Leitsätze:
1. Der Berliner Mieterverein e.V. ist als Kläger nach dem Unterlassungsklagengesetz (UKlaG) prozessführungsbefugt.
2. Bei den Vorschriften des Wohnungsvermittlungsgesetzes handelt es sich um verbraucherschützende Normen im Sinne des § 2 Abs.1 UKlaG.
3. Das Verlangen, die Bekanntgabe von Wohnungsadressen an den Mietinteressenten von einem Abonnementpreis in Höhe von 185,- Euro abhängig zu machen, verstößt gegen §§ 2 Abs. 1, Abs. 4 und 3 Abs. 3 WoVermG und führt zur Verurteilung nach § 2 UKlaG, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von 10000 Euro im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, den Nachweis von zur Vermietung angebotenen Wohnungen von einer im Voraus zu entrichtenden Geldleistung, die von einem etwaigen Mietvertragsabschluss unabhängig ist, abhängig zu machen.
LG Berlin, Urteil vom 4.6.03 – 26 O 168/03 –
[nicht rechtskräftig]
Mitgeteilt von RAen Christoph Müller & Ernst Warner
Urteilstext
Aus dem Tatbestand:
Der Kläger ist ein in die Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 UKlaG aufgenommener Verein, dessen satzungsgemäßer Zweck darin besteht, die Interessen der Mieter in der Wohnungs- und Mietenpolitik durchzusetzen und die Mieter „vor Benachteiligungen in Mietrecht und Mietvertrag“ zu schützen“.
Die Beklagte tritt zusammen mit der P… GmbH unter der Bezeichnung „H… Info“ auf dem Berliner Wohnungsmarkt auf und schaltet wöchentlich in verschiedenen Berliner Tageszeitungen Kleinanzeigen für anzumietende Wohnungen. In den Annoncen wird als einzige Kontaktmöglichkeit entweder die Telefonnummer der Beklagten oder diejenige der P… GmbH angegeben. Wenn ein Interessent sich sodann bei der Beklagten telefonisch meldet, wird der in deren Büro bestellt. Entweder noch am Telefon (so der Vortrag des Beklagten) oder erst in den Büroräumen (so der Vortrag des Klägers) wird dem Wohnungsinteressenten dann eröffnet, dass die Benennung der Wohnung erst erfolgt, wenn er ein Abonnement bei der Beklagten erwirbt, das 185,- Euro kostet und nicht vor Ablauf eines Jahres gekündigt werden kann. Für den Fall des Abschlusses des Abonnementvertrages wird dem Interessenten außerdem zugesagt, ihm regelmäßig auf seine Anforderung hin seinem Mieterprofil entsprechende Einzelangebote aus der bei der Beklagten geführten Datensammlung zu übermitteln.
Der Kläger ist der Ansicht, die dargestellten Geschäftspraktiken der Beklagten stellten einen Verstoß gegen §§ 2 Abs. 1, Abs. 4 und 3 Abs. 3, Abs. 4 WoVermG dar. Dieser ergebe sich bereits daraus, dass die Beklagte den Kontakt zum Vermieter der annoncierten Wohnung von dem Abschluss des gebührenpflichtigen Abonnements abhängig mache.
Der Kläger behauptet außerdem, dass die Beklagte ihre Daten ohne Zustimmung der betroffenen Vermieter anbiete.
Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von 10.000,- Euro im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, den Nachweis von zur Vermietung angebotenen Wohnungen von einer im Voraus zu entrichtenden Geldleistung, die von einem etwaigen Mietvertragsabschluss unabhängig ist, abhängig zu machen, hilfsweise zu unterlassen, die Bekanntgabe der Kontaktmöglichkeit zum Verfügungsberechtigten der zur Vermietung angebotenen Wohnung von einer im Voraus zu entrichtenden Geldleistung, die von einem etwaigen Mietvertragsabschluss unabhängig ist, abhängig zu machen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, der Kläger sei nicht aktivlegitimiert. Dessen satzungsgemäßer Zweck sei vorliegend nicht betroffen, da es nur um den Transport von Anzeigen im Rahmen von Abonnementverträgen gehe.
