Leitsätze:
1. Die Umstellung der Beheizung und Warmwasserversorgung der Wohnung von einer Gasetagenheizung auf eine Zentralheizung mit Fernwärme stellt keine zu duldende Modernisierung der Mietsache dar.
2. Der Austausch der Kaltwasserleitungen gegen Edelstahlleitungen stellt eine Luxusmodernisierung dar, für die eine Duldungspflicht nicht besteht.
AG Schöneberg, Urteil vom 11.4.07 – 14 C 561/05 –
Mitgeteilt von RA Tobias Scheidacker
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
A. Die Klage ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
I. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagten auf Duldung der Installation von Kaltwasserzählern in Bad und Küche, eines Einhebelmischers und eines Geschirr- und Waschmaschinenanschlusses in der Küche und einer abhörsicheren Gegensprechanlage gemäß § 554 Abs. 2 BGB.
1. Die Klägerin hat die beabsichtigten Modernisierungsmaßnahmen ausreichend angekündigt. Das Schreiben vom 15. August 2005 enthält sowohl eine ausführliche und nachvollziehbare Beschreibung der vorgesehenen Arbeiten als auch eine aufgeschlüsselte Berechnung der auf die einzelnen Maßnahmen entfallenden voraussichtlichen Mieterhöhungsbeträge sowie Angaben zu Dauer und Zeitpunkt der durchzuführenden Arbeiten. Die Beklagten können dem Schreiben entnehmen, an welchen Teilen der Wohnung welche Veränderungen vorgenommen werden sollen, ob und gegebenenfalls welche Veränderungen an der Einrichtung zu erwarten sind und auf welche Mieterhöhung sie sich einstellen müssen.
2. Die unter I. genannten Maßnahmen stellen gemäß § 554 Abs. 2 BGB zu duldende Maßnahmen zur Verbesserung der Mietsache dar.
a) Die Installation von Kaltwasserzählern ist als Wohnwertverbesserung eine Modernisierungsmaßnahme im Sinne von § 554 Abs. 2 BGB. Kaltwasserzähler erhöhen den Gebrauchswert einer Wohnung, da sie zur Einsparung von Wasser beitragen. Die Erfassung des Wasserverbrauchs mit anschließender verbrauchsabhängiger Abrechnung ermöglicht es dem Mieter, Wasser einzusparen. Da nur die Kosten umgelegt werden, die auf den individuellen Verbrauch des Mieters entfallen, wird durch die Installation von Zählern ein Anreiz zum Einsparen von Wasser geschaffen.
b) Auch die Installation eines Einhebelmischers an der Spüle in der Küche stellt eine Wohnwertverbesserung dar. Einhebelmischer erleichtern das Öffnen und Schließen der Wasserzufuhr sowie das Mischen von Kalt- und Warmwasser.
c) Die Installation eines Geschirrspüler- und Waschmaschinenanschlusses in der Küche stellt eine zu duldende Maßnahme dar, die ebenfalls unter dem Begriff Wohnwertverbesserung im Sinne von § 554 Abs. 2 BGB fällt. Die Beklagten haben nicht vorgetragen, dass ein Wasserhahn für den Zufluss mit zwei Anschlüssen sowie Einleitungen für Abwasser in den Traps der Spüle vorhanden seien. Sie haben fachgerecht installierte, getrennte Anschlüsse für beide Maschinen zu dulden.
d) Schließlich verbessert eine abhörsichere Gegensprechanlage den Gebrauchswert der Wohnung, da der Mieter vor dem Öffnen der Tür feststellen kann, wer Zutritt zur Wohnung begehrt.
II. Die Klägerin hat ferner einen Anspruch gegen die Beklagten auf Duldung des Austauschs der Schmutzwasserleitungen gemäß § 554 Abs. 1 BGB. Der Austausch der Schmutzwasserleitungen stellt eine Instandhaltungsmaßnahme dar.
