Leitsatz:
Zur nachvollziehbaren Erläuterung einer Mieterhöhung nach Modernisierung gemäß § 559 b Absatz 1 Satz 2 BGB gehört es, den vorgenommenen Abzug für gleichzeitig erfolgte Instandhaltungen zu berechnen. Die Angabe von Pauschalbeträgen reicht nicht aus.
AG Schöneberg vom 28.7.2010 – 6 C 134/10 –
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Führt der Vermieter Maßnahmen durch, die – wie vorliegend – zum Teil Modernisierung, zum Teil aber Instandsetzung darstellen, so dürfen die durch Instandsetzung verursachten anteiligen Kosten nicht gemäß § 559 BGB umgelegt werden. In diesem Fall muss der Vermieter in der Erhöhungserklärung nachvollziehbar darlegen, welche Kosten er in welcher Höhe von den angegebenen Gesamtkosten vorab als Instandsetzungskosten in Abzug gebracht hat. Fiktive Instandsetzungskosten sind herauszurechnen. Dabei ist darauf abzustellen, welche Kosten angefallen wären, wenn nicht modernisiert, sondern nur instandgesetzt worden wäre.
Im vom Amtsgericht Schöneberg entschiedenen Fall lagen der Mieterhöhung nach Modernisierung unter anderem auch Kosten der Dämmung der obersten Geschossdecke zugrunde. Der Mieter rügte – auf Grundlage eines Sachverständigengutachtens –, dass sich hier Kosten für die instandsetzungsbedürftige Erneuerung der Flachdachabdeckung verbergen würden. Es seien fiktive Instandsetzungskosten von mindestens 77,45 Prozent statt der vom Vermieter lediglich berücksichtigten 30 Prozent anzusetzen.
Das Gericht wies den Anspruch des Vermieters auf die von ihm errechnete Mieterhöhung zurück. Es sei dem Vermieter nicht gelungen darzulegen, dass die Mieterhöhung nur aufgrund der ansatzfähigen Modernisierungskosten erfolgt sei. Denn trotz der detaillierten Einwendungen des Mieters seien die abzuziehenden Instandsetzungskosten nur als Prozentbetrag oder Pauschalbetrag vom Vermieter angegeben worden. Der Vermieter habe trotz des substantiierten Bestreitens des Mieters die Abzugspositionen hinsichtlich des Instandsetzungsanteils der einzelnen Maßnahmen nicht erläutert. Eine formwirksame Mieterhöhungserklärung nach §§ 559 ff. BGB liege damit nicht vor.
Urteilstext
Tatbestand:
Die Beklagten mieteten ab dem 01. November 2006 die im Haus A. S. in B., 1. Obergeschoss rechts, gelegene Wohnung mit einer Wohnfläche von 106,46 Quadratmetern. Wegen der Einzelheiten des Mietvertrages wird auf Bl. 16-36 d.A. verwiesen. Die Klägerin ist die Rechtsnachfolgerin der Vermieterin.
Die Rechtsvorgängerin kündigte mit diversen Schreiben, zuletzt vom 02. Juni 2008 die Durchführung von Modernisierungsarbeiten an (Bl. 96-103 d.A.). Die Beklagten widersprachen unter dem 12. Juni 2008 den angekündigten Maßnahmen. Mit Ausnahme des Austauschs der Nachtstromspeicheröfen wurden die Maßnahmen durchgeführt.
Mit Schreiben vom 19. Dezember 2008 erklärte die Rechtsvorgängerin der Klägerin wegen durchgeführter Modernisierungsmaßnahmen die Erhöhung der Miete um monatlich 188,18 Euro ab dem 1. März 2009 wegen des Einbaus von Außenleuchten mit Bewegungsmeldern, der Dämmung von Fassade, Kellerdecken und obersten Geschossdecken sowie des Einbaus wärmegedämmter Haustüren. Wegen der Einzelheiten der Mieterhöhungserklärung wird auf Bl. 37-41 d.A. Bezug genommen.
Die Beklagten zahlten die erhöhte Miete nicht. Für die Monate März 2009 bis März 2010 macht die Klägerin monatlich 188,18 Euro geltend.
Die Klägerin behauptet, die Kosten aller streitgegenständlichen und ausgeführten Modernisierungsarbeiten seien durch Belege nachgewiesen. Die von ihr berücksichtigten Instandhaltungskosten seien zutreffend berechnet. Wegen der von ihr eingereichten Belege wird auf Bl. 107-189 d.A. verwiesen. Sie meint, es sei unerheblich, dass es sich bei den Belegen teilweise um ihre interne Buchungslisten handele, da sich aus ihnen die angefallenen, von ihr ausgeglichenen und umlagefähigen Kosten ergäben. Der Sachverständigen der Beklagten habe ihr elektronisches Beauftragungs- und Abrechnungsverfahren nicht verstanden. Bis auf wenige Ausnahmen würden Bestellungen und Aufträge sowie Akontoforderungen und Schlussrechnungen papierlos übermittelt. Die Freigabe erfolge elektronisch.
