Leitsätze:
Parkt der Mieter auf dem Parkplatz des Hausgrundstückes nicht innerhalb der dort für das Abstellen der Fahrzeuge aufgezeichneten Linien, sondern quer darüber auf einem schraffierten Bereich, und wird das Mieterfahrzeug deswegen abgeschleppt, kann das Abschleppunternehmen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vom Mieter die Erstattung der Abschleppkosten verlangen.
AG Wedding, Urteil vom 6.12.07 – 17 C 357/07 -,
LG Berlin, Hinweisbeschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO vom 29.2.08 – 50 S 77/07 –
Mitgeteilt von RA Ekkehard von der Aue
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen des Amtsgerichts:
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die zulässige Widerklage hat nur teilweise Erfolg. Im Übrigen wird sie abgewiesen.
1. Der Klägerin steht der mit der Klage geltend gemachte Anspruch aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Ersatz der Umsetzungskosten aus Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 677, 679, 683 Satz 1 BGB. Die Umsetzung des Fahrzeugs entsprach nicht dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen der Beklagten. Ein mutmaßlicher Wille wird im Einzelfall dann angenommen, wenn der Fahrzeugführer verbotswidrig geparkt hat und zu erwarten ist, dass durch das Abschleppen aller Voraussicht nach ein Schaden verhindert wird, der sich höher darstellt als die Abschleppkosten und der Fahrzeugführer zum Ersatz dieser Kosten herangezogen wird. Das ist gerade nicht der Fall. Die Beklagte parkte auf einem Privatparkplatz. Den Fahrzeugführern wird durch die Eigentümerin durch auf der Straße aufgemalte Linien lediglich eine Vorgabe gemacht, wie das Fahrzeug ordnungsgemäß geparkt werden soll. Entspricht das geparkte Fahrzeug nicht den Vorgaben der Eigentümerin, so ist hier nicht ein verkehrswidriges Verhalten des Fahrzeugführers zu sehen.
Eine den wirklichen oder mutmaßlichen Willen ersetzendes öffentliche Interesse zur Erfüllung der Geschäftsführung gemäß § 679 BGB ist nicht gegeben. Insbesondere hat die Klägerin eine entsprechende Gefahren- oder Notsituation nicht dargetan. Das abstrakte Interesse der Gemeinschaft an der Einhaltung der bestehenden Vorschriften reicht für das öffentliche Interesse nicht aus (AG Schöneberg, NJW 1984, 2954).
Ein Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 858 BGB. Zwar ist anerkannt, dass § 858 BGB als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB gilt. Jedoch ist eine gemäß § 858 BGB tatbestandlich geforderte Besitzentziehung oder Besitzstörung nicht gegeben. Wie bereits ausgeführt hat die Eigentümerin lediglich eine Vorgabe gemacht, wie der Fahrzeugführer auf der Straße zu parken hat. Geschieht dies nicht im Rahmen der Vorgaben, so ist damit eine Nichtbeachtung der Verhaltensregeln aber keine Besitzentziehung zu sehen. Vergleichbare Fälle, bei denen eine Besitzstörung angenommen wurde (AG Mainz, R+S 1985, 57; AG Tempelhof-Kreuzberg, GE 1988, 1057), handeln von dem Parken auf einem privaten Parkplatz, so dass der Berechtigte diesen nicht mehr nutzen konnte. So liegt der Fall hier gerade nicht. Die Eigentümerin hat hier Parkflächen zur Verfügung gestellt, die lediglich nicht wie vorgeschrieben beparkt wurden.
2. Die Beklagte hat gegen die Klägerin einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 46,41 Euro gemäß § 280 Abs. 1 BGB. Die Beklagte hat hier einen Anwalt eingeschaltet. Diese vorgerichtliche Tätigkeit zur Abwehr eines unbegründeten Anspruchs ist zu ersetzen.
Ein Anspruch auf Nutzungsersatz in Höhe von 29,00 Euro besteht aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt. Der Anspruch ergibt sich nicht aus §§ 823 Abs. 1, 249 BGB, da zumindest ein Verschulden der Klägerin nicht gegeben ist. Die Klägerin hat das Fahrzeug der Beklagten umgesetzt und anschließend die zuständige Stelle der Berliner Polizei über den Umsetzungsparkplatz informiert. Dass die Beklagte ihr Fahrzeug erst einen Tag später auffand, kann nicht zu Lasten der Klägerin gehen, da die Klägerin alles Erforderliche getan hat, dass die Beklagte ihr Fahrzeug wiederfinden konnte.
