Leitsatz:
Ergibt sich aus den Umständen des Vertragsschlusses, dass der Vermieter bei Vertragsschluss wusste, dass er nicht einen Vertrag mit mehreren Einzelmietern, sondern mit einer Wohngemeinschaft geschlossen hat, besteht bei Mietereigenschaft aller Mitglieder ein Anspruch der Wohngemeinschaft gegen den Vermieter, einer Auswechslung von Mietern zuzustimmen, das heißt der Entlassung eines ausscheidenden Mitglieds und der Aufnahme eines neuen Mitglieds.
LG Berlin vom 24.5.2019 – 66 S 66/19 –
Mitgeteilt von RA Stephan Werle
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Der aus dem Leitsatz ersichtlichen Rechtsansicht liege zugrunde – so das Landgericht –, dass dem Vermieter bei Vermietung an eine Wohngemeinschaft von Anfang an klar sein müsse, dass die Gemeinschaft aufgrund möglicher Wohnsitzwechsel oder aus anderen Gründen nicht auf Dauer angelegt sei.
Vorliegend habe sich aus den Umständen des Vertragsschlusses ergeben, dass der Vermieter wusste, dass er nicht einen Vertrag mit mehreren Einzelmietern, sondern mit einer Wohngemeinschaft – einer Gemeinschaft aus mehreren Menschen, die sich zu einer Haushalts- und Wirtschafts-, nicht aber eheähnlichen Lebensgemeinschaft innerhalb einer Wohnung zusammengeschlossen haben – geschlossen hat. Bei einer studentischen Wohngemeinschaft sei jederzeit damit zu rechnen, dass aufgrund der persönlichen Lebensumstände einzelner Mitglieder der Wohngemeinschaft Veränderungen in deren Bestand eintreten könnten. Die Erwartung des Vermieters, während der Mietzeit bleibe der Bestand der Mieter stabil, sei nach der allgemeinen Lebenswahrscheinlichkeit bei jungen Menschen nicht begründet.
Der Vermieter könne sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die neuen Mieter, welche in den Vertrag aufgenommen werden sollen, böten nicht dieselbe Bonität wie die bisherigen Mieter. Richtig sei, dass der Vermieter eine Zustimmung zum Auswechseln der Mieter dann nicht erteilen müsse, wenn ihm die Aufnahme des neuen Mieters unzumutbar sei. So liege der Fall hier aber nicht. Dass die Eltern der nunmehr aufzunehmenden Mieter nicht bereit oder in der Lage seien, ebenfalls Bürgschaften zu übernehmen, führe nicht zur Unzumutbarkeit der Aufnahme. Es mag sein, dass die – gut situierten – Eltern der auszugswilligen Mieter Bürgschaften gestellt hätten. Ein derartiger Anspruch ergebe sich jedoch aus dem Mietvertrag nicht. Dieser sehe lediglich die Leistung einer Barkaution in Höhe von 4863,90 Euro vor.
Urteilstext
Gründe:
I) Die vorrangige Prüfung gemäß § 522 Abs. 1 ZPO ergibt, dass die Berufung zulässig ist. Die Berufung ist gemäß § 511 Abs. 1 ZPO statthaft. Die gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderliche Mindestbeschwer ist erreicht. Die Form- und Fristvorschriften der §§ 517, 519 und 520 ZPO sind eingehalten.
II) Die Berufung hat nach Ansicht der Kammer keine Aussicht auf Erfolg.
Das Amtsgericht hat die Beklagte mit zutreffender Begründung·zur Zustimmung zu einem Mieterwechsel verurteilt und festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis unbefristet ist. Die Entscheidung ist frei von Rechtsfehlern; die ihr zugrunde liegenden Tatsachen rechtfertigen keine andere Bewertung.
Zutreffend hat das Amtsgericht festgestellt, dass der Grund für die Befristung des Mietverhältnisses nicht hinreichend konkret bei Mietvertragsschluss schriftlich mitgeteilt worden ist, weshalb das Mietverhältnis nach § 575 Abs. 1 BGB als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen gilt. Die Kammer nimmt insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen vollumfänglich auf die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug. Soweit die Beklagte geltend macht, den Klägern sei anlässlich des Mietvertragsschlusses durch den Zeugen K. erläutert worden, dass nach Ablauf von ca. 2 Jahren eine Teilung der Wohnung in 2 kleinere Wohnungen und mithin eine umfassende Umgestaltung derselben beabsichtigt sei, vermag sie hiermit nicht durchzudringen. Denn die Mitteilung hat gemäß § 575 Abs. 1 BGB, worauf bereits das Amtsgericht hingewiesen hat, schriftlich zu erfolgen. Eine Vernehmung des Zeugen zu den von der Beklagten behaupteten mündlichen Mitteilungen hatte mithin nicht zu erfolgen.