Die Beklagten sind dem Vortrag der Klägerin bezüglich Erneuerungsbedürftigkeit der Schmutzwasserleitungen nicht in prozessual ausreichender Weise entgegengetreten. Die Klägerin hat konkret zu Alter, Material und Zustand der Rohre vorgetragen und im Einzelnen dargelegt, wann und wie oft es zu Reparaturfällen an den Abwasserleitungen gekommen ist. Die Klägerin muss nicht abwarten, bis in größerem Umfang Probleme mit den Abwasserleitungen auftreten.
III. Die Durchführung der Modernisierungsarbeiten stellt keine finanzielle Härte für die Beklagten im Sinne von § 554 Abs. 2 Satz 3 BGB dar. Es tritt eine Erhöhung der Miete lediglich um etwa 30 Euro (der Erhöhungsbetrag fällt wesentlich geringer aus als angegeben, da die Beklagten nur zur Duldung eines geringen Teils der geplanten Maßnahmen verpflichtet sind) auf etwa 417,10 Euro bruttokalt ein. Die Beklagten sind hinsichtlich ihrer Behauptung, über ein monatliches Haushaltseinkommen in Höhe von lediglich … zu verfügen, beweisfällig geblieben.
Der Durchführung der Modernisierungsmaßnahmen stehen auch keine denkmalschutzrechtlichen Vorschriften entgegen; es handelt sich bei den zu duldenden Maßnahmen um geringfügige Veränderungen innerhalb der Wohnung. Die Beklagten haben nicht konkret vorgetragen, welche Vorschriften verletzt sein sollen.
IV. Die Klägerin hat ferner einen Anspruch auf Duldung des Zutritts zur Wohnung der Beklagten an den Werktagen jeweils von 8 Uhr bis 17 Uhr für die Durchführung der genannten Arbeiten gemäß § 554 BGB. Das Rechtschutzbedürfnis folgt bereits daraus, dass es einer Festlegung des zeitlichen Umfangs bedarf. Die Beklagten sind nicht verpflichtet, außerhalb der üblichen Arbeitszeiten die Ausführung von Arbeitern in ihrer Wohnung zu dulden. Ein Umfang von mehr als zwölf Stunden täglich ist nicht zumutbar.
V. Bei den im Urteil ausgesprochenen Verpflichtungen handelt es sich um Duldungen im Sinne von § 890 ZPO. Die Zwangsvollstreckung durch Verhängung von Ordnungsmitteln setzt gemäß § 890 Abs. 2 ZPO eine Androhung voraus. Eine solche kann bei entsprechendem Antrag des Gläubigers bereits im Urteil erfolgen.
VI. Die Klägerin hat indes keinen Anspruch gegen die Beklagten auf Duldung der übrigen Maßnahmen – Installation einer Fernwärmeheizung mit Warmwasserversorgung, Erneuerung des Badezimmers und der Kaltwasserleitungen – gemäß § 554 Abs. 2 BGB.
1. Die Umstellung der Beheizung und Warmwasserversorgung der Wohnung der Beklagten von einer Gasetagenheizung auf eine Zentralheizung mit Fernwärme stellt keine von den Beklagten zu duldende Modernisierung der Mietsache dar.
§ 554 Abs. 2 BGB ermöglicht dem Vermieter einseitig das Recht zum Eingriff in den von beiden Parteien geschlossenen und im Hinblick auf die gegenseitigen Rechte und Pflichten als ausgewogen anzusehenden Mietvertrag. Nicht nur der zu vermietende Eigentümer, sondern auch der Mieter genießt jedoch bezüglich seines Mietrechts den Schutz des Art. 14 GG (vgl. BGHZ 117, 236 ff.; 123, 166 ff.). Die im Rahmen von Modernisierungen liegenden Maßnahmen sind deshalb unter Berücksichtigung des Grundrechtsschutzes beider Vertragsparteien zu prüfen, wie sich aus § 554 Abs. 2 Satz 2 und 3 BGB ergibt.
Die angekündigte Versorgung mit Fernwärme umfasst zwei unterschiedliche Maßnahmen, nämlich auf der einen Seite die Umstellung von der Gasetagenheizung auf eine Zentralheizung, auf der anderen Seite den Wechsel des Energieträgers von Gas auf Fernwärme aus Kraft-Wärme-Kopplung.
