Leitsatz:
Werden Nachtspeicheröfen durch eine Gaszentralheizung ersetzt, hat der Mieter dies als Energieeinsparungsmaßnahme zu dulden.
LG Berlin vom 27.8.2010 – 63 S 171/09 –
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch Einholung des Sachverständigengutachtens war das Landgericht zu der Überzeugung gelangt, dass die vom Vermieter beabsichtigte Maßnahme zu einer Ersparnis an Primärenergie führen werde.
Zwar begründe der Einbau einer Gaszentralheizung keine Wohnwertverbesserung, wenn die betreffenden Räumlichkeiten bereits mit Nachtspeicheröfen ausgestattet seien, weil insoweit eine nachhaltige Erhöhung des Gebrauchswerts oder des Bedienungskomforts nicht zu erkennen sei. Dem Anwendungsbereich des § 554 Absatz 2 Satz 1 BGB unterfielen jedoch auch Maßnahmen zur Einsparung von Energie, wie sie durch den Anschluss der Wohnung an eine Gaszentralheizung bewirkt würden.
Es komme dabei nicht darauf an, ob für die Beheizung der Wohnung tatsächlich weniger Energie verbraucht werde. Es könne auch dahinstehen, ob sich die von dem Mieter zu tragenden Kosten verringern und insbesondere unter Berücksichtigung einer Mieterhöhung wirtschaftlich seien. Denn der Gesetzgeber habe im volkswirtschaftlichen Interesse an einer Modernisierung des Wohnbestandes – auch zum Zwecke der Energieeinsparung – von einer begrenzenden Regelung bewusst abgesehen.
Auch die Einsparung (nur) von Primärenergie mit ihren begrenzten Ressourcen werde nach den umweltpolitischen Interessen des Gesetzgebers im Interesse der Allgemeinheit vom Duldungsanspruch nach § 554 Absatz 2 Satz 1 BGB erfasst. Diese Zielsetzung habe der BGH zuletzt mit Urteil vom 24. September 2005 – VIII ZR 275/07 – noch einmal ausdrücklich hervorgehoben. Der Vermieter solle über § 559 BGB einen finanziellen Anreiz (Mieterhöhung) erhalten, um einen umweltschonenden Umgang mit Energien zu veranlassen. Darüber hinaus solle er im volkswirtschaftlichen Interesse mithelfen, die nicht regenerativen Primärenergieressourcen wie Gas und Öl nachhaltig zu schonen, damit sie für nachfolgende Generationen verfügbar blieben.
Urteilstext
Gründe:
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Im Übrigen wird von der Darstellung des Tatbestandes gemäß § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO in Verbindung mit § 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.
Die Klägerin kann gemäß § 554 Abs. 2 BGB die Duldung des Einbaus einer Gaszentralheizungsanlage im gesamten Anwesen sowie Anschluss daran in der Wohnung der Beklagten anstelle der bisherigen Nachtspeicheröfen verlangen.
Die zuletzt mit Schriftsatz vom 1.10.2009 von der Klägerin abgegebene Modernisierungsankündigung hält den formellen Anforderungen des § 554 Abs. 3 BGB stand.
Der Schriftsatz enthält detaillierte Angaben dazu, welche Baumaßnahmen im einzelnen durchgeführt werden sollen, insbesondere welche Art von Heizungsanlage eingebaut wird, welche Heizkörper wo installiert bzw. entfernt und Rohre und Leitungen verlegt werden. Weiter wird der konkrete Zeitplan mit Beginn und voraussichtlicher Dauer der Arbeiten mitgeteilt ebenso wie die voraussichtlichen Heizkosten und die durch die Maßnahme zu erwartende Modernisierungserhöhung.
Soweit die Modernisierungsankündigung vom 1.10.2009 formell wirksam ist, kommt es für die Begründetheit der Klage und damit der Berufung in der Hauptsache nicht mehr darauf an, dass die vorangegangenen Ankündigungen mit Schreiben vom 20.12.2007 und vom 2.6.2008 aus den zutreffenden Gründen der angegriffenen Entscheidung formell unwirksam war. Dies hat – wie am Ende der Entscheidungsgründe aufzuzeigen sein wird – nur noch Einfluss auf die Kosten.
