Leitsätze:
1. Die Verstärkung der Elektrosteigeleitung im Hause stellt auch dann eine Wertverbesserung dar, wenn das Stromnetz in der Wohnung des Mieters veraltet beziehungsweise marode ist. Der Vermieter muss nicht sofort die Verbesserung, die in der erneuerten Steigeleitung liegt, auch auf das Leitungsnetz in jeder einzelnen Wohnung übertragen. Es ist vielmehr Sache des Vermieters zu entscheiden, wann insoweit weitere Maßnahmen erfolgen.
2. Wird durch die Umstellung von Gasetagenheizung auf Gaszentralheizung erwiesenermaßen eine Energieeinsparung erzielt, kann der Mieter hiergegen nicht einwenden, dass sein individueller Verbrauch tatsächlich viel niedriger sei. Denn maßgebend für die Beurteilung der Energieeinsparung ist zwar einerseits die konkret vorgefundene Gastherme, aber andererseits das Nutzungsverhalten eines durchschnittlichen Mieters. Auf die Besonderheiten im Verbrauchsverhalten gerade des betroffenen Mieters kann es hierbei nicht ankommen.
LG Berlin, Urteil vom 22.11.04 – 67 S 154/03 –
Mitgeteilt von RA André Roesener
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
… Die Kläger haben gegen den Beklagten einen Anspruch auf Duldung der Modernisierung hinsichtlich der Elektrosteigeleitungen und der Gaszentralheizung.
Mit Vertrag vom 21. Februar 1990 mietete der Beklagte von der VEB Kommunalen Wohnungsverwaltung Berlin-Prenzlauer Berg die Wohnung in der Z.-straße,
viertes Obergeschoss, in Berlin. Am 3. Dezember 1992 schloss der Beklagte mit der Rechtsnachfolgerin der ursprünglichen Vermieterin – W. mbH – eine Vereinbarung über die Durchführung der Mietermodernisierung. Bezug genommen wird. Nach Erwerb des Grundstücks traten die Kläger in den Mietvertrag als Vermieter ein. Unter dem 5. Juni 2002 kündigten die Kläger Modernisierungsmaßnahmen in dem Objekt, und zwar Einbau einer Gaszentralheizung, Erneuerung der Elektrosteigeleitungen, Anbau von Balkons und Einbau eines Aufzugs, an.
Die Maßnahmen sind ordnungsgemäß nach § 554 Abs. 3 Satz 1 BGB angezeigt.
Die Frist von drei Monaten vor Beginn der Arbeiten ist eingehalten. Die vom Beklagten zunächst angesprochenen Maßnahmen an der Decke seiner Wohnung sind Instandsetzungsmaßnahmen gewesen.
Die Modernisierungsankündigung beschreibt die Maßnahmen im Übrigen ausreichend. Die Nennung der voraussichtlichen Ausführungszeiten nach Kalenderwochen genügt, da der Mieter ohnehin Schwankungen im Bereich weniger Tage hinnehmen muss. Die Art der Baumaßnahmen ist auch mit dem erstrebten Nutzen für die Mieter beschrieben. Soweit sich Veränderungen im Nutzungsbereich der Wohnung (Standort der Heizungen, Rohre, Leitungen usw.) ergeben, ist ein Lageplan beigefügt. Die Entwicklung der Miete einschließlich der neu zu erwartenden Betriebskosten ist aufgezeigt. Das einfache Bestreiten des Beklagten der angegebenen Betriebskosten greift hiergegen nicht durch, weil der Vermieter in der Ankündigung nur „voraussichtliche“ (§ 554 Abs. 3 Satz 1 BGB) Angaben machen muss. Schätzungen nach Durchschnittsverbräuchen genügen dafür. Mängel der Ankündigung im Übrigen sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist die neue Ankündigung vom 5. Juni 2002 auch von den Klägern als den Vermietern gemeinsam erklärt worden.
Die Modernisierungen sind nicht durch die Vereinbarung vom 3. Dezember 1992 ausgeschlossen.
Die Verstärkung der Elektrosteigeleitungen ist gemäß § 3 Nr. 4 der Vereinbarung als Modernisierung ausdrücklich zugelassen. Eine Modernisierung im Sinne des § 554 Abs. 2 Satz 1 BGB liegt vor. Die Mietsache wird durch die neuen Elektrosteigeleitungen verbessert. Der Beklagte hat insoweit sein Bestreiten des klägerischen Vortrags, dass die zweiadrigen Leitungsstränge mit einem Anschlusswert von 25 A durch dreiadrige mit einem Anschlusswert von 63 A ersetzt werden sollen, nicht mehr aufrechterhalten, sondern seinen Vortrag insoweit völlig umgestellt, indem er zuletzt behauptete, das Netz in seiner Wohnung sei völlig marode. Auf den Zustand in seiner Wohnung kommt es nicht an. Die Kläger müssen nicht sofort die Verbesserung, die in der erneuerten Steigeleitung liegt, auch auf das Leitungsnetz in jeder einzelnen Wohnung übertragen. Es ist vielmehr Sache des Vermieters zu entscheiden, wann insoweit weitere Maßnahmen folgen.