Die Beklagte behauptet, der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liege nicht in der Veröffentlichung von Anzeigen, sondern im Aufbau und der Aktualisierung der Datenbank sowie der Abwicklung des Abonnementdienstes. Der Anrufer, der aus der Zeitungsannonce ohnehin noch keine konkrete Vorstellung von der angebotenen Wohnung habe, werde noch vor Vertragsabschluss über das Abonnementsystem der Beklagten ausreichend informiert. Insbesondere werde ihm mitgeteilt, dass die Beklagte nicht bestimmte Wohnungen anbiete, sondern die auf dem Markt befindlichen Angebote nach einem bestimmten System ihren Abonnenten auf Anforderung weiterleite.
Die Beklagte vertritt die Ansicht, sie übe keine Maklertätigkeit aus, da sie sich auf die Zusendung von Mietangeboten beschränke, die von der Eigentümerseite freigegeben worden seien und die sie daraufhin in ihrer Datenbank gespeichert habe. Der Kunde abonniere also nur einen entsprechenden Zugriff auf diese Informationsquelle, während die Beklagte, anders als ein Nachweis- oder Vermittlungsmakler, den Kontakt zwischen Wohnungssuchendem und Wohnungsanbieter nicht herstelle.
Zudem lasse sich das WoVermG verfassungskonform nicht im Sinne des klägerischen Antrages auslegen. Der Gesetzgeber habe die Freiheit der Berufsausübung durch das WoVermG nur für die besondere Form des Maklervertrages beschränkt, hingegen brauche der Verbraucher nicht vor einem bloßen, der Sache nach nur einem gut aufgemachten Immobilienteil einer Tageszeitung vergleichbaren Informationsdienst der hier in Rede stehenden Art geschützt werden. …
Aus den Entscheidungsgründen:
I. Die Klage ist zulässig.
Insbesondere ist der Kläger prozessführungsbefugt, da er in die beim Bundesverwaltungsamt geführte Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 UKlaG aufgenommen wurde und damit gemäß § 3 UKlaG berechtigt ist, den in § 2 UKlaG bezeichneten Unterlassungsanspruch geltend zu machen.
Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt es nicht darauf an, ob darüber hinaus die Geltendmachung des konkreten Unterlassungsanspruchs durch die Satzung des Klägers gedeckt ist. Andernfalls würde der mit der Einführung des § 4 UKlaG verfolgte Zweck, die Beurteilung der Prozessführungsbefugnis (und Aktivlegitimation) zu vereinfachen, unterlaufen. Das erkennende Gericht müsste dann in jedem Einzelfall überprüfen, ob das konkret verfolgte Unterlassungsbegehren von der Satzung der klagenden Vereinigung erfasst wird, was insbesondere dann, wenn eine Vereinigung mit Sitz innerhalb der EU, aber außerhalb des Landes des jeweils angerufenen Gerichts klagt, eine offenkundig nicht beabsichtigte Erschwerung der Prozessführungsbefugnis zur Folge hätte.
Im Übrigen wäre vorliegend der vom Kläger geltend gemachte Unterlassungsanspruch auch von der Satzung gedeckt. Nach § 2 dieser Satzung gehört es zu den Aufgaben des Klägers, die Interessen der Mieter vor Benachteiligungen in Mietrecht und Mietvertrag zu schützen. Dem Bereich der Wohnungs- und Mietenpolitik ist aber auch die Vermittlung von Wohnungen zuzurechnen, insbesondere stellen im Zusammenhang mit der Wohnungsvermittlung ggf. zu Unrecht erhobene Zahlungsansprüche eine Benachteiligung der zu schützenden Mieter dar.
II. Die Klage ist auch begründet.
Dem Kläger steht der mit dem Hauptantrag geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß § 2 Abs. 1 UKlaG zu, da die Beklagte mit ihrem Verlangen, die Bekanntgabe von Wohnungsadressen an den Mietinteressenten von einem Abonnementpreis in Höhe von 185,- Euro abhängig zu machen, gegen die verbraucherschützenden Vorschriften der §§ 2 Abs. 1, Abs. 4 und 3 Abs. 3 WoVermG verstößt.
Der Kläger ist als in die Liste der qualifizierten Einrichtungen aufgenommener Verein gemäß den §§ 4, 3 UKlaG zur Verfolgung des Unterlassungsanspruchs aktivlegitimiert. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen unter Ziff. I Bezug genommen.