Die Klägerin hat Anspruch auf Duldung der Maßnahme, weil dadurch Primärenergie eingespart werden kann. Zwar begründet der Einbau einer Gaszentralheizung keine Wohnwertverbesserung, wenn die betreffenden Räumlichkeiten bereits mit Nachtspeicheröfen ausgestattet sind, weil insoweit eine nachhaltige Erhöhung des Gebrauchswerts oder des Bedienungskomforts nicht zu erkennen ist.
Dem Anwendungsbereich des § 554 Abs. 2 Satz 1 BGB unterfallen jedoch auch Maßnahmen zur Einsparung von Energie, wie sie durch den Anschluss der streitgegenständlichen Wohnung an eine Gaszentralheizung bewirkt werden.
Es kommt nicht darauf an, ob für die Beheizung der Wohnung tatsächlich weniger Energie verbraucht wird. Es kann auch dahinstehen, ob sich die von dem Beklagten zu tragenden Kosten verringern und insbesondere unter Berücksichtigung einer Mieterhöhung wirtschaftlich sind. Denn der Gesetzgeber hat im volkswirtschaftlichen Interesse an einer Modernisierung des Wohnbestandes – auch zum Zwecke der Energieeinsparung – von einer begrenzenden Regelung bewusst abgesehen. In der Begründung des Gesetzentwurfs zum Mietrechtsreformgesetz vom 19. Juni 2001 ist unter Hinweis auf volkswirtschaftliche und umweltpolitische Interessen ausgeführt, dass ein Anreiz zur Durchführung von Wohnungsmodernisierungen weiterhin erforderlich sei (BT-Drucks. 14/4553 S. 37, 58). Im Verfahren vor dem Bundesrat nahmen die Ausschüsse ausdrücklich auf die Grenze von 200 %, die sich in der damaligen Rechtsprechung bei Energiesparmaßnahmen herausgebildet hatte, Bezug und empfahlen, eine Aufnahme des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit zu prüfen (BR-Drucks. 439/2/00 S. 24). Diese Empfehlung fand keinen Eingang in das Gesetz (BGH Urteil vom 3. März 2004 – VIII ZR 149/03, GE 2004, 620).
Auch die Einsparung (nur) von Primärenergie mit ihren begrenzten Ressourcen wird nach den umweltpolitischen Interessen des Gesetzgebers im Interesse der Allgemeinheit vom Duldungsanspruch nach § 554 Abs. 2 Satz 1 BGB erfasst. Diese Zielsetzung hat der BGH im Rahmen der zu § 559 BGB ergangenen Grundsatzentscheidung (BGH Urteil vom 3. März 2004, a. a. O. und BGH Urteil vom 24.9.2005 – VIII ZR 275/07 = GE 2008, 1485) noch einmal ausdrücklich hervorgehoben. § 559 BGB , der Folgen der Duldungspflicht aus § 554 BGB regelt, soll für den Vermieter ein Anreiz sein zu modernisieren, um Energie zu sparen. Der Vermieter soll über § 559 BGB einen finanziellen Anreiz (Mieterhöhung) erhalten, um einen umweltschonenden Umgang mit Energien zu veranlassen. Darüber hinaus soll er im volkswirtschaftlichen Interesse mithelfen, die nicht regenerativen Primärenergieressourcen wie Gas und Öl nachhaltig zu schonen, damit sie für nachfolgende Generationen verfügbar bleiben (Dr. Wilcken, NZM 2006, 521 ff.; Börstinghaus, in Schmidt-Futterer, MietR, 8. Aufl.2003, § 559 Rn 11).
