Leitsatz:
Auch nach Umstellung auf das digitale terrestrische Fernsehen hat der Vermieter die Gemeinschaftsantenne dergestalt in Ordnung zu halten, dass der Mieter unter Verwendung der von ihm auf eigene Kosten angeschafften Set-Top-Box störungsfrei über die in der Wohnung vorhandene Antennenbuchse die üblichen Programme empfangen kann.
AG Neukölln, Urteil vom 29.10.04 – 20 C 98/03 –
Urteilstext
Aus dem Tatbestand:
Zwischen den Parteien besteht auf Grund eines am 3. Juni 1969 geschlossenen Mietvertrages ein Mietverhältnis über eine im Hause F…-Weg in Berlin belegene Wohnung. Dem Kläger als Mieter stand seit Beginn des Mietverhältnisses eine Gemeinschaftsantenne für den Empfang von Rundfunk- und Fernsehprogrammen zur Verfügung. Einzelheiten hierzu waren in einer Zusatzvereinbarung zu dem Mietvertrag geregelt. Für die Unterhaltung der Gemeinschaftsantenne waren von den Mietern, so auch dem Kläger, anteilig Betriebskosten zu tragen. Die Beklagte hat nach der im März 2003 erfolgten Umstellung der terrestrischen Versorgung der Berliner Haushalte mit Rundfunk- und Fernsehprogrammen von bisher analogen auf nunmehr digitale Übertragung im Mai 2004 in dem Haus eine moderne Breitbandkabelanlage geschaffen, die neben dem Empfang von 43 analogen Fernsehprogrammen weitere digitale Fernsehsender sowie zahlreiche zusätzliche interaktive Dienste zur Verfügung stellt, während sie die Gemeinschaftsantenne außer Betrieb nahm. Der Kläger hat einen Anschluss seiner Wohnung an das Breitbandkabelnetz nicht gestattet. Das „ZDF“-Programm war nach der Umstellung auf die digitale Übertragung über die Gemeinschaftsantenne nicht zu empfangen, weil deren Verstärkeranlage mit einem Breitbandverstärker von circa 40 bis 400 MHz ausgerüstet ist, während nunmehr auch Programme im Band 400 bis 850 MHz terrestrisch ausgestrahlt werden, so dass es zum Empfang des „ZDF“-Programms des Austausches des Antennenverstärkers gegen ein neues Modell bedarf. Bis zu der Abschaltung der Gemeinschaftsantenne ließ die Beklagte ab Anfang Mai 2003 die bis dahin über das analoge Verfahren frei empfangbaren Fernsehkanäle (ARD, ZDF, SAT 1, RTL, SFB und ORB) vorübergehend über einen Kabelnetzbetreiber am Übergangspunkt der Gemeinschaftsantennenanlage in das Antennennetz des Hauses F…-Weg einspeisen.
Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Wiederherstellung der Versorgung seiner Wohnung mit den bisher über die Gemeinschaftsantenne zur Verfügung gestellten terrestrischen Signalen. Er behauptet, er habe sich anlässlich der Umstellung der Programmübertragung auf digitale Signale ein zu deren Umwandlung erforderliches Gerät, die so genannte „Set-Top-Box“, beschafft. Der Kläger behauptet, ein störungsfreier Empfang terrestrischer Signale sei über eine einfache Stabantenne in seiner Wohnung nicht möglich. Der Empfang über die Hochantenne sei insoweit qualitativ besser und störungsfrei. Er sei nicht bereit, den Anschluss seiner Wohnung an das Breitbandkabelnetz zu dulden, zumal die Nutzung mit einer jährlichen Kostenbelastung von 160,00 Euro verbunden sei, während sich die Anschaffungskosten für die Set-Top-Box auf circa 100,00 Euro beliefen. Mit dem Anschluss an das Kabelnetz sei im Hinblick auf die nunmehr geschaffenen terrestrischen Empfangsmöglichkeiten auch keine Wertverbesserung verbunden.
Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die Wohnung 7, F…-Weg in Berlin, über die in der Wohnung vorhandenen Rundfunk- und Fernsehantennenanschlüsse über die Gemeinschaftsantenne wieder mit terrestrisch digital zu empfangenden Programmen zu versorgen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie macht geltend, sie schulde dem Kläger im Hinblick auf den Empfang von Rundfunk- und Fernsehprogrammen nur eine Grundversorgung, insoweit beschränkt auf das seinerzeit terrestrisch im Wege der analogen Übertragung verbreitete Angebot. Dem habe er zunächst durch die Einspeisung dieser Sender in die Gemeinschaftsantennenanlage über einen Netzbetreiber und sodann durch die Schaffung einer Anschlussmöglichkeit an das Breitbandkabelnetz Rechnung getragen.
Die Beklagte behauptet, von den 112 Wohnungen der Wohnanlage seien insgesamt nur 8 Wohnungen nicht an das Breitbandkabelnetz angeschlossen. Ihr sei nicht zuzumuten, für diese verbleibenden Mieter die alte, aus den sechziger Jahren stammende Antennenanlage weiter in Betrieb zu halten. Die Beklagte bestreitet, dass der Kläger die Gemeinschaftsantenne bereits zum 1.3.2003 zum Empfang von digital übertragenen Programmen genutzt habe. …
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist begründet. Der Kläger kann von der Beklagten die Wiederherstellung der Versorgung mit terrestrisch empfangbaren Rundfunk- und Fernsehprogrammen über die in seinem Hause vorhandene Gemeinschaftsantenne beanspruchen.