Gegenüber einer Zentralheizung bietet eine Gasetagenheizung für den Mieter wesentliche Vorteile. Die Beheizung der Wohnung kann individuell erfolgen. Das bedeutet, dass der Mieter die Heizleistung seinen persönlichen Bedürfnissen anpassen, zum Beispiel bei längerer Abwesenheit oder höherer Kältetoleranz die Heizung stilllegen oder zumindest mit geringer Leistung betreiben als auch bei erhöhtem Wärmebedürfnis unabhängig von Temperaturgrenzen in den Sommermonaten heizen und die Beheizung seinem Tag-Nacht-Rhythmus anpassen kann. Warmes Wasser steht unbegrenzt in der gewünschten Temperatur unabhängig von der gleichzeitigen Inanspruchnahme durch andere Hausbewohner zur Verfügung. Die Belastung mit Heizkosten erfolgt ausschließlich nach dem vom Mieter selbst zu regulierenden Verbrauch.
Bei einer Zentralheizung ist der Mieter sowohl von den Heizzeiten als auch von der gelieferten Heizungstemperatur abhängig, die sich lediglich über die Thermostatventile sowie den Regler in einem geringen Umfang beeinflussen lässt. Zu einem festgelegten Prozentsatz ist der Mieter über die Grundkosten stets an den Heizungskosten beteiligt, unabhängig davon, ob er die Heizung tatsächlich in Anspruch nimmt. Die bei einer Zentralheizung erforderliche Abrechnung verursacht nicht nur zusätzliche Kosten, sondern darüber hinausgehenden Aufwand zumindest bei der Ablesung und der Prüfung der Abrechnung, häufig jedoch auch für Auseinandersetzungen über den Inhalt der Abrechnung.
Diesen bei der Umstellung auf Fernwärmeversorgung unabdingbaren Nachteilen – da die Beheizung mit Fernwärme nur über eine Zentralheizung möglich ist – steht die grundsätzlich vorhandene Einsparung von Primärenergie trotz aller möglichen Fehler und Unklarheiten gegenüber.
Die Nachhaltigkeit des niedrigen Primärenergiefaktors hat die Klägerin nicht dargelegt. Angesichts der Veränderungen auf dem Strommarkt – Vergrößerung der Zahl der Anbieter, die ihren Strom nicht nur aus Berlin beziehen, sowie Sinken der Industrieproduktion mit ihrem hohen Energieverbrauch – wäre ein Absinken der Produktion von elektrischer Energie und damit auch der Herstellung von Wärme aus Kraft-Wärme-Kopplung, zu erwarten.
Der grundsätzlich als Modernisierung anzusehenden Einsparung von Primärenergie stehen die geschilderten Nachteile der Umstellung von einer Gasetagenheizung auf eine Zentralheizung und die Erhöhung der Miete einschließlich der Energiekosten gegenüber. Zu berücksichtigen ist auch, dass eine Einsparung von Primärenergie auch durch den Mieter geringer belastende Maßnahmen erreicht werden kann, nämlich durch die Modernisierung der vorhandenen Gasetagenheizungen entsprechend den Vorgaben für die vorgesehene Fernwärmeversorgung in der Gegenüberstellung des Energieverbrauchs der Gasetagenheizungen auf der einen Seite und der Beheizung mit Fernwärme in dem von der Klägerin eingereichten Gutachten sowie durch Austausch der vorhandenen Gastherme durch eine Brennwertgastherme, die den bei der Verbrennung von Gas entstehenden Wasserdampf für die Beheizung nutzt.
Insgesamt führt die beabsichtigte Umstellung auf Fernwärme aus Kraft-Wärme-Kopplung für die Beklagten zu erheblichen Nachteilen, die durch eine angemessene Einsparung von Kosten im vorliegenden Fall nicht ausgeglichen werden. Auch das öffentliche Interesse an der Einsparung von Primärenergie und Verminderung von Umweltbelastungen, das in dem von der Klägerin angeführten Energieeinsparungsgesetz sowie der in Ausführung des Gesetzes erlassenen Energieeinsparungsverordnung seinen Ausdruck gefunden hat, rechtfertigt den vorgesehenen, einseitig zu Lasten der Beklagten gehenden Eingriff in das durch Art. 14 GG geschützte Mietrecht nicht.