Dass eine Primäreinsparung genügt, um den Begriff „Einsparung von Energie“ i.S. der §§ 559, 554 BGB auszufüllen, wird auch durch eine historische Auslegung gestützt. Nachdem in der früheren Regelung in § 541 b BGB a.F. nur die Einsparung von Heizenergie eine Modernisierung darstellte, ist in § 554 Abs. 2 Satz 1 BGB n.F. die Duldungspflicht erweitert worden auf Maßnahmen zur Einsparung aller Arten von Energie (BT-Drucks. 14/4553). Der Gesetzgeber war sich bewusst, dass bei einer solchen Art von Wärmeversorgung vergleichsweise wenig Primärenergieressourcen wie Erdöl und Erdgas angegriffen werden (Dr. Wilcken, a. a. O.). Dass die Einsparung von Primärenergie ein Ziel des Gesetzgebers ist, lässt sich auch anderen gesetzlichen Regelungen entnehmen, wie etwa der früheren Regelung in § 4 Abs. 3 Nr. 3 ModEnG und in § 3 EnEV in Verbindung mit Anh. 1 Nr. 2.1.1, die zur Berechnung des Primärenergiebedarfs auch unmittelbar auf den Primärenergiefaktor in der bereits oben erwähnten DIN V 4701-10:2001-02 Bezug nimmt. Die vorliegende Auslegung ist vor allem auch im Hinblick auf die Wertung in Art. 20 a GG geboten. Ob sich die Einsparung der Primärenergie im gleichen Maße in einer tatsächlichen Einsparung von Heizenergie niederschlägt, kann dahinstehen.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch Einholung des Sachverständigengutachtens des xxx vom 12.4.2010 ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass die von der Klägerin beabsichtigte Maßnahme zu einer Ersparnis an Primärenergie führen wird. Diese Ersparnis an Primärenergie ist darauf zurückzuführen, dass die Gaszentralheizung ganz überwiegend mit Erdgas betrieben wird, wofür sich nach der DIN V 4701-10 ein durchschnittlicher Primärenergiefaktor von 1,1 ergibt, während der Primärenergiefaktor für die mit Strom betriebenen Nachtspeicheröfen deutlich ungünstiger bei 2,7 liegt. Der gesamte Aufwand an Primärenergie zur Beheizung der Wohnung durch Nachtspeicheröfen beträgt nach dem Sachverständigengutachten 239 kWh/qm jährlich. Dagegen bedarf es nur eines Aufwandes von 105 kWh/qm jährlich bei der Versorgung mit einem Erdgas-Brennwertkessel. Damit wird eine Einsparung von 56 % an Primärenergie erreicht. Das Argument der Beklagten, es könne nicht auf die Energiemenge abgestellt werden, ohne die Art der Erzeugung zu berücksichtigen greift nicht durch, denn die durchschnittliche Einsparung nach der og. DIN-Norm begründet eine Duldungspflicht. Ob sich im Rahmen zukünftiger, nicht im Einzelnen vorauszusehender Entwicklungen möglicherweise eine andere Beurteilung ergibt, kann dahinstehen. Maßgeblich für die Entscheidung über die Duldungspflicht ist der derzeitige Erkenntnisstand.
Das Vorbringen der Beklagten vermag das Ergebnis des Sachverständigengutachtens nicht zu erschüttern.
Die Beklagten beanstanden, dass der Sachverständige unzutreffend davon ausgegangen sei, dass auch die Warmwasserbereitung auf Erdgas umgestellt werde, was tatsächlich nicht der Fall ist . Das ergibt sich aus S. 7 des Gutachtens, wo die Endenergie durch Strom mit 88,5 kWh/qma inklusive Warmwasserbereitung beziffert wird und auch die Nutzenergie nach Sanierung auf S. 6 wird aus Heizenergie und Warmwasserbereitungsenergie berechnet.
Dies führt jedoch nicht zu einer anderen Bewertung, weil sich die zu erzielende Einsparung an Primärenergie durch die Beheizung mit der Gaszentralheizung anstatt der Nachtspeicheröfen jedenfalls proportional nicht verändert. Aus den Berechnungen des Sachverständigen ergibt sich, dass jeweils dieselbe Menge an Nutzenergie verbraucht wird. Die Einsparung von Primärenergie wird im Rahmen der Umstellung der Beheizungsart wie aufgezeigt dadurch erreicht, dass der Verbrauch von Gas nur mit dem Faktor 1,1 statt bei Strom mit 2,7 zu bewerten ist. Soweit nunmehr der anteilig auf die Warmwasserbereitung entfallende Energieverbrauch herausgenommen würde, bleibt für die entsprechend gekürzten Energiemengen für die Heizung weiterhin die Berechnung mit den unterschiedlichen Faktoren bestehen. Da die Nutzenergie für Heizung und Warmwasser vor und nach der Sanierung gleich ist, verändern sich die Mengen an Nutzenergie nur für Wasser bzw. nur für Heizung proportional auch nicht.
Der Bedarf an Hilfsenergie nach der Sanierung beträgt nur 2,73 kWh/qma und davor Null und fällt nicht ins Gewicht.