Im Rahmen des § 535 Abs. 1 BGB hat der Vermieter dem Mieter die Möglichkeit zu geben, Rundfunk und Fernsehen zu empfangen, um seinem grundrechtlich geschützten Informationsbedarf nachzukommen. Hat der Vermieter im Haus technische Einrichtungen geschaffen, um dem Mieter Fernseh- und Rundfunkempfang zu ermöglichen, wie dies vorliegend mit der Installation der Gemeinschaftsantenne und den zugehörigen Anschlussdosen in der Wohnung geschehen ist, gehört diese Nutzung zum vertraggemäßen Gebrauch der Mietsache. Vorliegend ergibt sich dies im Übrigen schon aus der diesbezüglichen Zusatzvereinbarung zu dem Mietvertrag und aus dem Umstand, dass die Mieter, so auch der Kläger, hierauf bezogene Betriebskosten anteilig zu tragen hatten.
Der Vermieter ist im Rahmen des § 535 Abs. 1 BGB verpflichtet, sicherzustellen, dass mit der hauseigenen terrestrischen Dachantenne Signale empfangen werden können und bei dem Mieter auch ankommen. Soweit und solange die vorhandene Antenne hierzu geeignet ist, hat der Vermieter sie bereit- und instandzuhalten, ggf. auch zur Gewährleistung eines optimalen Empfanges, etwa in Anpassung an geänderte technische Anforderungen, neu auszurichten. Er kann diese nicht einfach abbauen, insbesondere auch nicht etwa mit der Begründung, der digitale Empfang sei nunmehr über die Stabantenne in der Wohnung möglich. Zum einen ist ein hinreichender Empfang mit der Stabantenne nicht überall gewährleistet, zum anderen ist der Mieter, der bisher über die Gemeinschaftshochantenne empfangen hat, nicht verpflichtet, die Stabantenne zu kaufen, denn er hat ja mit der von ihm in jedem Falle zusätzlich benötigten Set-Top-Box über die Hochantenne einen (besseren) Fernsehempfang. Auch wenn nur noch einzelne Mieter über die Hochantenne empfangen, ist der Vermieter nicht berechtigt, etwa aus Gründen der „Wirtschaftlichkeit“ im Hinblick auf die entstehenden Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten, die Hochantenne eigenmächtig zu entfernen oder abzuschalten. Soweit er der Mieterschaft, aus welcher Veranlassung und aus welchen Motiven auch immer, andere Empfangsmöglichkeiten zur Verfügung stellt, wie dies vorliegend durch die Schaffung eines hochleistungsfähigen Breitbandkabelanschlusses mit einer Vielzahl von Zusatzleistungen geschehen ist, wird er damit von seiner bisherigen vertraglichen Verpflichtung auf Gewährung des Fernsehempfangs über die Gemeinschaftsantenne nicht entbunden, insbesondere nicht solchen Mietern gegenüber, die ein solches umfassenderes Angebot, das zudem mit besonderen Kosten verbunden ist, nicht nutzen wollen. Soweit die Beklagte geltend macht, die Schaffung des Breitbandkabelanschlusses diene der Sicherstellung der Grundversorgung für die Mieter, die über keine Set-Top-Box verfügen und eine solche dann auch nicht mehr anschaffen müssten, ist ihr dies unbenommen. Eine vertragliche Verpflichtung hierzu bestand nicht. Der Vermieter ist im Rahmen des § 535 Abs. 1 BGB – wie dargelegt – nur verpflichtet sicherzustellen, dass mit der hauseigenen terrestrischen Dachantenne Signale empfangen werden können und bei dem Mieter auch ankommen. Ob der Fernsehapparat des Mieters geeignet ist, diese Signale zum Aufbau eines Fernsehbildes zu verarbeiten, ist nicht Sache des Vermieters, sondern des Mieters, denn auch ansonsten die Verwendung und ggf. Beschaffung geeigneter, dem ggf. geänderten Stand der Technik entsprechender Empfangsgeräte anheim gestellt ist.
Die Umstellung auf den digitalen Fernsehempfang wird also durch das Recht des Mieters auf Informationsfluss nicht berührt. Auch bei einer vertraglichen Vereinbarung zwischen den Mietvertragsparteien auf Zurverfügungstellung eines Antennenanschlusses ergibt sich keine andere rechtliche Folgerung. Die bisherigen Gemeinschaftsdachantennen sind in der Lage, die digitalen Impulse bis in die Wohnung des Mieters weiterzugeben. Mehr schuldet der Vermieter nicht, insbesondere nicht die Umwandlung der digitalen Impulse in analoge. Von der Antennenbuchse an ist es Sache des Mieters, sich die geeigneten Geräte zum Fernsehempfang zu beschaffen.
Der Vermieter ist nicht verpflichtet, auf eigene Kosten die über die Dachantenne empfangenen digitalen Signale für jedes einzelne Programm in analoge Signale umzuwandeln, damit der Mieter keine Set-Top-Box anschaffen muss. Denn er schuldet nicht den analogen Empfang, sondern nur die Empfangsmöglichkeit von Signalen überhaupt, die von dem Mieter zum Fernsehempfang genutzt werden können, selbst wenn dieser noch Zusatzgeräte installieren muss. Insoweit ist umgekehrt auch die Erwägung der Beklagten irrig, sie schulde dem Kläger als Mieter nur eine Grundversorgung im Empfang von Rundfunk- und Fernsehprogrammen, so dass es nicht darauf ankommt, ob und wann der Kläger von dem mit der Umstellung auf die digital terrestrische Übertragung geschaffenen erweiterten Angebot Gebrauch gemacht hat. …
04.03.2013