Leitsatz:
Der Vermieter kann ohne vorherige Abmahnung fristlos kündigen, wenn der Mieter die Wohnung gewerbsmäßig als Ferienwohnung vermietet.
AG Mitte vom 13.7.2009 – 20 C 66/09 –
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Der Vermieter war im Internet darauf gestoßen, dass die Wohnung des Mieters von diesem zur Vermietung an Touristen angeboten wurde. Daraufhin kündigte er das Mietverhältnis fristlos. Das Amtsgericht gab der Räumungsklage statt.
Mit der gewerbsmäßigen Untervermietung als Ferienwohnung werde nicht nur der Vertragszweck an sich ausgehöhlt, sondern die Vermieterseite sei auch dadurch erheblich beeinträchtigt, dass sich diese Art der Wohnungsnutzung mittels Vermietung an wechselnde Touristen auf die übrigen Mieter des Hauses typischerweise negativ auswirke.
Auch bedurfte es zur Wirksamkeit der vorprozessualen Kündigung keiner Abmahnung im Sinne des § 543 Abs. 3 BGB, denn die geschäftsmäßige Weitervermietung der Wohnung stelle eine so schwerwiegende Vertragsverletzung dar, dass die sofortige Kündigung gerechtfertigt sei.
Urteilstext
Tatbestand:
Ab dem 16. April 2008 vermietete die Klägerin der Beklagten die im Tenor bezeichnete 3-Zimmer-Wohnung in dem Hause … Berlin zu Wohnzwecken, wofür auf den Mietvertrag nebst Anlagen Bezug genommen wird.
Auf eine mit der Anlage K 4, auf deren Inhalt verwiesen wird, identischen Anzeige auf der Internetseite www.ferienwohnung-berlin-zentrale.de beauftragte die Klägerin das Detektivbüro B und Kollegium Unternehmens- und Sicherheitsberatung GmbH mit der Überprüfung ihres Verdachtes, dass die Beklagte die streitgegenständliche Wohnung nicht zu eigenen Zwecken nutze, sondern gewerbsmäßig als Ferienwohnung untervermietet. In der Zeit vom 15. Dezember bis 18. Dezember 2008 wurde die streitgegenständliche Wohnung an einen Mitarbeiter der Detektei, den Zeugen O, gegen Entgelt untervermietet. Die Detektei B und Kollegium Unternehmens- und Sicherheitsberatung GmbH stellte der Klägerin dafür 342,00 EUR zuzüglich „2 SB Übernahme 6 Stunden“ 276,00 EUR und für 43 km eine Kfz-Pauschale von 27,20 EUR netto in Rechnung.
Mit Schreiben vom 22.Dezember 2008, auf dessen Inhalt verwiesen wird, erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten wegen gewerbsmäßiger Weitervermietung der streitgegenständlichen Wohnung die fristlose Kündigung, die sie in der am 21.März 2009 zugestellten Klageschrift wiederholen ließ.
Auf den Inhalt der als Anlage K 4 und K 8 eingereichten Ausdrucke der Internetanzeigen wird verwiesen ebenso wie auf die als Anlage K 9 eingereichten fotografischen Abbildungen, die der Zeuge O fertigte.