Nach § 2 Abs. 1 UKlaG kann derjenige, der dem Schutz der Verbraucher dienenden Vorschriften zuwiderhandelt, auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Bei den zitierten Vorschriften des WVermG handelt es sich um verbraucherschützende Normen. Gemäß § 2 Abs. 1 steht dem Wohnungsvermittler ein Entgeltanspruch für die Vermittlung oder den Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss von Mietverträgen nur zu, wenn infolge seiner Vermittlung bzw. seines Nachweises der Mietvertrag zu Stande kommt. § 2 Abs. 4 WoVermG regelt, dass Vorschüsse nicht gefordert werden dürfen. Nach § 3 Abs. 3 WoVermG schließlich ist dem Wohnungsvermittler auch untersagt, neben der Provision für etwaige Nebenleistungen eine Vergütung zu verlangen. Alle diese Vorschriften dienen dazu, den Wohnungssuchenden vor (nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers) ungerechtfertigten wirtschaftlichen Belastungen zu bewahren, also den Verbraucher zu schützen.
Die Beklagte verstößt gegen die genannten Normen, indem sie von den Wohnungssuchenden von einem späteren Mietvertragsabschluss unabhängige Zahlungen im Rahmen des von ihr betriebenen Abonnementdienstes verlangt. Da sie maklertypische Leistungen anbiete, ist sie jedoch an das WoVermG gebunden.
Die Leistung eines Nachweismaklers im Sinne von § 652 Abs. 1 S. 1 BGB besteht in der Weitergabe einer Mitteilung an seinen Auftraggeber, durch welche der Wohnungsinteressent in die Lage versetzt wird, in konkrete Verhandlungen über den von ihm angestrebten Hauptvertrag einzutreten (vgl. BGH NJW-RR 1996, 113; MüKomm, 3. Aufl., § 652 Rn. 89). Dies geschieht in der Regel in der Form, dass Namen und Anschrift des Grundstückseigentümers oder eines Verfügungsberechtigten bekannt gegeben werden (vgl. BGH a.a.O.).
Die Beklagte erbringt demnach die Tätigkeit eines Nachweismaklers. Unstreitig übermittelt sie den Mietinteressenten nach einem ihr von diesen vorgegebenen Profil passende Wohnungsangebote. In dem von der Beklagten vorgelegten Abonnementvertrag selbst wird ausdrücklich festgelegt, dass sie „computergestützte Ausgaben spezifischer Mietangebote“ erbringt, „die dem Abonnenten für den von ihm gewünschten Wohnungstyp zur Verfügung stehen“. Darüber hinaus verpflichtet sich die Beklagte in dem Vertrag, dem Abonnenten Zugang zu allen Mietangeboten des gewünschten Wohnungstyps zu geben. Nach dem den Abonnementverträgen beiliegenden Leitfaden geschieht dies auf entsprechende Abfrage des Abonnenten telefonisch oder per Fax. Demgemäß erhält der Abonnent also eine oder mehrere Mitteilungen der Beklagten. Durch diese wird der Abonnent jeweils bestimmungsgemäß in die Lage versetzt, mit dem jeweiligen Vermieter Kontakt aufzunehmen und in konkrete Verhandlungen über einen ggf. abzuschließenden Mietvertrag einzutreten, so dass die Tätigkeit der Beklagten als die eines Nachweismaklers zu bewerten ist.
Weitere, über den Nachweis im oben beschriebenen Sinne hinausgehende Leistungen hat ein Nachweismakler, anders als der Vermittlungsmakler, nicht zu erbringen. Deshalb ist es auch unerheblich, dass die Beklagte, worauf sie auch in Ziffer 4 der Vertragsbedingungen hinweist, nicht in die späteren Verhandlungen zwischen dem Mietinteressenten und dem Vermieter eingreift.
Die weiteren von der Beklagten vorgetragenen Gesichtspunkte geben ebenfalls keinen Anlass zu einer anderen rechtlichen Bewertung ihrer Tätigkeit.
Ziffer 5 der Vertragsbedingungen, wonach die Beklagte, wie sie auch vorträgt, lediglich die ihr vom Vermieter übermittelten Angaben weiterleite, steht einer Einordnung der Leistungen der Beklagten als Nachweismaklertätigkeit nicht entgegen. Vielmehr ist eine Klausel des hier vorliegenden Inhalts, dass für die Richtigkeit der ungeprüften, vom Verfügungsberechtigten übernommenen Daten keine Verantwortung übernommen werde, gerade auch in Maklerverträgen durchaus gebräuchlich.
