Leitsatz:
Das Zugriffsrecht des Vermieters auf das als Sicherheit verpfändete Sparbuch ohne Sperrvermerk ist zumindestens im laufenden Mietverhältnis auf unbestrittene oder rechtskräftig festgestellte Forderungen beschränkt.
AG Charlottenburg, Urteil vom 20.12.06 – 207 C 1012/06 –
Mitgeteilt von RAin Heike Schroelkamp
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
… Bei der Verpfändung zahlt der Mieter einen bestimmten Betrag auf ein Sparbuch ein, das auf seinen Namen ausgestellt ist. Sodann wird das Recht auf die Sparforderung verpfändet, §§ 1273, 1274, 1205, 398, 145, 147 BGB und die Verpfändung dem Kreditinstitut angezeigt. Wenn – wie hier – die Verpfändung auf erstes Anfordern erfolgt, das heißt kein Sperrvermerk in das Sparbuch eingetragen wird, benötigt der Vermieter nicht die Zustimmung des Mieters zur Verfügung über die Sparforderung.
… Bei dem Pfandrecht handelt es sich wie bei der Bürgschaft um ein akzessorisches Sicherungsrecht. Dem Pfandschuldner muss es daher wie dem Bürgen möglich sein, Einwendungen gegen die zu sichernde Hauptforderung zu erheben.
… Eine Kautionsvereinbarung ist regelmäßig dahingehend auszulegen, dass sich der Vermieter während des laufenden Mietverhältnisses zur Befriedigung mietvertraglicher Forderungen nur dann aus der Kaution bedienen darf, wenn die Forderung rechtskräftig festgestellt, unstreitig oder offensichtlich begründet ist (vgl. LG Mannheim WuM 1996, 269 f., Kraemer, NZM 2001, 737, 741 und Palandt, BGB, 66. Aufl., vor § 535 Rdn. 123; entgegen LG Berlin, GE 2003, 1161 und Blank in Schmidt-Futterer, MietR, 8. Aufl., § 551 Rdn. 16). Aus dem treuhänderischen Charakter und dem Sicherungszweck der Kaution folgt, dass der Vermieter aktiv wird und den Zugriff auf die Kaution rechtfertigt. Zudem erscheint es unter dem Gesichtspunkt des Mieterschutzes nicht gerechtfertigt, dem Mieter das Insolvenzrisiko des Vermieters im Falle des unberechtigten Zugriffs aufzuerlegen oder den Mieter auf einen Rückforderungsprozess zu verweisen.
In diesem Zusammenhang ist darüber hinaus das Wesen der Verpfändung zu berücksichtigen. Gemäß § 1282 BGB ist der Pfandgläubiger zur Einziehung der Forderung nur berechtigt, wenn Pfandreife gemäß § 1228 Abs. 2 BGB eingetreten ist, wenn die gesicherte Forderung ganz oder zum Teil fällig ist. Der Pfandgläubiger muss im Prozess nicht nur das Bestehen des Pfandrechts, sondern auch die Pfandreife beweisen. Hier vereinbarten die Mietparteien zwar ein Pfandrecht auf erstes Anfordern, mit der Folge, dass die C.-Bank das Guthaben auch ohne Nachweis auszuzahlen hat. Daraus folgt aber nicht, dass die Einziehungsbefugnis des Vermieters nicht von der Pfandreife abhängen soll.
Vielmehr darf er auch hier lediglich bei Vorliegen der Pfandreife einziehen. Deshalb wurde die C.-Bank verpflichtet, die Auszahlung des Guthabens an die Verfügungsbeklagte anzukündigen. Das eröffnet dem Mieter oder der Verfügungsklägerin die Möglichkeit, einem unzulässigen Zugriff auf die Mietkaution mittels Unterlassungsverfügung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu begegnen (vgl. hierzu LG Darmstadt, ZMR 2005, 193; LG Wuppertal, NZM 2004, 298; LG Mannheim, WuM 1996, 269 und Kluth/Grün, NZM 2002, 1015 m.w.N.). Überdies ist zu berücksichtigen, dass in der Praxis regelmäßig ein Sparbuch mit Sperrvermerk verpfändet wird, was zur Folge hat, dass der Vermieter im Fall des beabsichtigten Zugriffs der Zustimmung des Mieters bedarf und im Falle der Verweigerung auf Abgabe der Zustimmung klagen muss. Bei dem hier vereinbarten Pfandrecht auf erstes Anfordern bedarf der Vermieter dieser Zustimmung allerdings nicht, er kann ohne Mitwirkung des Mieters auf das Sparbuch zugreifen. Diese Zugriffsmöglichkeit ist deshalb unter dem Gesichtspunkt des Mieterschutzes einzuschränken auf unstreitige oder rechtskräftig festgestellte Forderungen. Gerade im Falle des Zugriffs auf die Mietkaution im laufenden Mietverhältnis ist der Mieter nämlich grundsätzlich zum Auffüllen der Kaution verpflichtet.Der Vermieter darf daher in derartigen Fällen die Kaution nur dann einziehen, wenn er berechtigte Gegenforderungen hat. Wenn Ansprüche streitig sind, muss er das Bestehen der Forderung auf dem Rechtsweg klären lassen. Hierfür ist das einstweilige Verfügungsverfahren nicht geeignet. …
09.05.2017