Leitsätze:
1. Ein Balkon mit einer Tiefe von lediglich 85 Zentimetern ist „nicht nutzbar“ im Sinne der Spanneneinordnung zum Berliner Mietspiegel 2003.
2. Der Vermieter ist darlegungs- und beweispflichtig für die Behauptungen, das Badezimmer sei bereits vermieterseitig mit einem Handwaschbecken und einer verblendeten Badewanne, die Küche mit einer Kochmöglichkeit ausgestattet gewesen. Zwar haben die Mieter im Prozess das Fehlen dieser Merkmale als wohnwertmindernd darzulegen, es handelt sich allerdings um negative Tatsachen, nach deren Behauptung den Vermieter eine sekundäre Darlegungs- und Beweislast trifft.
AG Köpenick, Urteil vom 8.6.05 – 7 C 77/05 –
Mitgeteilt von RA Matthias Tüxen
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
I. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Zustimmung zur Erhöhung der Nettokaltmiete für die in ihrem Antrag bezeichneten Wohnung gegen die Beklagten gemäß § 558 Abs. 1 Satz 1 BGB zu.
1. Die ortsübliche Vergleichsmiete übersteigt die derzeit vereinbarte Miete von 307,96 Euro nicht. Die Wohnung ist auf Grund der unstreitigen Merkmale in das Mietspiegelfeld „H 7“ mit einem Mittelwert von 4,09 Euro/Quadratmeter und einem unteren Spannenwert von 3,48 Euro/Quadratmeter einzuordnen. Die aktuelle Nettokaltmiete entspricht 3,76 Euro/Quadratmeter.
a) Die Merkmalgruppen 1 und 2 sind ohne Beweisaufnahme als negativ zu bewerten. Die Klägerin ist darlegungs- und beweispflichtig für die Behauptungen, das Badezimmer sei bereits vermieterseitig mit einem Handwaschbecken und einer verblendeten Badewanne, die Küche mit einer Kochmöglichkeit ausgestattet gewesen. Zwar haben die Beklagten im Prozess diese Merkmale als wohnwertmindernd darzulegen, es handelt sich allerdings um negative Tatsachen, nach deren Behauptung die Klägerin eine sekundäre Darlegungs- und Beweislast (vgl. Zöller-Greger, 25. Auflage, Vor § 284, ZPO Rz. 34 m.w.N.) trifft. Der von der Klägerin angebotene Beweis für die ursprüngliche Ausstattung der Wohnung ist indes nicht zu erheben, weil er offensichtlich ungeeignet ist. Die Bezugnahme auf die Wahrnehmung der Wohnungsausstattung bei der Übergabe ist nicht geeignet, weil sie sich nicht auf den Zeitpunkt der Übergabe der Wohnung bezieht, als die W.-GmbH Vermieterin war, für die eine Tätigkeit der jetzigen Hausverwaltung jedoch nicht behauptet wird.
b) Die Merkmalgruppe 3 (Wohnung) ist ebenfalls als überwiegend negativ zu bewerten.
(1) Unstreitig liegen als negatives Merkmal die Verlegung der Elektroleitungen überwiegend auf Putz und als positives Merkmal die Ausstattung mit Schallschutzfenstern vor.
(2) Als weiteres negatives Merkmal ist die fehlende Nutzbarkeit des vorhandenen Balkons zu berücksichtigen. Die Klägerin ist der Behauptung, der Balkon habe eine Tiefe von lediglich 85 cm, nicht substantiiert entgegengetreten und hat sie damit als richtig zugestanden, § 138 Abs. 3 ZPO; das Bestreiten der Tiefe des Balkons durch die Klägerin, die sich der Vermieterstellung berühmt, ist gemäß § 138 Abs. 4 ZPO unzulässig. Damit ist es kaum möglich, einen auch zum Essen geeigneten Tisch zu stellen, denn dessen Breite unterschreitet in der Regel 80 bis 90 cm nicht. Selbst bei Stellen eines besonders schmalen Tisches und einem standardisierten Balkonzugang mit einer Breite von einer Zimmertür ist die Nutzungsmöglichkeit in erheblichster Weise reduziert, denn für den Zugang zu beiden Tischseiten müsste sich eine Person an dem Tisch vorbeibewegen können; das ist nahezu ausgeschlossen. Ein normaler Balkonstuhl mit Lehnen hat eine Breite von ca. 60 bis 65 cm. Schon hieran kann sich eine Person nur vorbeibewegen, wenn der Stuhl vollbündig an die Wand gerückt ist und die Person sich ausschließlich seitwärts bewegt. An eine Nutzung mit mehr als zwei Personen ist überhaupt nicht zu denken. Die Funktion eines Balkons ist allerdings der nicht völlig bewegungseingeschränkte Aufenthalt der in dem Haushalt lebenden Personen. Bei einer Wohnfläche von 81,95 Qudratmeter sind das mindestens zwei Personen.