Der Einbau der Gaszentralheizung ist gemäß § 3 Nr. 4 der Vereinbarung zulässig, da eine energiesparende Maßnahme im Sinne des § 554 Abs. 2 Satz 1 BGB vorliegt. Vergleichsmaßstab für die geplante Gaszentralheizung muss hier die Gasetagenheizung des Beklagten sein, da er sie mit Zustimmung der damaligen Vermieterin im Rahmen der Mietermodernisierung in die Wohnung einbrachte. Es widerspräche dem Sinn der Vereinbarung vom 3. Dezember 1992, als Vergleichsmaßstab für die Energieeinsparung gemäß § 3 Nr. 4 die alte Ausstattung mit zwei Öfen heranzuziehen. Gegenüber der vorhandenen Gasetagenheizung lässt sich durch die geplante Gaszentralheizung eine Energieersparnis von 9,2 % erzielen. Die Kammer hat insoweit auf Grund des Beschlusses vom 19. April 2004 Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr.-Ing. E. M. vom 15. Juli 2004, der seine Ausführungen durch weitere Stellungnahmen vom 1. Oktober 2004 und 1. November 2004 sowie in der mündlichen Verhandlung vom 4. November 2004 erläutert hat. Der Sachverständige ist dabei von einer Nennwärmeleitung der Gastherme des Beklagten von 10,7 kW ausgegangen. Diese ergibt sich aus den entsprechenden Herstellerangaben. Den Gesamtwärmebedarf des Hauses setzt der Gutachter mit 95,5 kW an und erläutert dies damit, dass es sich um den Mittelwert aus der bei Zugrundelegung der Gebäudedaten ergebenden Spanne von 88 kW bis 102 kW handelt. Der Jahreswärmebedarf des Hauses liegt bei 125000 kWh. Dies verteilt sich bei einer Gesamtfläche von 1096,44 qm zu 114 kWh/qm, jeweils bezogen auf ein Jahr. Dieser Wert ist entsprechend der zutreffenden Parameter aus der DIN V 4701-10 (Stand Februar 2002) – Tabellen C.1-2a, C.1-2b, C.1-3a, C.3-1, C.3-2b, C.3-2c und C.3-4b – anzupassen, um Wärmegewinne und Wärmeverluste zu berücksichtigen. Die DIN bündelt hierfür entstandene Erfahrungswerte. So entstehen Wärmegewinne durch die Nutzung der Heizenergie auch zur Trinkwassererwärmung und Wärmeverluste durch die Abstrahlung aus den Leitungen beim Transport des erwärmten Wassers zu den Wohnungen und Heizkörpern. Weiter sind die Aufwendungen für Hilfsenergie (z.B. Pumpenleistung) einzurechnen. Die Werte der DIN-Tabellen tragen den verschiedenen Gegebenheiten wie zu heizende Gesamtfläche (hier etwa 1000 qm), Ort der Anbringung der Heizungen (hier Außenwand), Art der Pumpe („geregelt“ bei der Zentralheizung, „ungeregelt“ bei der Gasetagenheizung) und Verlauf der Verteilungsstränge (innenliegend) Rechnung. Danach ergeben sich folgende Werte für die Endenergie:
a) bei der zentralen Heizungsanlage 141,25 kWh/qm x 73,18 qm (Wohnungsgröße des Beklagten) = 10337 kWh und
b) bei der Gasetagenheizung 155,6 kWh/qm x 73,18 qm (Wohnungsgröße des Beklagten) = 11837 kWh.
Bei der zentralen Heizungsanlage errechnet sich eine Ersparnis von 9,2 %. Diese Berechnung weicht von der des selben Gutachters in der vorangegangenen Parallelsache – 6 C 215/02 des AG Mitte – ab, weil damals die DIN V 4701-10 noch nicht in Kraft war. Die Berechnungen basierten damals auf der Annahme bestimmter Personenzahlen bei einer bestimmten Wohnungsgröße. Wegen der sich in den letzten Jahren verändernden Nutzungsgrößen pro Person und der massiven Unterschiede insoweit zwischen den Haushalten stellt die neue DIN V 4701-10 nur noch auf die Wohnungsgröße ab. Indes ergäbe sich unter Zugrundelegung der früheren Berechnungsmethode kaum ein anderer Wert für die Einsparung, nämlich 9,35 % anhand folgender Werte, wenn man entsprechend der VDI-Richtlinie drei Personen als Haushaltsbelegung annimmt:
a) bei der zentralen Heizungsanlage 6300 kWh (Heizung) + 1657 kWh (Warmwasser) = 7957 kWh, bezogen auf ein Jahr, und
b) bei der Gasetagenheizung 7610 kWh (Heizung) + 1168 kWh (Warmwasser) = 8778 kWh, bezogen auf ein Jahr.