Die Klägerin behauptet, dass das Kündigungsschreiben vom 22.Dezember 2008 der Beklagten am 23.Dezember 2008 durch Einwurf in ihren Hausbriefkasten zugegangen sei, was die Einlieferungsquittung vom 23.Dezember 2008 belege, auf die inhaltlich Bezug genommen wird. Die Beklagte bewohne die streitgegenständliche Wohnung nicht und biete sie insgesamt über das Internet als Ferienwohnung zur gewerbsmäßigen Untervermietung an. Noch am 10.Februar 2009 sei die streitgegenständliche Wohnung im Internet angeboten gewesen und die Beklagte vermiete sie weiterhin unter. Die als Anlage K 9 eingereichten fotografischen Abbildungen gäben die streitgegenständliche Wohnung wieder, denn der Zeuge O habe sie während seines Aufenthaltes am 15.Dezember 2008 gefertigt. Diese Fotodokumentation sei identisch mit der der eingereichten Internetseiten und die unterschiedlichen Geschossangaben zum 2. bzw. 4. Obergeschoss seien unerheblich, da es sich bei der inserierten Wohnung ausweislich der eingereichten Fotografien um die Wohnung der Beklagten handele. Die mit der Zahlungsklage geltend gemachten Kosten der Detektei seien erforderlich gewesen und bezahlt worden.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, die im Hause … Berlin, gelegene 3-Zimmer-Wohnung mit einer Größe von ca. 78,01 qm einschließlich Nebengelass (Kellerraum), WE-Nr.: 02.UG.We0302 zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben;
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 767,79 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.Mai 2009 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, ihre Wohnung im Dezember 2008 für ca. 2 Wochen unentgeltlich einem Bekannten zur Nutzung überlassen zu haben. Dieser habe dann anscheinend 3 Tage die Wohnung an den Zeugen O vermietet, was sie vorsorglich mit Nichtwissen bestreitet. Bei der im Internet angebotenen Wohnung handele es sich nicht um ihre Wohnung, denn ihre Wohnung liege in der 2. Etage und im Internet sei eine Wohnung in der 4. Etage angeboten. Es könne daher nur gemutmaßt werden, dass bei den Ermittlungen des Sicherheitsunternehmens, welches die gewerbliche Vermietung einer Vielzahl von Objekten für die Klägerin recherchiert habe, irgendetwas durcheinander geraten sei. Sie habe die streitgegenständliche Wohnung nicht im Internet inseriert.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang überwiegend begründet.
Die Beklagte ist zur Räumung der im 2. Obergeschoss des streitgegenständlichen Gebäudes liegenden Wohnung gemäß § 546 BGB verpflichtet, weil die Klägerin das Mietverhältnis gemäß §§ 543 Abs. 1, 2 Nr. 2 und 3 Nr. 2, 568 Abs. 1, 569 Abs. 4 BGB wirksam gekündigt hat.
Die Kündigung vom 22.Dezember 2008 ist formell wirksam erklärt worden, denn sie wahrt die Schriftform und ist hinreichend begründet, in dem die gewerbsmäßige Weitervermietung der streitgegenständlichen Wohnung angegeben und mittels der Vermietung an den Zeugen O im Dezember 2008 im Einzelnen dokumentiert ist. Nach dem Ende dieser Untervermietung ist die Frist des § 314 Abs. 3 BGB eingehalten worden und die Kündigung ist der Beklagten auch zugegangen gemäß § 130 BGB. Ihr Bestreiten des Zugangs ist im Rahmen des § 138 ZPO nicht entscheidungserheblich, weil die Last des Bestreitens der Beklagten gesteigert war. Die Klägerseite hat substantiiert vorgetragen, dass die Kündigung am 23. Dezember 2008 in den Hausbriefkasten der Beklagten durch Boten eingelegt worden sei, so dass die Beklagte für ein entscheidungserhebliches Bestreiten vorzutragen gehabt hätte, dass sie nach Briefkastenkontrolle spätestens am 24. Dezember 2008 das Schreiben nicht vorgefunden habe. Diesen Vortrag unterlässt die Beklagtenseite trotz entsprechenden gerichtlichen Hinweises in der mündlichen Verhandlung, so dass als unstreitig zu behandeln ist, dass die Kündigung vom 22. Dezember 2008 so in den Empfangsbereich der Beklagten gelangt ist, dass sie davon unter gewöhnlichen Umständen hätte Kenntnis nehmen können.
