Leitsätze:
1. Der Gebrauch einer Mobildusche in der Wohnung ist vergleichbar mit dem Aufstellen einer Waschmaschine und damit in aller Regel ohne Zustimmung des Vermieters gestattet.
2. Hingegen sind bauliche Veränderungen, welche die Mietsubstanz berühren, grundsätzlich nicht erlaubt. Nicht gestattet ist es beispielsweise, einen Kachelofen ohne Einverständnis des Vermieters abzureißen, Wanddurchbrüche zu machen und Wasserleitungen zu verlegen. Solche Vertragsverletzungen berechtigen den Vermieter nach § 543 Abs. 1 BGB zur fristlosen Kündigung. Er ist nicht gehalten, den Mieter zunächst auf Rückbau in Anspruch zu nehmen.
3. Ob andere Mieter ebenfalls in vertragswidriger Weise in die Bausubstanz eingegriffen haben, ist unbeachtlich, da ein Mieter aus Pflichtverletzungen Dritter keine Rechte herleiten kann. Insoweit gilt der Grundsatz, dass es keine Gleichheit im Unrecht gibt.
AG Neukölln, Urteil vom 10.6.04 – 8 C 71/04 –
Mitgeteilt von RA Kai Jüdemann
Urteilstext
Aus dem Tatbestand:
Die Parteien streiten mit der Klage um die Räumung einer Wohnung und mit der Widerklage um die Zustimmung zum Einbau einer Dusche in der Wohnung.
Die Beklagte mietete 1982 die im Eigentum der Klägerin stehende Wohnung, die im Tenor näher beschrieben wird. Sie lebt schon seit ihrer Geburt in dem Haus, in dem auch ihre pflegebedürftige Mutter lebt.
Die Wohnung verfügt über keine von der Klägerin zur Verfügung gestellte Dusche und über kein Bad. Die Beklagte ist körperlich behindert und dringend darauf angewiesen, sich häufig zu duschen.
Auf den Wunsch der Beklagten nach dem Einbau einer Dusche hin kamen die Parteien darüber ins Gespräch, ob und gegebenenfalls wo in der kleinen Wohnung eine Dusche eingebaut werden könnte. Verschiedene Varianten des Einbaus einer Dusche im Bereich der jetzigen Küche und der hierfür notwendigen Umbaumaßnahmen wurden erörtert.
Im November 2002 teilte die Hausverwaltung der Klägerin der Beklagten mit, dass sie die Modernisierung der Wohnung durch den Einbau einer Dusche ablehne. Gleichzeitig wurde der Beklagten eine andere Wohnung mit Dusche im Haus angeboten, deren Anmietung die Beklagte wegen ihrer Behinderung und der insoweit ungünstigeren Lage der anderen Wohnung nicht wünschte.
Mit Schreiben vom Mai 2003 erbat die Beklagte daraufhin die Zustimmung der Klägerin zur Aufstellung einer Fertigdusche im Schlafzimmer, wobei sie mitteilte, dass sie zum Betrieb der Fertigdusche einen Durchbruch durch die Wand zur Außentoilette machen müsse, um so die Zu- und Abwasserleitungen verlegen zu können. Gleichzeitig erbat sie die Zustimmung zum Abriss des Kachelofens im Schlafzimmer, da sich durch den dadurch gewonnenen Platz die Dusche und die übrigen Möbel im Schlafzimmer besser aufstellen ließen. Die Klägerin ließ durch ihre Hausverwaltung antworten, dass sie dem Aufstellen einer mobilen Dusche im Schlafzimmer ausdrücklich widerspreche und Eingriffe in die sanitären Leitungen der Außentoilette untersage. Danach ließ die Beklagte den Kachelofen im Schlafzimmer abreißen und stellte in dem Zimmer eine mobile Fertigdusche auf, deren Zu- und Ableitungen sie mittels Wanddurchbrüchen mit der daneben liegenden Außentoilette ihres Nachbarn, die nur vom Treppenhaus aus zugänglich ist, verband.