Werden nur die vorhandenen Steigestränge für Schmutzwasser ausgetauscht, ist der Einbau von Installationsschächten nicht erforderlich, so dass ein Duldungsanspruch der Klägerin nicht besteht. Gleiches gilt für die vorgesehenen Warmwasserzähler, die nur für eine zentrale Warmwasserversorgung notwendig sind.
2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Duldung der Verlegung von Fliesen, Austausch der Sanitärobjekte und Erneuerung der Elektrik im Badezimmer gemäß § 554 Abs. 2 BGB. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob die geplanten Maßnahmen eine Verbesserung der Mietsache darstellen. Die Wohnung der Beklagten verfügt über ein modern ausgestattetes Badezimmer, das dem von der Klägerin vorgesehenen in wesentlichen Merkmalen (Einbaubadewanne, WC-Unterputzspülkasten, Bodenfliesen, türhohe Wandfliesen, Einhebelmischer am Handwaschbecken) entspricht.
Jedenfalls steht dem Modernisierungsverlangen der Klägerin insoweit entgegen, dass die Maßnahmen für die Beklagten unter Berücksichtigung der vorausgegangenen Aufwendungen der Beklagten eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist, § 554 Abs. 2 S. 2 und 3 BGB.
Die Beklagten haben im Vertrauen auf die von der damaligen Vermieterin am 16. Januar 1981 erteilte Genehmigung im Jahr 1999 das von ihnen bereits im Jahr 1981 eingebaute Badezimmer auf eigene Kosten umfassend saniert und modernisiert. Zum Zeitpunkt der zweiten Badsanierung durch die Beklagten im Jahr 1999 war das alte Bad bereits 18 Jahre alt. Die Beklagten waren nicht verpflichtet, vor Durchführung der Arbeiten eine weitere Genehmigung der damaligen Vermieterin einzuholen oder die Baumaßnahmen anzuzeigen. Die Genehmigung ist ihnen unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs unbefristet erteilt und nicht widerrufen worden.
Die Beklagten durften gemäß dem Schreiben ihrer damaligen Vermieterin vom 16. Januar 1981 darauf vertrauen, – wenn überhaupt – erst nach ihrem Auszug („Im Falle einer Auflösung des Vertragsverhältnisses“) zum Rückbau verpflichtet zu sein.
Die von den Beklagten im Badezimmer getätigten Aufwendungen sind auch noch nicht „abgewohnt“, da die Sanierung erst vor acht Jahren erfolgte. Vor Ablauf von zehn Jahren muss ein Mieter keine mit einem Mieterhöhungsverlangen verbundene Badmodernisierung durch den Vermieter hinnehmen.
3. Auch die Erneuerung der Kaltwasserleitungen stellt keine seitens der Beklagten zu duldende Modernisierungsmaßnahme dar. Die Kaltwasserleitungen sind zehn Jahre nach ihrer Erneuerung noch nicht verbraucht. Der Austausch gegen Edelstahlleitungen stellt eine Luxusmodernisierung dar, für die eine Duldungspflicht nicht besteht. Die Klägerin hat nicht substantiiert vorgetragen, dass von dem verwendeten Material Schadstoffbelastungen ausgehen. Inwiefern Kupferionen der Gesundheit schaden, die auch nach dem Vortrag der Klägerin nur in Ausnahmefällen auftreten, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
4. Die Klägerin hat demgemäß keinen Anspruch gegen die Beklagten auf Duldung von Maler- und Ausbesserungsarbeiten. Da lediglich in der Küche ein Kaltwasserzähler, Anschlüsse für Geschirrspül- und Waschmaschine und ein Einhebelmischer sowie im Flur eine Gegensprechanlage installiert werden, sind derartige Maßnahmen nicht erforderlich. …
03.01.2018