Auch die Einsetzung von nur einer Person ergibt eine Einsparung von 13,38 % aus folgenden Werten:
a) bei der zentralen Heizungsanlage 6300 kWh (Heizung) + 750 kWh (Warmwasser) = 7050 kWh, bezogen auf ein Jahr, und
b) bei der Gasetagenheizung 7610 kWh (Heizung) + 529 kWh (Warmwasser) = 8139 kWh, bezogen auf ein Jahr.
Die Einwände des Beklagten gegen diese Berechnungen greifen nicht durch, weil sie auf Methoden basieren, die vom Sachverständigen nicht mehr angewandt werden. Der Sachverständige konnte ferner klarstellen, dass es sich bei dem Einsatzwert von Qtw = 15662 kWh/a in der Berechnung der Trinkwassererwärmung im Gutachten lediglich um einen Schreibfehler handelt. Der korrekte Wert lautet 13662 kWh/a. Die folgenden Werte und Berechnungen bleiben danach unverändert.
Die Kammer folgt dem nachvollziehbaren und widerspruchsfreien Gutachten des Sachverständigen, aus dem sich eine Einsparung von 9,2 % ergibt. Der Sachverständige konnte insbesondere in der mündlichen Verhandlung Fragen des Beklagten zu den Berechnungen vollständig beantworten.
Die Energieeinsparung erfüllt die zuletzt vom Bundesgerichtshof (GE 2004, 620) aufgestellten erleichterten Erfordernisse einer messbaren und dauerhaften Einsparung. Der Beklagte kann gegen eine Energieeinsparung, wie sie der Sachverständige errechnet hat, nicht einwenden, dass sein individueller Verbrauch tatsächlich viel niedriger sei. Der Sachverständige hat verschiedene Möglichkeiten, die bei beiden Systemen im Übrigen weitgehend gleich sind, berücksichtigt. Eine weitere nachträgliche Reduzierung der Werte der Gasetagenheizung auf Grund der Angaben des Beklagten kommt nicht in Betracht, weil maßgebend für die Beurteilung der Energieeinsparung zwar einerseits die konkrete vorgefundene Gasetagenheizung aber andererseits das Nutzungsverhalten eines durchschnittlichen Mieters ist. Dieses spiegelt sich in den
Werten der DIN wieder. Auf die weiteren Besonderheiten im Verbrauchsverhalten gerade des Beklagten kann es nicht ankommen.
In diesem Zusammenhang führt auch die Erkrankung des Beklagten nicht zu einer anderen Beurteilung. Auch in Bezug auf den Gesundheitszustand ist Maßstab der gesetzlichen Beurteilungen des Mietrechts grundsätzlich ein durchschnittlich gesunder Mensch ohne die leider beim Beklagten offenbar vorliegende rheumatische Erkrankung.
Hinsichtlich beider Maßnahmen – Elektrosteigeleitungen und Gaszentralheizung – können eine Härte für den Beklagten gemäß § 554 Abs. 2 Satz 2 BGB und die Herstellung eines üblichen Standards gemäß § 554 Abs. 2 Satz 4 BGB dahinstehen, da die Kläger jeweils auf Mieterhöhungen nach § 559 BGB verzichtet haben.
Zur Durchführung der Maßnahmen hat der Beklagte den Zutritt zu den Mieträumen zu gewähren.
Die Kläger haben keinen Anspruch auf Duldung einer Modernisierung durch Einbau eines Aufzugs und Anbau eines Balkons.
Insoweit sind Modernisierungen auf Grund der Vereinbarung vom 3. Dezember 1992, dort § 3 Nr. 4, nur mit Zustimmung des Beklagten möglich, die er nicht erteilt hat. Über den Wortlaut „in der Wohnung“ hinaus bezieht sich die Vereinbarung auf alle Maßnahmen, die eine Mieterhöhung auslösen könnten. Der Beklagte soll nach dem Sinn der Vereinbarung auf Grund seiner erheblichen Investition in die Gasetagenheizung von jeglichen Mieterhöhungen über die genannten Ausnahmen hinaus geschützt werden. …
01.01.2018