Die Kündigung ist materiell rechtlich wirksam, denn die Voraussetzungen des § 543 BGB liegen vor. Nach dieser Vorschrift kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos gekündigt werden, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür reicht nicht jede Vertragsverletzung, sondern nur eine erhebliche Verletzung der Rechte des Vermieters, die Auswirkungen hat, die den Vermieter beeinträchtigen. In § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, 2. Halbsatz BGB wird ein solcher wichtiger Grund gesetzlich dahin definiert, dass eine unbefugte Drittüberlassung, z. B. durch vollständige Aufgabe der Wohnung und Überlassung an einen Dritter ohne Unterrichtung des Vermieters, erfolgt. Es kann dahingestellt bleiben, ob die unstreitige Überlassung der Wohnung im Dezember 2008 an den Zeugen O den Tatbestand des § 543 Abs. 2 Nr. 2, 2. Halbsatz BGB ausfüllt, denn jedenfalls stellt die Klägerin einen im Rahmen des § 543 Abs. 1 BGB erhebliche Vertragspflichtverletzung der Beklagten damit dar, dass sie die zwischen den Parteien vereinbarte Wohnungsnutzung aufgegeben und eine geschäftsmäßige Vermietung als Ferienwohnung betreibt. Dies wird mittels des eingereichten Internetauszuges vom 10.Februar 2009 (Anlage K 4) belegt, indem die streitgegenständliche Wohnung zur Vermietung an Touristen angeboten wird. Dass es sich dabei um eine identische Anzeige handelt, auf die der Zeuge O die Wohnung anmietete, ist unstreitig geblieben. Die von dem Zeugen gefertigten Fotografien stimmen mit denen der Anzeige überein. Deshalb ist irrelevant, dass die dort als Ferienwohnung angebotene Wohnung für die 4. Etage in der R.-straße angegeben wird, denn trotzdem ist dem Zeugen auf diese Anzeige für das 4.OG die streitgegenständliche Wohnung im 2. OG vermietet worden. Mittels des Internetauszuges vom 10. Februar 2009 ist zudem belegt, dass die streitgegenständliche Wohnung nach der Kündigung angeboten worden ist, so dass die Klägerseite eine erhebliche Vertragspflichtverletzung wegen Nichteinhaltung des vereinbarten Zwecks des privates Wohnens schlüssig darstellt. Mit der vorgetragenen gewerbsmäßigen Untervermietung als Ferienwohnung wird nicht nur der Vertragszweck an sich ausgehöhlt, sondern die Vermieterseite ist auch dadurch erheblich beeinträchtigt, dass sich diese Art der Wohnungsnutzung mittels Vermietung an wechselnde Touristen auf die übrigen Mieter des Hauses typischerweise negativ auswirkt.
Diese zur fristlosen Kündigung berechtigende erhebliche Vertragsverletzung, die keinesfalls durch überwiegende Interessen der Beklagten gerechtfertigt sein kann, bestreitet die Beklagte nicht entscheidungserheblich. Trotz des gerichtlichen Hinweises in der mündlichen Verhandlung bleibt ihr Bestreiten pauschal und ohne Substanz, was zu ihren Lasten zu gehen hat. Sie trägt weder namentlich noch zeitlich bestimmt vor, wem sie die streitgegenständliche Wohnung vorübergehend für 2 Wochen unentgeltlich überlassen habe, der ohne ihr Wissen die Vermietung an den Zeugen O vorgenommen habe. Sie behauptet nicht, dass ihr die Internetanzeige erstmals prozessual zur Kenntnis gelangt sei. Schließlich bleibt auch der von dem Zeugen O fotografisch wiedergegebene Einrichtungszustand der streitgegenständlichen Wohnung ohne Stellungnahme, obwohl er die typische Ausstattung einer Ferienwohnung wiedergibt. Insbesondere fehlen persönliche Ausstattungs- und Einrichtungsgegenstände, wie Fotos und Bilder, und lediglich eine Minimalausstattung zum Schlafen, Essen und Sitzen ist abgebildet. Auch das abgebildete Regal passt sich darin ein, denn es enthält nur eine kleine Anzahl von Büchern und Bildern zum Zeitvertreib. In der Küche fehlen Kochutensilien und frische oder haltbare Lebensmittel, Gewürze u.s.w., die auf eine regelmäßige Benutzung durch tägliches Kochen schließen ließen. Auch Zimmerpflanzen, die der regelmäßigen Betreuung bedürfen, sind nicht erkennbar. Dem tritt die Beklagte mit fotografischen Abbildungen ihrer Wohnung, die belegten, dass sie dort ständig aufhältlich sei und wohnte, nicht entgegen. Auch schriftsätzlich erschöpft sich ihr Vortrag in der pauschalen Behauptung, in der Wohnung zu wohnen, was unzureichend ist, ohne dass deren Ausstattungszustand irgendwie nachvollziehbar von ihr begründet würde oder sie sonstwie ausschlösse, sie untervermieten zu können, z.B. mittels Ausschlusse eines anderen Wohnsitzes, Arbeitsplatzes in Berlin etc..
