Leitsätze:
1. Die Verpflichtung zur Rückgabe der Wohnung in einwandfreiem Zustand ist nicht gleichzusetzen mit der Verpflichtung zur Endrenovierung. Bei der gegebenen Formulierung können Einwendungen gegen den Zustand der Wohnung auch dann nicht erhoben werden, wenn der Mieter während der Mietzeit regelmäßig der Renovierungspflicht nachgekommen ist und zum Ende der Mietzeit Schönheitsreparaturen unter Berücksichtigung des Zustandes und der üblichen Renovierungsfristen noch nicht wieder fällig sind.
2. Ein Kostenvoranschlag zur Feststellung der für die fälligen Schönheitsreparaturen voraussichtlichen Kosten kann auch dann Verwendung finden, wenn er ohne Besichtigung der Wohnung anhand der geschätzten Maße einer parallel gelegenen Wohnung erstellt wurde.
3. Der Mieter hat gegen den Kostenvorschuss des Vermieters wegen unterlassener laufender Schönheitsreparaturen ein Zurückbehaltungsrecht, wenn ihm Mängelbeseitigungsansprüche gegen den Vermieter zustehen.
4. Es ist ohne die Zustimmung des Mieters nicht gerechtfertigt, Absperreinrichtungen in einer Nachbarwohnung unterzubringen, auf die der Mieter keinen Zugriff hat und den Mieter damit der Willkür des Nachbarn auszusetzen, die Wasserversorgung abzusperren.
5. Ein Anspruch auf Entfernung eines Abmahnschreibens aus der Mieterakte besteht nicht. Eine Entfernung des Abmahnschreibens aus der Mieterakte würde nicht aus der Welt schaffen können, dass die Abmahnung erfolgt ist.
AG Charlottenburg, Urteil vom 23.9.05 – 206 C 133/05 –
Mitgeteilt von RA Achim Reich
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage und die Widerklage sind in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichem Umfang begründet, im Übrigen nicht.
Der Anspruch auf Zahlung eines Renovierungskostenvorschusses ist begründet. Dem Vermieter steht auch im laufenden Mietverhältnis der Anspruch auf Durchführung geschuldeter Schönheitsreparaturen zu. Weil der Beklagte der Aufforderung nicht nachgekommen ist, ist der Kläger berechtigt, einen Kostenvorschuss zu fordern und die notwendigen Arbeiten durchführen zu lassen (vgl. BGH-Urteil vom 6. April 2005 VIII ZR 192/04).
Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die vertragliche Vereinbarung zu den Schönheitsreparaturen nicht unwirksam. Dem Beklagten ist nicht ausdrücklich eine Anfangsrenovierung auferlegt worden. Die Vereinbarung, dass der Mieter die Wohnung in dem bestehenden Zustand bei nicht ausgeführten Schönheitsreparaturen übernimmt, ist nicht gleich zu setzen mit der Übernahme einer Anfangsrenovierung. Denn hier ist nicht festgelegt worden, dass die Schönheitsreparaturen zu Beginn des Mietverhältnisses ausgeführt werden mussten. Der Zeitpunkt ist dem Mieter überlassen worden.
Die Formulierung besagt nichts anderes, als die Übernahme der Schönheitsreparaturen während der Dauer des Mietverhältnisses bei anfänglich nicht renovierter Wohnung. Diese Vereinbarung ist in der Rechtsprechung immer als zulässig angesehen worden. Dem schließt sich das Gericht an.
Dem Beklagten ist auch nicht in unzulässiger Weise eine Endrenovierung übertragen worden. Die Verpflichtung zur Rückgabe der Wohnung in einwandfreiem Zustand ist nicht gleich zu setzen mit der Verpflichtung zur Endrenovierung. Bei der gegebenen Formulierung können Einwendungen gegen den Zustand der Wohnung auch dann nicht erhoben werden, wenn der Beklagte während der Mietzeit regelmäßig der Renovierungspflicht nachgekommen ist und zum Ende der Mietzeit Schönheitsreparaturen unter Berücksichtigung des Zustandes und der üblichen Renovierungsfristen noch nicht wieder fällig sind.
Hier sind die Schönheitsreparaturen fällig, weil nach dem Ergebnis der Augenscheinseinnahme und dem unwiderlegten Vortrag des Klägers sowie der Erklärungen des Untermieter des Beklagten bei der Augenscheinseinnahme feststeht, dass seit längerer Zeit als den üblichen Renovierungsfristen in der Wohnung keine Schönheitsreparaturen mehr ausgeführt worden sind. Decken, Tapeten an den Wänden, Türen und Fenster sowie Fußböden sind offensichtlich seit vielen Jahren nicht malermäßig überarbeitet worden. Alle Teile sind völlig vergraut und bedürfen einer Renovierung.
Zur Höhe des geforderten Vorschusses hat der Kläger einen Kostenanschlag vorgelegt. Wenn dieser auch ohne Besichtigung der Wohnung erstellt worden ist anhand der geschätzten Maße einer anderen parallel gelegenen Wohnung, so erscheint der angesetzte Betrag nicht überhöht. Zu berücksichtigen ist auch, dass es sich nur um einen Kostenvorschuss handelt, über den nach Abschluss der Arbeiten abzurechnen ist. Zudem werden vermutlich bei der Durchführung der Arbeiten erhebliche Mehrkosten für das Freimachen der jeweils zu bearbeitenden Räume anfallen, da die Wohnung völlig vollgestellt ist und das Gericht Zweifel hat, dass der Beklagte in der Lage sein wird, selbst für das Freimachen der Räume zum Zwecke der Ausführung von Schönheitsreparaturen zu sorgen.