Die weiteren Argumente der Beklagten greifen auch nicht:
Die Berücksichtigung von Terrassen- und Balkonflächen bei der gesamten Nutzfläche des Hauses hat keinen entscheidenden Einfluss auf die Werte zum Energiebedarf haben, der pro Quadratmeter – bei entsprechend reduzierter Fläche – höher wäre aber proportional zwischen den Wert vor und nach Sanierung keinen Unterschied ausmachen dürfte.
Ohne Erfolg beanstanden die Beklagten ferner, dass der Sachverständige nicht berücksichtigen habe, dass der Gasheizkessel nicht im Hause der Beklagten Nr. 124B installiert werde, sondern im Nachbarhaus Nr. 124, weswegen es zusätzlich zu Verlusten bei Energietransport komme. Indes ergibt sich aus dem Gutachten nicht, dass der Sachverständige entgegen dem Akteninhalt von falschen Voraussetzungen ausgegangen sei; vielmehr ergibt sich aus den Ausführungen S. 4 und 5 des Gutachtens, dass der Sachverständige Leitungsverluste berücksichtigt hat, diese aber für geringfügig hält.
Soweit die Beklagten meinen, ihnen seien die Werte für Nutzenergie von 75,140 kWh/qma und 82,7 kWh/qma nicht plausibel, ergibt sich aus dem Gutachten, dass die 82,7 kWh/qma sich auf die Nutzenergie für das gesamte Haus mit einer Nutzfläche von 909 qm beziehen.
Dem in der mündlichen Verhandlung vom 10.8.2010 vorgebrachten Argument der Beklagten, die vom Sachverständigen zugrunde gelegte Nutzfläche von 909 qm sei nicht nachvollziehbar, ist nicht zu folgen. Diese Nutzfläche ergibt sich als Gesamtnutzfläche des Hauses Nr. 124B sowohl aus dem von der Klägerin erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 29.10.2008 eingereichten Energiesparausweis, als auch aus dem mit Schriftsatz der Klägerin vom 21.4.2009 eingereichten Auswertung der Energieeinsparung des Ingenieurbüros xxx. Daher bedarf es zum Verständnis des Sachverständigengutachtens weiterhin keiner Anhörung des Sachverständigen.
Soweit die Beklagten die mündliche Anhörung des Sachverständige noch am 10.8.2010 beantragt haben, war dem nicht stattzugeben, weil der Antrag verspätet war. Grundsätzlich steht einer Partei das Recht zu, Fragen an den Sachverständigen zu stellen, §§ 402, 397 ZPO. Diese sind aber gemäß § 411 Abs. 4 ZPO in angemessener Zeit mitzuteilen. Nachdem das Gutachten den Beklagten bereits am 13.4. 2010 mit Gelegenheit zur Stellungnahme übersandt worden war, ist der Antrag auf mündliche Anhörung des Sachverständigen erstmals im Termin zur mündlichen Verhandlung verspätet, §§ 282, 296 Abs. 1, 2 ZPO, denn die Beklagten hätten diesen Antrag bereits so rechtzeitig stellen können, dass eine Ladung des Sachverständigen zum Termin möglich gewesen wäre. Nach der mündlichen Verhandlung würde die Ladung des Sachverständigen zu einer Verzögerung des Rechtsstreits führen.
Eine nicht zu rechtfertigende Härte ist für die Beklagte mit der Maßnahme nicht verbunden.
Sie führen ohne Erfolg an, die 70-jährigen Beklagten hätten angesichts ihres hohen Alters und der Behinderung des Beklagten zu 1 von 60% ein erhöhtes Wärmebedürfnis auch im Sommer, dem nur eine individuell steuerbare Nachstromspeicherheizung gerecht werde. Dies stellt sich nicht als so erheblich dar, dass ihnen die Maßnahme aus diesem Grund nicht zuzumuten ist.
Zur Kostenentscheidung muss sich auswirken, dass die zur Zeit der Entscheidung in erster Instanz streitgegenständliche Modernisierungsankündigung formal unzureichend war. Daher hat die Klägerin die Kosten der Berufung nach § 97 Abs. 2 ZPO zu tragen, obwohl sie obsiegt, weil sie nur aufgrund ihrer neuen Modernisierungsankündigung im Rahmen der Berufung Erfolg hat, § 97 Abs. 2 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
04.06.2018