Die Klägerin beantragt, die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an sie 2.446,34 Euro nebst 5 % Jahreszinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Die Beklagten halten die Mieterhöhungserklärung für unwirksam. Ferner tragen sie vor, der Austausch der völlig intakten Briefkastenanlage stelle keine Wohnwertverbesserung dar. Die umlagefähigen Modernisierungskosten würden insgesamt nur 0,62 Euro pro Quadratmeter betragen, da die Kosten für zugleich durchgeführte Instandhaltungsarbeiten unzutreffend berücksichtigt habe. Der Austausch der fast 40 Jahre alten Außenleuchten stelle eine Instandsetzung dar mit der Folge, dass die Kosten für die Leuchten nicht umlagefähig seien, sondern nur die Position „kombinierte Dämmerungsschalter mit Bewegungsmeldern“. Bei den Haustüren sei der Abzug für ersparte Instandsetzung nicht nachvollziehbar. In den Kosten der Dämmung der obersten Geschossdecke würden sich Kosten für die instandsetzungsbedürftige Erneuerung der Flachdachabdeckung verbergen. Hier seien fiktive Instandsetzungskosten von mindestens 77,45 % statt der von der Klägerin lediglich berücksichtigten 30 % anzusetzen. Die Entfernung der asbesthaltigen Fassadenplatten könne nicht mieterhöhend berücksichtigt werden. Bei der Fassadendämmung lägen die fiktiven Instandsetzungskosten bei mindestens 86,67 %. Zur weiteren Begründung nehmen sie Bezug auf das Gutachten des Dipl.-Ing. K. W. vom 30. April 2009 (Bd. I/Bl. 213-250 d.A.).
Die Beklagten berufen sich auf ein Zurückbehaltungsrecht und machen geltend, die Belegeinsicht durch den Sachverständigen W. habe zudem ergeben, dass die Belege überwiegend aus von der Klägerin hergestellten Computerausdrucken mit teilweise massiv gekürzten Leistungsbeschreibungen bestünden und nicht aus geprüften Schlussrechnungen, bei denen Angaben zum Rechnungseingang, zur ordnungsgemäß durchgeführten Bauabnahme mit anschließendem Aufmaß, Prüfvermerke und Zahlungsfreigaben ersichtlich seien. Die Beklagten bestreiten, dass die Klägerin die Rechnungen bezahlt hat.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlage ergänzend Bezug genommen.
Die Klage ist den Beklagten am 15. bzw. 16. April 2010 zugestellt worden.
Die von der Klägerin im Schriftsatz vom 23. Juli 2010 angekündigten Abrechnungsbelege sowie der Schnellhefter waren bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung bei Gericht nicht eingegangen. Der Schriftsatz lag dem Gericht nur als Fax ohne Anlagen vor.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagten aus § 535 Abs. 2 BGB keinen Anspruch auf Zahlung von jeweils 188,18 Euro für die Monate März 2009 bis März 2010.
Durch die Erhöhungserklärung vom 19. Dezember 2008 hat sich die Miete für die von den Beklagten innegehaltene Wohnung nicht um monatlich 188,18 Euro erhöht.
In der Mieterhöhungserklärung muss die Erhöhung aufgrund der entstandenen Kosten berechnet und entsprechend der Vorgaben der § 559 BGB und § 559 a BGB erläutert werden. Der Erhöhungsbetrag muss aufgrund der entstandenen Kosten berechnet und die Anspruchsvoraussetzungen müssen darin verständlich erläutert werden. Aus der Mieterhöhungserklärung muss hervorgehen, welche tatsächlichen Aufwendungen die baulichen Maßnahmen für welche Arbeiten zur Folge hatten (vgl. LG Berlin, GE 1991, 731 = ZMR 1991, 303; LG Berlin, GE 1997, 1579). Die Modernisierungskosten müssen von einer gleichzeitig durchgeführten Instandhaltung getrennt werden (vgl. LG Berlin, GE 1998, 550). Dann hat in der Mieterhöhungserklärung ein fiktiver Ansatz/Abzug der voraussichtlichen Kosten für gleichzeitig durchgeführte Instandsetzungsarbeiten zu erfolgen. Ein wohnungswirtschaftlich nicht vorgebildeter Mieter muss sich aus der Erläuterung ein Bild über die Berechtigung der Mieterhöhung machen können. Ihm muss allein aufgrund der Erhöhungserklärung eine Plausibilitätsprüfung der aufgewendeten Kosten und der Aufteilung der Kosten auf seine Wohnung möglich sein (vgl. LG Berlin GE 1997, 1579; LG Berlin MM 2003, 471).
Führt der Vermieter Maßnahmen durch, die – wie hier – zum Teil Modernisierung, zum Teil aber Instandsetzung darstellen, so dürfen die durch Instandsetzung verursachten anteiligen Kosten nicht gemäß § 559 BGB umgelegt werden (LG Berlin GE 1998, 550; LG Berlin GE 2003, 122). In diesem Fall muss der Vermieter in der Erhöhungserklärung nachvollziehbar darlegen, welche Kosten er in welcher Höhe von den angegebenen Gesamtkosten vorab als Instandsetzungskosten in Abzug gebracht hat (KG GE 2002, 259; KG GE 2006, 714). Die fiktiven Instandsetzungskosten sind herauszurechnen. Dabei ist darauf abzustellen, welche Kosten angefallen wären, wenn nicht modernisiert, sondern nur instand gesetzt worden wäre (LG Berlin GE 1998, 550, 551).