Nachdem die Klägerin von den Baumaßnahmen der Beklagten erfahren hatte, forderte sie sie Mitte Oktober 2003 auf, die Duschkabine abzubauen und die Eingriffe in die Bausubstanz des Hauses unverzüglich rückgängig zu machen. Diese Aufforderung wiederholte sie unter Fristsetzung Ende Oktober 2003 nochmals, wobei sie widrigenfalls die Kündigung des Mietverhältnisses androhte.
Nachdem die Beklagte der Aufforderung nicht nachkam, kündigte die Klägerin mit Schreiben vom 6.11.2003 und erneut in der Klageschrift den Mietvertrag unter Hinweis auf die ohne Zustimmung vorgenommenen baulichen Veränderungen fristlos.
Die Klägerin beantragt – wie in Ziffer 1. des Urteilstenors erkannt –
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen und ihr hilfsweise eine Räumungsfrist zu gewähren,
widerklagend beantragt sie, die Klägerin zur Erteilung der Zustimmung des Einbaus einer Mobildusche im Schlafzimmer der Wohnung W.-Straße rechter Aufgang, 1. OG, rechts, in Berlin, zu verurteilen.
Die Klägerin beantragt, die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagte trägt vor: Die Kündigungen seien unwirksam, da die Klägerin auf Grund ihrer Behinderung und der daraus resultierenden Notwendigkeit einer Dusche verpflichtet sei, dem Einbau der Dusche zuzustimmen. Der Kachelofen sei von ihr seit 17 Jahren nicht genutzt worden. Aus statischen Gründen habe sie die Dusche an der Stelle aufgebaut, an der sich der Kachelofen befunden habe. Das Zimmer könne sie mittels eines Elektroheizers ausreichend heizen. Der Kachelofen sei defekt und nicht in der Läge gewesen, den Raum ausreichend zu heizen.
Zwar sei es ihr bewusst, dass sie die Zustimmung der Klägerin eigentlich zunächst habe einklagen müssen, es sei jedoch ein unzulässiger Formalismus, nunmehr damit zu argumentieren, dass eine Zustimmung nicht mehr erteilt werden müsse, da das Mietverhältnis beendet sei. Hierdurch werde sie in ihrem durch Art. 14 GG geschützten Besitzrecht an der Wohnung unzulässig beeinträchtigt. Im Übrigen sei ihr aus gesundheitlichen Gründen ein Umzug nicht möglich. Daneben sei zu beachten, dass fast alle Mieter in dem Haus mit oder ohne Zustimmung der Klägerin, jedenfalls mit deren Duldung, Umbauten in ihren Wohnungen vorgenommen haben, wobei häufig auch Kachelöfen abgerissen und Duschen eingebaut worden seien. …
Aus den Entscheidungsgründen:
Klage und Widerklage sind zulässig.
Die Klage ist begründet.
Die Klägerin hat gemäß § 546 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Räumung und Rückgabe der Wohnung, da das Mietverhältnis durch ihre Kündigung beendet ist.
Die Vorschrift hat folgenden Wortlaut:
§ 543 BGB Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund.