Schließlich kann sich die Beklagte nicht damit entlasten, dass der von ihr namentlich unbenannt gebliebene Bekannte für alles verantwortlich sei, denn nach den gebotenen Erkundigungen bei ihm, hätte sie im Rahmen des § 138 ZPO konkret zu erwidern gehabt. Insbesondere dahin, dass es sich um eine einmalige Untervermietung an den Zeugen O gehandelt habe oder die Internetanzeige trotz ihres Widerspruchs nicht gelöscht worden sei. Darüber hinaus hat sie jedenfalls im Rahmen der §§ 540 Abs. 2, 278 BGB sowie Nr. 3 der Anlage 1 zu dem streitgegenständlichen Mietvertrag für das Verhalten eines Dritten einzustehen, nämlich dahin, dass die Grenzen des Hauptmietvertrages und damit der vereinbarte Wohnzweck eingehalten werden (vgl. BGH, NJW 2000, 3203).
Schließlich bedurfte es zur Wirksamkeit der vorprozessualen Kündigung keiner Abmahnung im Sinne des § 543 Abs. 3 BGB, denn die geschäftsmäßige Weitervermietung der streitgegenständlichen Wohnung höhlt den zwischen den Parteien vereinbarten Zweck gänzlich aus und stellt damit eine so schwerwiegende Vertragsverletzung dar, dass die sofortige Kündigung gerechtfertigt war. Zumal die Beklagte auch prozessual keine Reaktionen aufzeigt und belegt, mit denen sie das Internetangebot ihrer Wohnung als Ferienwohnung zu unterbinden suchte. Mittels der Internetanzeige vom 10.Februar 2009 ist das fortgesetzte Angebot über die fristlose Kündigung hinaus belegt worden, so dass auch insoweit keine positive Prognose gegeben ist, die die fristlose Kündigung unwirksam werden lassen könnte. Zuzugeben ist der Beklagten lediglich, dass der als Anlage K 8 eingereichte Internetauszug eine andere Postanschrift als die der streitgegenständlichen Wohnung benennt. Allerdings scheinen in Anbetracht der mit der Anlage K 4 und Anlage K 9 teilweise identischen Wohnungsabbildungen gegeben, die die Wohnung der Beklagten wiedergeben, so dass Zweifel angebracht scheinen und Rückschlüsse auf eine Verwirrtaktik möglich sein mögen.
Die Klage ist lediglich insoweit abzuweisen, als in dem Klageantrag die Lage der Wohnung mit dem 6. Obergeschoss angegeben wird, weil die Wohnung unstreitig im 2. Obergeschoss liegt und damit eine unschlüssige Wohnlage angegeben ist.
Die Zahlungsklage ist begründet, denn gemäß §§ 280 ff. BGB i. V. m. § 249 BGB ist die Beklagte zur Erstattung der Detekteikosten verpflichtet. Diese Kosten sind durch ihre Pflichtverletzung – wie oben dargestellt – zur Beweissicherung erforderlich und kausal gewesen. Erforderlich sind sie gewesen, weil die Internetanzeige, auf die sich der Zeuge O meldete, einen hinreichend konkreten Verdacht auf eine gewerbsmäßige Weitervermietung der streitgegenständlichen Wohnung rechtfertigte und dieser Verdacht sich mit der Vermietung an ihn und wegen des Einrichtungszustandes der Wohnung auch bestätigte.
Auch der Höhe nach greift die Beklagtenseite diese Kosten nicht an, denn 372,00 EUR fielen für die Anmietung der Wohnung als Ferienwohnung an, 6 Stunden Arbeitszeit zwecks Anmietung, Übernahme und Beweissicherung sind jedenfalls nicht unangemessen hoch ebenso wenig wie die Anfahrtskosten von 27,70 EUR, so das die Kosten jedenfalls im Rahmen des § 250 BGB zu erstatten sind.
Die geltend gemachten Rechtshängigkeitszinsen sind als fingierter Mindestschaden gemäß §§ 288, 291 BGB begründet.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 11, 711 Nr. 7 und 11 ZPO.
Auch von Amts wegen ist der Beklagten eine Räumungsfrist gemäß § 721 ZPO nicht zu gewähren, weil die Beklagte die streitgegenständliche Wohnung nicht zu ihren Wohnzwecken nutzt und zu vermuten ist, dass ihr anderweitiger Wohnraum zur Verfügung steht.
Mehr Informationen zum Thema "Zweckentfremdung von Wohnraum" (Mai 2016):
23.12.2017