Nachdem die Beklagten die von der Klägerin in Abzug gebrachten fiktiven Instandsetzungskosten substantiiert unter Angabe von Gründen und Maßen durch das Gutachten des Sachverständigen W. bestritten haben, hätte die Klägerin Vergleichsrechnung aufstellen müssen, aus der sich ergibt, welche Kosten entstanden wären, wenn statt der Instandmodernisierung eine bloße Instandsetzung stattgefunden hätte. Dies kann z.B. durch einen Kostenvoranschlag für die jeweiligen Instandsetzungsarbeiten geschehen. Der Vermieter hat vor Beginn der Maßnahmen den Instandsetzungsbedarf festzustellen und die für die Instandsetzung erforderlichen Kosten zu ermitteln (LG Berlin GE 1997, 1469; LG Berlin MM 2003, 471).
Dass die Mieterhöhung nur aufgrund der ansatzfähigen Modernisierungskosten erfolgt ist, ist mithin nicht ausreichend dargelegt. Denn trotz der detaillierten Einwendungen der Beklagten sind die abzuziehenden Instandsetzungskosten nur als Prozentbetrag oder Pauschalbetrag von der Klägerin angegeben. Ein konkrete Berechnung nimmt sie auch im Rechtsstreit nicht vor, obwohl die Beklagten substantiiert dargetan haben, dass die fiktiven Instandsetzungskosten wesentlich höher seien, als die Klägerin angegeben hat. Die Klägerin hat hier auch nicht den Belegen Kostenvoranschläge hinsichtlich der Instandsetzungskosten beigefügt, aus denen sich ein zutreffendes Verhältnis der umlagefähigen Kosten ergeben würden. Vielmehr führen die Beklagten unwidersprochen aus, dass einzelne Positionen den eigentlichen Instandsetzungsbedarf verschleiern und damit notwendige Instandsetzungskosten in die Modernisierungsumlage einfließen lassen. Insoweit wird auf die Darstellung des Gutachtens des Dipl.-Ing. K. W. vom 30.4.2009 Bezug genommen. Die Klägerin hat trotz des substantiierten Bestreitens des Beklagten die Abzugspositionen hinsichtlich des Instandsetzungsanteils der einzelnen Maßnahmen nicht erläutert. Gebietet jedoch wie hier, der Zustand des Gebäudes und die vielfältigen Maßnahmen eine eingehendere Darstellung der abzuziehenden Instandsetzungskosten, genügen die Angaben der Klägerin nicht.
Darüber hinaus steht den Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht zu, denn die von der Klägerin bei der Einsichtnahme vorgelegten Belege sind nicht in vollem Umfang geeignet, die Modernisierungskosten tatsächlich zu belegen. Die Vorlage der Buchungslisten genügt nicht, um dem Mieter die Belegeinsicht zu gewähren. Aus ihnen kann der Mieter bereits nicht entnehmen, ob die in die Buchungslisten eingestellten Beträge auch tatsächlich Bestandteil der Rechnungen sind. Eine Nachprüfung durch einen Vergleich mit den Originalrechnungen ist den Beklagten bzw. den Sachverständigen nicht ermöglicht worden. Nicht einmal die Beschreibung der Leistung ist nicht in allen Fällen vollständig ausgedruckt. Zutreffend weisen die Beklagten auch darauf hin, dass es sich nicht um Schlussrechnungen mit Prüfvermerken enthalten. Prüfvermerke stellen aber den Nachweis für die durchgeführte rechnerische Prüfung und Feststellung der Einzelpositionen (Massen- und Einheitspreise) und des Gesamtergebnisses dar. Aufgrund der fehlenden Prüfvermerke ist für die Mieter nicht einmal ersichtlich, ob die Klägerin die in den Buchungslisten aufgeführten Beträge selbst für gerechtfertigt hält oder, ob sie diese beispielsweise aufgrund anderer Massen oder geringerer Einheitspreise gekürzt hat oder, ob es sich bei den Buchungslisten um schon gekürzte Rechnungen handelt. Dahin stehen kann, ob der Klägerin elektronische Prüfvermerke vorliegen oder nicht, denn dass sie diese den Beklagten zur Verfügung gestellt hat, wird nicht behauptet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Der von der Klägerin im Schriftsatz vom 23. Juli 2010 angekündigte Schnellhefter mit weiteren Belegen konnte nicht zum Gegenstand des Urteils gemacht werden, weil dieser dem Gericht bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht vorgelegen hat. Es ist auch nicht erkennbar und von der Klägerin nicht dargetan, dass sie an einer vorherigen umfassenden Stellungnahme zu dem Schriftsatz der Beklagten vom 30. Juni 2010 schuldlos gehindert war.
02.01.2018