Ebenfalls frei von Rechtsfehlern hat das Amtsgericht einen Anspruch der Kläger auf Zustimmung zur Auswechslung von Mietern bejaht.
Ergibt sich aus den Umständen des Vertragsschlusses, dass der Vermieter bei Vertragsschluss wusste, dass er nicht einen Vertrag mit mehreren Einzelmietern, sondern einer Wohngemeinschaft geschlossen hat, besteht bei Mietereigenschaft aller Mitglieder ein Anspruch der Wohngemeinschaft gegen den Vermieter, einer Auswechselung von Mietern zuzustimmen, d.h. der Entlassung eines ausscheidenden Mitglieds und der Aufnahme eines neuen Mitglieds (vgl. LG Berlin, Urteil vom 23.03.2016, 65 S 314/15, Urteil vom 09.02.2010, 65 S 475/07; Urteil vom 11.01.2017, 65 S 375/16; Horst, MDR 1999, 266, 270; Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl., S. 110f.; Scholz in Harz/Kääb/Riecke/Schmid, Miet- und Wohnungseigentumsrecht, 2. Aufl., 2008, S. 183 Rn. 291, m.w.N.; LG Karlsruhe, Urteil v. 10.05.1991 – 9 S 588/90; Urteil v. 14.08.1992 – 9 S 102/92; LG Göttingen, Urteil v. 11.11.1992 – 5 S 123/92; jeweils zitiert nach juris). Dem liegt zugrunde, dass dem Vermieter bei Vermietung an eine Wohngemeinschaft – wie hier – von Anfang an klar sein muss, dass die Gemeinschaft aufgrund möglicher Wohnsitzwechsel oder aus anderen Gründen nicht auf Dauer angelegt ist (vgl. BVerfG, Beschluss v. 28.01.1993 – 1 BvR 1750/92 Rn. 8ff., zit. nach juris; BGH, Urteil v. 15.07.2009 – VIII ZR 307/08, GE 2009, 1309f.).
Zu·Recht hat das Amtsgericht festgestellt, dass sich aus den Umständen des Vertragsschlusses ergibt, dass der Vermieter wusste, dass er nicht einen Vertrag mit mehreren Einzelmietern, sondern einer Wohngemeinschaft – einer Gemeinschaft aus mehreren Menschen, die sich zu einer Haushalts- und Wirtschafts-, nicht aber eheähnlichen Lebensgemeinschaft innerhalb einer Wohnung zusammen geschlossen haben – geschlossen hat. Der Umstand, dass die Beklagte beabsichtigt haben mag, eine (wirksame) Befristung des Mietverhältnisses zu vereinbaren, steht dem nicht entgegen. Auch bei einer lediglich 2-jährigen Mietdauer ist bei einer studentischen Wohngemeinschaft jederzeit damit zu rechnen, dass aufgrund der persönlichen Lebensumstände einzelner Mitglieder der Wohngemeinschaft Veränderungen in deren Bestand eintreten können. Die Erwartung der Beklagten, während einer Mietzeit von 2 Jahren bleibe der Bestand der Mieter stabil, ist nach der allgemeinen Lebenswahrscheinlichkeit bei derartig jungen Menschen wie den hiesigen Klägern nicht begründet.
Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die neuen Mieter, welche in den Vertrag aufgenommen werden sollen, böten nicht dieselbe Bonität wie die bisherigen Mieter. Richtig ist, dass der Vermieter eine Zustimmung zum Auswechseln der Mieter dann nicht erteilen muss, wenn ihm die Aufnahme des neuen Mieters unzumutbar ist. So liegt der Fall hier aber nicht. Dass die Eltern der nunmehr aufzunehmenden Mieter nicht bereit oder in der Lage sind, ebenfalls Bürgschaften zu übernehmen, führt nicht zur Unzumutbarkeit der Aufnahme. Es mag sein, dass die – gut situierten – Eltern der Kläger Bürgschaften gestellt haben. Ein derartiger Anspruch ergibt sich jedoch aus dem Mietvertrag nicht. Dieser sieht in § 23 lediglich die Leistung einer Barkaution in Höhe von 4863,90 € vor.
III) Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, dass die fehlende Erfolgsaussicht offensichtlich ist. Insbesondere waren in der Berufung keine neuen Aspekte zu berücksichtigen. Für das Berufungsgericht haben sich keine schwierigen Rechtsfragen ergeben. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist nicht erforderlich. Eine Abweichung von höchstrichterlicher Rechtsprechung liegt nicht vor. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten, § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO.
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25.02.2020