(1) Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
(2) …
(3) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag, so ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten angemessenen Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Dies gilt nicht, wenn
1. …
Indem die Beklagte gegen die ausdrückliche Erklärung der Klägerin den Kachelofen abriss und Wanddurchbrüche zur Außentoilette vornahm und vom Schlafzimmer zu dieser Außentoilette Frisch- und Abwasserleitungen verlegen ließ, verletzte sie ihre Pflichten aus dem Mietverhältnis in einer Weise, die von der Klägerin nicht hingenommen werden muss. Bauliche Veränderungen, welche die Substanz der Mietsache berühren, sind grundsätzlich nicht erlaubt. Dagegen ist es unerheblich, dass die Beklagte eine Mobildusche aufstellte. Deren Gebrauch in der Wohnung ist vergleichbar mit dem Aufstellen einer Waschmaschine und damit in aller Regel ohne Zustimmung des Vermieters gestattet. Nicht gestattet ist jedoch, einen Kachelofen ohne Einverständnis des Vermieters abzureißen, Wanddurchbrüche zu machen und Wasserleitungen zu verlegen. Die Beklagte kann sich insoweit auch nicht darauf berufen, dass sie im Rahmen der „Barrierefreiheit“ gemäß § 554 a BGB einen Anspruch auf Zustimmung zu baulichen Veränderungen für eine behindertengerechte Nutzung der Wohnung hat. Selbst wenn sie zu dem Zeitpunkt, als das Mietverhältnis noch bestand, einen Anspruch auf Zustimmung zu einem Einbau einer Dusche gehabt haben mag, ging dieser Anspruch jedenfalls nicht dahin, Öfen abzureißen und die Dusche an der ihr allein genehmen Stelle zu errichten. Dass die Dusche nicht auch in der Küche hätte aufgestellt werden können, hat die Beklagte nicht schlüssig vorgetragen. Bei der im Rahmen der Anwendung von § 543 BGB auch im Lichte von Art. 14 GG vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Interessen ist einerseits sicherlich die lange Wohndauer der Beklagten, ihre Behinderung und der Umstand besonders zu berücksichtigen, dass ihre pflegebedürftige Mutter im Haus wohnt. Auf der anderen Seite ist der massive Eingriff in die Bausubstanz durch den Ofenabriss und den Wanddurchbruch sowie der Vertrauensbruch der Beklagten, indem sie entgegen dem ausdrücklichen Verbot der Klägerin deren Willen missachtete, an dieser Stelle nicht in dieser Art und Weise zu bauen, sowie der Umstand zu berücksichtigen, dass die Klägerin bereit war, andere Lösungen zu suchen (Umzugsangebot im Haus). Hinzu kommt, dass die Beklagte trotz Abmahnung den vertragswidrigen Zustand nicht beseitigte.
Dass es ihr aus gesundheitlichen Gründen unmöglich sein soll umzuziehen, vermag das Gericht nicht zu erkennen. Zwar wird sie für den Umzug Hilfe benötigen. Diese wird sie sich jedoch verschaffen müssen.
Auf die Frage, ob die Beklagte den Ofen in den letzten Jahren nutzte, kommt es ebenso wenig an, wie darauf, ob dieser zuletzt defekt war. Auch wenn ein Mieter besonders kälteunempfindlich ist, hat dieser keinen Anspruch, den einzigen vorhandenen Ofen in einem Raum abzubauen. Dagegen hat ein Vermieter ein großes Interesse, vorhandene Heizstandards nicht zu vermindern und Heizmöglichkeiten beizubehalten.
Ob andere Mieter in vertragswidriger Weise in die Bausubstanz eingegriffen haben, ist gleichfalls unbeachtlich, da die Beklagte aus Pflichtverletzungen Dritter keine Rechte herleiten kann. Insoweit gilt der Grundsatz, dass es keine Gleichheit im Unrecht gibt.
Gemäß § 543 Abs. 3 BGB war die Klägerin in dieser Situation nicht gehalten, die Beklagte auf Rückbau in Anspruch zu nehmen, sondern durfte sogleich fristlos kündigen.
Die Widerklage ist unbegründet. Unabhängig von der Frage, ob die Aufstellung einer Mobildusche (ohne gleichzeitigen Eingriff in die Bausubstanz) erlaubnisfrei oder erlaubnispflichtig ist, kann die Beklagte hier auch im Hinblick auf die Barrierefreiheit nach § 554 a BGB keine Ansprüche aus dem ehemaligen Mietverhältnis mehr geltend machen, da dieses durch die fristlose Kündigung wirksam beendet wurde. Entgegen der Auffassung der Beklagten stellt es keinen unnötigen Formalismus dar, für Ansprüche aus einem Mietvertrag dessen Bestand vorauszusetzen.
Gemäß § 721 ZPO ist der Beklagten eine angemessene Räumungsfrist zu gewähren, um ihr die Möglichkeit zu geben, für sich eine andere Wohnung zu suchen. Zwar werden derzeit etliche leere Wohnungen auf dem Berliner Wohnungsmarkt angeboten, zu berücksichtigen ist jedoch, dass die Beklagte im Hinblick auf ihre Behinderung größere Probleme als nicht behinderte Mieter haben wird, eine für sie angemessene Wohnung zu finden. …
23.12.2017