Leitsatz:
Für Wohnungen in den von der KündigungsschutzklauselVO vom 20. Juli 2004 geschützten Gebieten galt vor dem 1. September 2004 die zehnjährige Kündigungsschutzfrist nach der SozialklauselVO.
AG Schöneberg, Urteil vom 20.4.06 – 9 C 322/05 –
Mitgeteilt von RA Daniel Friedrichs
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
„Der Beklagte ist nicht verpflichtet, die gemieteten Räume an den Kläger herauszugeben, da die Kündigung vom 31.8.2004 (und ebenso die zweite Kündigung vom 3.9.2004) den Mietvertrag mit dem Kläger nicht beendet hat. Die Kündigungserklärung fällt in die gemäß § 577 a Abs. 2 BGB bis zum 1.2.2011 geltende Sperrfrist und ist damit unwirksam.
Es kann zunächst unterstellt werden, dass die Kündigung des in der mündlichen Verhandlung am 1.12.2005 vorgelegten Übergabeprotokolls dem Beklagten am 31.8.2004 zuging, ein späterer Zugang oder eine spätere Kündigung wären unwirksam nach §1 der KündigungsschutzklauselVO vom 20.7.2004, da die Wohnung im Bezirk Tempelhof-Schöneberg liegt und der Kläger erstmalig am 12.1.2001 als Eigentümer der Wohnung im Grundbuch eingetragen wurde. …
Nach der Regelung des Art. 229 § 3 Abs. 6 EGBGB sind die am 31.8.2001 geltenden Regelungen über Beschränkungen der Kündigungsrechte des Vermieters wegen Eigenbedarfs bis zum 31.8.2004 weiter anzuwenden. Am 31.8.2001 galt für Berlin die aufgrund des Sozialklauselgesetzes vom 22.4.1993 erlassene Rechtsverordnung vom 11.5.1993 (so z.B. Schach in GE 02, 1379). Diese Verordnung ist verfassungsgemäß (LG Berlin GE 02, 1431), sie sieht eine zehnjährige Sperrfrist vor. Diese Frist ist bis zum 31.8.2004 weiterhin zu beachten (Schmidt-Futterer, Mietrecht, § 577 a RN 27).
Zwar ist es richtig, dass das Oberverwaltungsgericht Berlin mit Urteil vom 13.6.2002 (GE 02, 1128) die ZweckentfremdungsVO wegen einer seit August 2002 eingetretenen Entspannung auf dem Berliner Wohnungsmarkt nicht mehr in Kraft sah.
Das Oberverwaltungsgericht hat aber in diesem Urteil zur Rechtslage nach Eintritt der Entspannung auf dem Wohnungsmarkt festgestellt, dass der Handlungsspielraum des Verordnungsgebers auch noch nach dem Zeitpunkt, zu dem sich eine Entspannung am Wohnungsmarkt bemerkbar gemacht habe, die Befugnis umfasste, auf diese Entspannung mit einer Aufrechterhaltung des Verbots der Verordnung zu reagieren.
Dies hat der Verordnungsgeber tatsächlich mit der Kündigungsschutzklauselverordnung für den Bezirk Tempelhof-Schöneberg getan. Er hat im § 1 der Verordnung festgestellt, dass im Bezirk Tempelhof-Schöneberg die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet sei und im § 2 die Frist des § 577 a Abs. 1 BGB auf sieben Jahre festgesetzt.
Demnach gab es aber in der Zeit von der Geltung des Sozialklauselgesetzes 1993 bis zum Inkrafttreten der Kündigungsschutzklauselverordnung vom 20.7.2004 keinen Zeitraum, in dem die Sperrfrist des § 577 a Abs. 1 BGB nur drei Jahre betragen hätte, der Verordnungsgeber ist vielmehr konstant weiter von einer nicht ausreichenden Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen im Bezirk Tempelhof-Schöneberg ausgegangen, eine Mangellage, die vor dem 31.8.2004 und nach dem 1.9.2004 bestand. Zu einer Regelsperrfrist von drei Jahren ist der Verordnungsgeber im genannten Gebiet nie zurückgekehrt, so dass die Eigenbedarfskündigungen vom 31.8.2004 und 3.9. 2004 unwirksam sind. …“
29.03.2022