Ob ein Schwerpunkt der Tätigkeit der Beklagten im Aufbau und der Aktualisierung der Datenbank besteht, kann dahingestellt bleiben. Dies stünde jedenfalls zu einer Maklertätigkeit nicht in Widerspruch. Auch ein Makler muss seine Daten ständig aktualisieren, wenn er erfolgreich am Markt bestehen will. Unerheblich ist also, dass die Mietinteressenten bei ihrem ersten Anruf bei der Beklagten ggf. noch kein konkretes Wissen bezüglich der inserierten Wohnung haben. Vielmehr ist es gerade auch für den Interessenten, der sich auf eine Zeitungsanzeige bei einem inserierenden Makler meldet, typisch, dass ihm Einzelheiten über die angebotene Wohnung noch nicht bekannt sind.
Für die rechtliche Einordnung der Tätigkeit der Beklagten kommt es schließlich nicht darauf an, wann, wie und in welcher Ausführlichkeit sie selbst ihre Leistungen gegenüber den Mietinteressenten beschreibt. Nicht von Bedeutung ist insbesondere, ob die Beklagte den Interessenten erläutert, keine bestimmten Wohnungen anzubieten, sondern die auf dem Markt befindlichen Angebote nach einem bestimmten System an ihre Abonnenten auf jeweilige Anforderung weiterzuleiten. Auf diese Weise kann sie sich nicht von der Tatsache freizeichnen, dass sie den Abonnenten zur Anmietung einer Wohnung erforderliche Daten mitteilt und damit maklertypische Leistungen erbringt.
Die Tätigkeit der Beklagten beschränkt sich auch nicht auf einen dem gut aufgemachten Immobilienteil einer Tageszeitung vergleichbaren Informationsdienst. In einer Tageszeitung oder einem Anzeigenblatt werden Wohnungsanzeigen wahllos und neben anderen Informationen auf Gebieten außerhalb des Wohnungsmarktes angeboten. Die Beklagte nimmt hingegen für sich in Anspruch, diese Daten nach dem ihr jeweils vom Abonnenten vorgegebenen Mieterprofil zu bearbeiten und an den Abonnenten, einschließlich der zur Herstellung des Kontaktes mit dem Verfügungsberechtigten erforderlichen Daten, die den Tageszeitungen oft gerade nicht vorliegen, entsprechend weiterzuleiten.
Soweit die Beklagte also argumentiert, der Kunde abonniere nur einen entsprechenden Zugriff auf die bei ihr geführte Informationsquelle, trifft dies nicht zu. Die Beklagte übersieht dabei, dass auch der Makler nicht selbst Wohnungen zur Vermietung, sondern lediglich nur zum Vertragsabschluss geeignete Informationen über mietbare Wohnungen anbietet.
Verfassungsrechtliche Bedenken, insbesondere im Hinblick auf Art. 12 GG, gegen die hier vorgenommene Einordnung der Tätigkeit der Beklagten unter die Vorschriften des WoVermG bestehen nicht. Da die Beklagte eine maklertypische Leistung (unter Benutzung elektronischer Hilfsmittel) erbringt, ist der Verbraucher ihr gegenüber ebenso schutzbedürftig wie gegenüber einem typischen Nachweismakler. Wenn ein Mietinteressent den Abonnementvertrag mit der Beklagten unterzeichnet, dann deshalb, weil er sich den baldigen Abschluss eines Mietvertrages erhofft. Bleibt die Nachweistätigkeit der Beklagten während der Dauer des Abonnements aber erfolglos, war das für das Abonnement aufgewandte Entgelt für den Wohnungssuchenden sinnlos, was das WoVermG mit seinem Verbot einer erfolgsunabhängigen Provision gerade verhindern will.
§ 3 Abs. 3 WoVermG gestattet dem Makler zwar, sich bei entsprechender Vereinbarung im Falle des Nichtzustandekommens eines Mietvertrages die in Erfüllung des Auftrages nachweisbar entstandenen Auslagen erstatten zu lassen. Die Beklagte verlangt die Abonnementgebühr vorliegend aber gerade nicht als Gegenleistung für einen anteiligen wirtschaftlichen Aufwand, zumal das Entgelt auch nicht von der Zahl der Einzelinformationen abhängig ist, sondern für eine beliebige Vielzahl abzurufender Informationen gefordert wird. …
15.03.2013