehen. … Der Gesetzgeber hat im volkswirtschaftlichen Interesse an einer Modernisierung des Wohnbestandes … von einer begrenzenden Regelung bewusst abgesehen. Der Regierungsentwurf zu § 3 MHG enthielt zum Schutz der Mieter eine Kappungsgrenze, wonach die durch Modernisierungsmaßnahmen erhöhte Miete 10 Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete nicht sollte übersteigen dürfen (…). Diese Kappungsgrenze wurde im weiteren Gesetzgebungsverfahren mit der Begründung gestrichen, dass bei einer solchen Regelung die Durchsetzung von Mieterhöhungen erschwert und dadurch der Anreiz zur dringend notwendigen Modernisierung oft entfallen würde (…). Auch der Vorschlag des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau zu dem Entwurf des Ersten Gesetzes zur Änderung des Wohnungsmodernisierungsgesetzes, in § 3 MHG eine Härteklausel einzufügen, wonach der Vermieter insoweit nicht zu einer Mieterhöhung wegen Modernisierung berechtigt sein solle, als die Mieterhöhung in einem erheblichen Missverhältnis zu den für den Mieter zu erwartenden Vorteilen stehe (…), fand keine Berücksichtigung. In der Begründung des Gesetzentwurfs zum Mietrechtsreformgesetz vom 19.6.2001 ist unter Hinweis auf volkswirtschaftliche und umweltpolitische Interessen ausgeführt, dass ein Anreiz zur Durchführung von Wohnungsmodernisierungen weiterhin erforderlich sei (…). Im Verfahren vor dem Bundesrat nahmen die Ausschüsse ausdrücklich auf die Grenze von 200 %, die sich in der Rechtsprechung bei Energiesparmaßnahmen herausgebildet habe, Bezug und empfahlen, eine Aufnahme des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit zu prüfen (…). Diese Empfehlung fand keinen Eingang in das Gesetz. Die Begrenzung der Mieterhöhung durch das Verhältnis zu den ersparten Heizkosten folgt entgegen der Ansicht der Revision auch nicht aus dem Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB. Dem steht die Entscheidung des Gesetzgebers entgegen, der von einer begrenzenden Regelung, wie ausgeführt, bewusst Abstand genommen hat.“
Diese Grundsätze lassen sich auch auf den vorliegenden Fall übertragen.
Auf den Einwand der Härte im Sinne von § 554 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 BGB berufen sich die Beklagten, die keine Angaben zu ihren finanziellen Verhältnissen machen, nicht. …
01.01.2018