(3) Das Bestehen des wohnwerterhöhenden Merkmals der guten Belichtung und Besonnung ist nicht hinreichend substantiiert dargelegt, so dass eine Beweisaufnahme hierüber ausforschend wäre und deshalb unterbleibt. Die Klägerin hat lediglich das Fehlen verschattender Bäume sowie die Ausrichtung der für Wohnzwecke bestimmten Räume mitgeteilt. Für die Frage der guten Belichtung und vor allen Dingen der Besonnung ist jedoch gerade bei den Wohnräumen eine Ausrichtung nach Westen bevorzugt, um nachmittags und abends in den Genuss des Sonnenscheins zu gelangen. Eine morgendliche Besonnung des Wohnzimmers wird hingegen regelmäßig nicht als erheblicher Vorteil angesehen. Damit kann das wohnwerterhöhende Merkmal nur bei Vorliegen weitergehender Umstände angenommen werden, etwa dem Vorhandensein besonders großer Fenster und/oder dem Fehlen einer Bebauung auf der gegenüberliegenden Seite, entweder auf der anderen Straßen- oder rückwärtigen Seite. Da die Wohnung im 1. Geschoss eines regelmäßig fünf Stockwerke nicht unterschreitenden Plattenbaus liegt, ist das Fehlen der bezeichneten Bebauung von besonderer Bedeutung, da der Lichteinfall in den unteren Stockwerken in erheblichem Maß von dem Bestehen höherer Bebauung in der Umgebung abhängt; diese ist indes bei verdichteter Bauweise mit Plattenbauten in der Regel gegeben. Zu der hier maßgeblichen Bebauungssituation hat die Klägerin nicht weiter vorgetragen, so dass erst eine Inaugenscheinnahme evtl. das Vorhandensein günstiger Umstände mit der Folge einer guten Belichtung und Besonnung erweisen könnte.
c) Unter Berücksichtigung der unstreitig positiven Merkmalgruppe 4 und der gleichfalls unstreitig negativen Merkmalgruppe 5 ergibt sich bei strikter Anwendung der Orientierungshilfe zum Mietspiegel ein Abschlag von Mittelwert zum unteren Spannenwert von 60 %, woraus sich rechnerisch eine Vergleichsmiete von 3,68 Euro/Quadratmeter darstellt. Die Vielzahl der für die Merkmalgruppe 4 bezeichnen wohnwerterhöhenden Eigenschaften einerseits sowie der Umstand anderseits, dass die negative Einordnung der Merkmalgruppen 1 bis 3 lediglich auf dem Überwiegen jeweils eines Merkmals beruht, geben keinen Anlass zu einer Korrektur in einem entscheidungserheblichen Ausmaß. Die derzeit vereinbarte Miete übersteigt die ermittelte Vergleichsmiete um 8 Cent/Quadratmeter, was etwa 2/3 der Wertigkeit einer Merkmalsgruppe entspricht. Da zudem die negative Bewertung der Merkmalgruppe von den Parteien ohne konkrete Angabe der wohnwertmindernden Merkmale unstreitig gestellt wurde, ist kein hinreichender Anknüpfungspunkt dafür ersichtlich, dass die Vergleichsmiete bei angemessener und nicht ausschließlich an der Orientierungshilfe in 20 %-Sprüngen zwischen dem Mittelwert und den äußeren Spannenwerten Würdigung der wohnwertmindernden und -erhöhenden Eigenschaften um mehr als die oben 2/3 nach oben zu korrigieren ist.
2. Wegen der Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete ist nicht entscheidungserheblich, ob die Klägerin überhaupt gemäß § 566 Abs. 1 BGB Vermieterin geworden ist; hierzu hat die Klägerin allerdings nicht ausdrücklich vorgetragen. Bereits dieser Umstand trägt indes die Klageabweisung, denn das Gericht hat wegen der Bezeichnung der W.-GmbH als Vermieterin in dem Mietvertrag mit der Auflage vom 14. März 2005 fruchtlos um ergänzenden Vortrag zur Aktivlegitimation gebeten; ein weiterer Hinweis gemäß § 139 Abs. 2 ZPO ist nicht veranlasst gewesen. Es ist ferner nicht entscheidungserheblich, ob die Beklagte zu 1. Partei des Mietvertrages ist. …
28.02.2013