3. Die Berufung wird gemäß § 511 Abs. 4 Nr. 1 ZPO zugelassen. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus Bedeutung für die Allgemeinheit hat (BGH NJW 2002, 2957, NJW 2002, 3029). Diese grundsätzliche Bedeutung kann einer Rechtssache zum einen dann zukommen, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die nicht nur entscheidungserheblich, klärungsbedürftig und klärungsfähig ist, sondern darüber hinaus auch in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen auftreten kann (BGH NJW 2002, 3029). Die Einordnung des nicht ordnungsgemäßen Parkens auf privatem Grund war hier streitgegenständlich und wurde als Besitzstörung bzw. Besitzentziehung entgegen des klägerischen Vortrags verneint. Das Abschleppen oder Umsetzen von Autos ist kein Einzelfall und gerade in Stadtgebieten häufig anzutreffen. Eine Vielzahl der Fälle behandelt gerade diese Situation, in der nicht gesetzliche Verbotsschilder für ein verbotswidriges Parken verantwortlich sind, sondern private Beschilderungen oder wie in diesem Fall Vorgaben des Eigentümers, wie geparkt werden soll. Ob in diesem Verhalten eine Besitzstörung bzw. Besitzentziehung oder sogar eine Eigentumsverletzung zu sehen ist, ist eine für eine Vielzahl von Fällen zu entscheidende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung für die Allgemeinheit. …
Aus dem Hinweisschreiben des Landgerichts:
… 1. Ein Anspruch aus eigenem Recht nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 683 S.1 und S.2, 677, 679 BGB) besteht bereits deshalb nicht, weil die Veranlassung des Abschleppens als Geschäftsführung ohne Auftrag nicht dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen der Beklagten als Halterin des abgeschleppten Fahrzeugs entsprochen haben dürfte. Dieses wäre nur dann der Fall gewesen, wenn im Einzelfall durch das Abschleppen aller Voraussicht nach ein Schaden verhindert worden wäre, der höher als die Abschleppkosten gewesen wäre und den Halter oder den Fahrer eine Ersatzpflicht getroffen hätte (vgl. dazu Baldringer/Jordans NZV 2005, 75, 77; AG Frankfurt/Main NJW-RR 1990, 730, 731; AG Berlin-Wedding NJW-RR 1991, 353; Stöber DAR 2006, 486, 487; AG München NJW 1996, 853, 854; Lange in: jurisPK-BGB, 3. Auflage, § 683 Rdnr.41.2). Dieses ist vorliegend nicht dargetan. Allein das streitige Vorbringen, Rettungsfahrzeuge hätten im Notfall nicht mehr um die Kurve fahren können, reicht insoweit nicht aus. Zum einen ist dieses Vorbringen nicht hinreichend substantiiert, denn es ist nicht dargetan, wie viel Platz ein Rettungsfahrzeug braucht, um durch die Kurve fahren zu können. Die auf den eingereichten Fotos (vgl. Bl. 33 d.A.) ersichtlichen örtlichen Verhältnisse erscheinen der Kammer nicht so beengt, als dass der Kurvenbereich durch das Parken auf der schraffierten Fläche so sehr eingeschränkt wurde, dass Rettungsfahrzeuge nicht mehr passieren konnten. Zum anderen ist das Vorbringen nicht unter einen geeigneten Beweis gestellt. Bei einer Ortsbesichtigung nämlich könnte die Kammer mangels eigenen Sachverstands und genauer Kenntnis der Abmessungen der relevanten Rettungsfahrzeuge nicht feststellen, ob es diesen möglich gewesen wäre abzubiegen.
Auch sind keine Gründe vorgetragen, die dazu führen könnten, dass der wirkliche oder mutmaßliche Wille des Beklagten unbeachtlich gewesen sein könnte. Eine Unbeachtlichkeit des wirklichen oder mutmaßlichen Willens ist gemäß § 679 BGB gegeben, wenn die Erfüllung der Beseitigungspflicht gemäß §§ 862, 1004 BGB im öffentlichen Interesse liegt und ohne die Geschäftsführung nicht rechtzeitig erfüllt werden kann. Allein der Umstand, dass die Beklagte auf einer schraffierten und damit nicht zum Parken zugelassenen Fläche geparkt hat, reicht insoweit nicht aus. Auch wenn sie damit entgegen § 12 Abs. 3 Nr. 1 StVO vor bzw. hinter einer Kreuzung oder Einmündung binnen 5 m von den Schnittpunkten der Fahrbahnkanten geparkt haben sollte, und damit gegen bestehende Vorschriften verstoßen haben sollte, reicht das abstrakte Interesse der Gemeinschaft an der Einhaltung der bestehenden Vorschriften für das öffentliche Interesse nicht aus (vgl. Amtsgericht Schöneberg NJW 1984, 2954).
2. Auch ergibt sich ein Ersatzanspruch der Klägerin nicht aus eigenem oder abgetretenem Recht §§ 823 Abs.1 oder Abs.2 BGB i.V.m. § 858 BGB.
Da die Klägerin nicht selber Besitzerin des betreffenden Grundstücks ist, scheiden Ansprüche aus eigenem Recht aus.
Ansprüche aus abgetretenem Recht bestehen auch nicht. Zweifelhaft ist bereits, ob entsprechende Ansprüche abgetreten werden können (vgl. Woitkewitsch MDR 2005, 1023, 1025). Unabhängig davon scheidet der Anspruch jedoch deswegen aus, weil keine Besitzentziehung oder -störung vorliegt. Die Beklagte war als Mieterin berechtigt, auf der Privatstraße zu parken. Dass sie sich beim Parken nicht an die Vorgaben der Grundstückseigentümerin gehalten hat und mit dem Hinterteil ihres Fahrzeugs außerhalb der markierten Fläche geparkt hat, stellt – wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, insoweit wird auf die dortigen Ausführungen verwiesen – keine Besitzentziehung dar. Denn die Vorgaben wurden gemacht, um zu verhindern, dass entgegen öffentlich-rechtlichen Vorschriften (vgl. § 12 Abs. 3 Nr. 1 StVO) geparkt wird. Geschieht dies trotzdem, ist nicht der Besitz des Nutzungsberechtigten beeinträchtigt. Vielmehr sind öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt, wodurch jedoch zumindest vorliegend keine Besitzschutzansprüche begründet werden, weil nicht hinreichend dargelegt ist, dass es dadurch zu tatsächlichen Behinderungen von zum Beispiel Rettungsfahrzeugen u.ä. kam. …
31.12.2016