Dem Beklagten steht jedoch ein Zurückbehaltungsrecht an dem Kostenvorschuss wegen anderer ihm gegenüber dem Kläger zustehender Ansprüche zu, deren Erfüllung der Kläger bisher verweigert hat. So besteht zum einen der Anspruch auf Entfernung der Absperrmöglichkeit für Warmwasser und Kaltwasser aus der Nachbarwohnung. Der Kläger hat zwar dargelegt, dass eine Absperrmöglichkeit für beide Wohnungen zusammen geschaffen worden ist. Es ist aber nicht einsichtig und nicht hinreichend vorgetragen, dass dieser Zustand nicht wieder dahin geändert werden kann, dass das Wasser wieder ohne bestehende Absperrmöglichkeit in die Wohnung des Beklagten geleitet wird. Es mag zwar wünschenswert sein, dass für jede Wohnung eigene Absperrventile eingebaut werden. Diese hätten aber für die Wohnung des Beklagten in dessen Wohnung installiert werden müssen. Im Falle der Verweigerung des Zutritts hätte der Anspruch gegebenenfalls gerichtlich durchgesetzt werden müssen. Es ist jedenfalls ohne die Zustimmung des Mieters nicht gerechtfertigt, Absperreinrichtungen in einer Nachbarwohnung unterzubringen, auf die der Mieter keinen Zugriff hat und den Mieter damit der Willkür des Nachbarn auszusetzen, die Wasserversorgung abzusperren. Sicherlich wird der Nachbar des Beklagten kein Interesse daran haben, sich selbst das Wasser abzusperren. Im vorliegenden Fall besteht jedoch zwischen den Nachbarn offenbar ein feindseliges Verhältnis. In diesem Fall kann es anders sein. Hier kann, wie es wohl auch einmal geschehen ist, für die Zeit der Abwesenheit des Nachbarn die Versorgung der Wohnung des Beklagten abgesperrt werden. Diesen Zustand hinzunehmen ist der Beklagte nicht verpflichtet.
Der Rückbau ist auch in jedem Fall erforderlich. Auch wenn in der Wohnung des Beklagten neue Absperrhähne gesondert installiert werden, so ist in der Nachbarwohnung die Absperrmöglichkeit zu ändern, weil anderenfalls weiterhin die Wasserzufuhr von der Nachbarwohnung aus abgesperrt werden könnte.
Weiterhin besteht ein Anspruch des Beklagten auf Verschließen des Loches in der Wand zur Nachbarwohnung (§ 535 Abs. 1 BGB). Wenn auch der Nachbar des Beklagten die Wand beschädigt hat, so hat der Beklagte doch den vertraglichen Beseitigungsanspruch nur gegen den Kläger. Auch wegen dieses Anspruchs, den der Kläger trotz Aufforderung nicht erfüllt hat, steht dem Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht an dem von ihm geschuldeten Kostenvorschuss zu.
Eine Verpflichtung zum Einbau einer Wärmedämmung ist indessen nicht geschuldet. Eine solche ist nicht hinreichend dargelegt. Auch wenn die Wohnung mehrere Außenwände hat, so entspricht der Zustand dem vertragsgemäßen Zustand seit Anmietung der Wohnung im Jahre 1967. Eine Veränderung des Zustandes vorzunehmen, ist der Kläger nicht verpflichtet. Der Beklagte hat auch nicht substantiiert dargelegt, dass die Räume der Wohnung nicht ausreichend erwärmt werden können.
Eine Verpflichtung zur Herausgabe des seitens der Hausverwaltung an den sozialpsychiatrischen Dienst des Bezirksamts gerichteten Schreibens besteht nicht. Ausweislich des Vortrages des Beklagten auf Seite 13 des Schriftsatzes vom 21. April 2005 ist der Inhalt des Schreibens von der Sachbearbeiterin des sozialpsychiatrischen Dienstes L. dem Beklagten mitgeteilt worden (Verdacht der Verwahrlosung der Wohnung). Der Inhalt ist dem Beklagten damit bekannt.
Die Widerklage ist zum Teil begründet.
Ein Anspruch auf Entfernung des Abmahnschreibens vom 27. April 2005 aus der Mieterakte besteht nicht. Die Abmahnung enthält den Vorwurf eines vertragswidrigen Verhaltens des Untermieters des Beklagten. Ob der von anderen Mietern erhobene Vorwurf zutrifft ist offenbar streitig. Der Kläger hat klargestellt, dass der Vorwurf auf der Mitteilung anderer Mieter beruht. Der Beklagte hat dazu eine Gegendarstellung abgegeben, mit welcher er dem Vorwurf entgegengetreten ist. In dem Fall, dass der Kläger die Abmahnung später etwa für eine Kündigung verwenden wollte, hätte er die Vorwürfe zu beweisen. Ein Nachteil entsteht dem Beklagten nicht. Eine Entfernung des Abmahnschreibens aus der Mieterakte würde nicht aus der Welt schaffen können, dass die Abmahnung erfolgt ist.
Die weitergehenden mit der Widerklage geltend gemachten Ansprüche sind begründet. Auf die oben gemachten Ausführungen im Rahmen der Prüfung des Zurückbehaltungsrechtes wird Bezug genommen. …
15.05.2017