Leitsätze:
1. Zum Anspruch des Mieters einer Eigentumswohnung, den anlässlich der Fassadensanierung entfernten Windschutz am Balkon wieder anzubringen.
2. Die Umwandlung eines Mietshauses in Wohnungseigentum darf sich nicht derart zu Lasten der Mieter auswirken, dass ihre bestehenden vertraglichen Rechte untergingen.
LG Berlin vom 24.1.2012 – 67 S 488/11 –
Mitgeteilt von RA Christoph Müller
Urteilstext
Aus den Gründen:
… Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Anbringung eines Windschutzes oberhalb der seitlichen Balkonbrüstung in der von der Klägerin innegehaltenen Wohnung im ersten Obergeschoss des Hauses W.-Str. in Berlin. Der Anspruch ergibt sich aus § 535 Abs.1 Satz 1 und 2 BGB.
Nach dieser Vorschrift hat der Vermieter dem Mieter während der Mietzeit den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache zu gewähren. Der Umfang des vertragsgemäßen Gebrauchs ergibt sich aus dem vertragsgemäßen Zustand der Mietsache. Im gegenständlichen Verfahren ist zur Überzeugung der Kammer der im Rahmen von Bauarbeiten anlässlich der Anbringung der Wärmedämmung entfernte Windschutz vom vertragsgemäßen Zustand der Mietwohnung umfasst.
Unstreitig ist die Beklagte durch Erwerb der Mietsache im Jahre 2007 in das seit 1. November 1986 bestehende Mietverhältnis gemäß § 566 Abs. 1 BGB eingetreten.
Die Klägerin hat substantiiert unter Vorlage von Lichtbildern – offensichtlich neueren und älteren Datums – und unter Beweisantritt vorgetragen, dass der Windschutz seit Beginn des Mietverhältnisses oberhalb der seitlichen Balkonbrüstung angebracht war. Ob dieser Windschutz nun vom vorigen Eigentümer oder von einem Vormieter angebracht worden war, ist dabei unerheblich, da er jedenfalls bei Abschluss des Mietvertrages den vertragsgemäßen Zustand darstellte. Dem Vortrag des Vorhandenseins des Windschutzes bei Abschluss des Mietvertrages ist die Beklagte auch nicht substantiiert entgegen getreten. Dass der Windschutz im Mietvertrag keine ausdrückliche Erwähnung gefunden hat, ist dabei gänzlich ohne Belang, zumal üblicherweise nicht jedes Ausstattungsmerkmal Erwähnung im Mietvertrag findet. Im übrigen hätte die Beklagte beim vorherigen Vermieter oder bei ehemaligen Mietern Erkundigungen über den Ausstattungszustand der Wohnung der Klägerin einholen können.
Die Anbringung des Windschutzes ist der Beklagten auch nicht aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich. Selbst wenn die Eigentümergemeinschaft der Anbringung eines Windschutzes in ihrer Versammlung am 26. September 2011 widersprochen hat, muss die Beklagte notfalls darauf verwiesen werden, im Rahmen gerichtlicher Inanspruchnahme die Zustimmung der anderen Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft zur Anbringung einzuholen. Dabei ist entgegen der Ansicht der Beklagten nicht in erster Linie die Frage zu entscheiden, ob die Anbringung eines Windschutzes, der das äußere Erscheinungsbild des Hauses verändert, ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht oder nicht. Im Rahmen der Begründung des gemeinschaftlichen Wohnungseigentums ist vielmehr die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegenüber den vorhandenen Mietern hinsichtlich des Gemeinschaftseigentums verpflichtet geblieben, sofern sich der vertragsgemäße Gebrauch auf das Gemeinschaftseigentum bezieht.
Eine Umwandlung eines Mietshauses in Wohnungseigentum darf sich nicht derart zu Lasten der Mieter auswirken, dass ihre bestehenden vertraglichen Rechte untergingen. Der Anspruch der Klägerin auf Gewährung des vertragsgemäßen Gebrauchs richtet sich zwar primär gegen das einzelne Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft als Vermieter. Dieser wiederum hat gegen die anderen Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft aber ein Recht auf Zustimmung zu Maßnahmen, die es ihm ermöglichen, den bestehenden, von ihm geschuldeten vertragsgemäßen Zustand zu gewährleisten. Der Mieter kann in einem solchen Falle seinen Anspruch nicht dadurch verlieren, dass sich der Vermieter auf subjektive Unmöglichkeit beruft, weil die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer der Maßnahme nicht zugestimmt hat. Im gegenständlichen Verfahren ist eben die Besonderheit zu berücksichtigen, dass das Mietverhältnis der Klägerin mit dem vormaligen Vermieter bereits bestand, als das Wohnungseigentum begründet und als die Wärmedämmung auf der Außenfassade angebracht wurde. Dass sich hieraus auch Pflichten ergeben könnten, musste der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer bekannt sein.
Aus welchem Grunde die Installation eines Windschutzes aus tatsächlichen Gründen unmöglich sein sollte, ist nicht ersichtlich, zumal zwei Kostenvoranschläge vorliegen sollen. Die Höhe der Kosten spricht jedenfalls nicht für eine tatsächliche Unmöglichkeit, ebenso die Schwierigkeiten bei einer Verankerung des Windschutzes in der wärmegedämmten Außenfassade.
Entgegend der Ansicht der Beklagten umfasst der von ihr zu gewährende mietvertragliche Gebrauch auch die im Gemeinschaftseigentum stehenden Teile des Hauses. So ist es nicht nur selbstverständlich, dass die Beklagte beispielsweise die Nutzung des im Gemeinschaftseigentum stehenden Treppenhauses schuldet. Ebenso verhält es sich mit allen zur Mietwohnung gehörenden Teilen des Gemeinschaftseigentums. …
31.12.2017