Leitsatz:
Der Berliner Mietspiegel 2013 kann für die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete durch Schätzung gemäß § 287 ZPO zugrunde gelegt werden. Eine Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens ist der Schätzung nicht vorzuziehen.
LG Berlin vom 14.4.2016 – 18 S 125/15 –
Mitgeteilt von RA Cornelius Krakau
Urteilstext
Gründe
I.
Wegen des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angegriffenen Urteils Bezug genommen. Im Übrigen wird von der Darstellung des Tatbestandes abgesehen, §§ 313a, 540 ZPO.
II
1. Die·Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 511, 517, 519, 520 ZPO.
2. Sie hat in der Sache jedoch sowohl hinsichtlich des Haupt- wie hinsichtlich des Hilfsantrage keinen Erfolg. Zutreffend hat das Amtsgericht das im·Juni 2014 zugegangene Mieterhöhungsbegehren der Klägerin für unbegründet erachtet und die ortsübliche Vergleichsmiete unter Zugrundelegung des Berliner Mietspiegels 2013 geschätzt.
Zu Recht hat das Amtsgericht die ortsübliche Vergleichsmiete im Wege der Schätzung nach § 287 ZPO aufgrund des Berliner Mietspiegels 2013 ermittelt. Ob der Berliner Mietspiegel 2013 ein qualifizierter Mietspiegel im Sinne von § 558d BGB ist, bedarf keiner Entscheidung. Das Amtsgericht war nämlich befugt, im Rahmen der Schätzung nach § 287 ZPO den Berliner Mietspiegel 2013 als einfachen Mietspiegel im Sinne des § 558 c BGB heranzuziehen (vgl. Urteil der Kammer vom 2. Dezember 2015, Az. 18·Ss 108/15).
Zwar kommt einem einfachen Mietspiegel nicht die dem qualifizierten Mietspiegel vorbehaltene Vermutungswirkung des § 558 d BGB zu. Der einfache Mietspiegel stellt aber ein Indiz dafür dar, dass die dort angegebenen Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete zutreffend wiedergeben (BGH, Urteil vom 3. Juli 2013 – VIII ZR 267/12, juris; Urteil vom 21. November 2012 – VIII ZR 46/12, NJW 2013, 775; Urteil vom 16. Juni 2010 – VIII ZR 99/09, NJW 2010, 2946; LG Berlin, Urteil vom 16. Juli 2015 – 67 S 120/15, NZM 2015, 626). Dies gilt selbst dann, wenn der Mietspiegel – anders als der Berliner Mietspiegel 2013 – nicht von der Gemeinde, sondern nur von den Interessenvertretern der Mieter und Vermieter erstellt wurde (BGH, Urteil vom 16. Juni 2010 – VIII ZR 99/09, NJW 2010, 2946; LG Berlin, Urteil vom 16. Juli 2015 – 67 S 120/15, NZM 2015, 626). Dass der Mietspiegel vom Land Berlin erstellt und von den Interessenvertretern sowohl der Mieter- als·auch der Vermieterseite anerkannt worden ist, spricht nach der Lebenserfahrung bereits dafür, dass er die örtliche Mietsituation nicht einseitig, sondern objektiv zutreffend abbildet (LG Berlin, Urteil vom 16. Juli 2015 – 67 S 120/15, NZM 2015, 626; BGH, Urteil vom 16.Juni 2010 – VIII ZR 99/09, NJW 2010, 2946 für den Mietspiegel der Stadt Schorndorf).
Ob die Indizwirkung im Einzelfall zum Nachweis der ortsüblichen Vergleichsmiete ausreicht, hängt von der Qualität des Mietspiegels ab. Wendet etwa eine Partei substantiiert ein, den Verfassern habe es an der nötigen Sachkunde gefehlt, sie hätten sich von sachfremden Erwägungen leiten lassen oder der Mietspiegel beruhe auf unrichtigem oder unzureichendem Datenmaterial, ist dem grundsätzlich nachzugehen (BGH, Urteil vom 16.Juni 2010 – VIII ZR 99/09, NJW 2010, 2946; LG Berlin, Urteil vom 16. Juli 2015 – 67 S 120/15, NZM 2015, 626). Verbleiben danach Zweifel an der Verlässlichkeit des Mietspiegels, ist die Indizwirkung erschüttert (BGH, a.a.O.).
Einwände gegen die·Sachkunde oder die Unvoreingenommenheit der Verfasser des Berliner Mietspiegels 2013 hat die Klägerin nicht erhoben. Ihr Einwand, der Mietspiegel beruhe auf unzureichendem Datenmaterial und eine unzureichende . Lageeinteilung, erschüttert die Indizwirkung des Mietspiegels nicht. Selbst wenn der Berliner Mietspiegel 2013, wie die Klägerin meint, nicht nach wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt sein sollte,·entfiele nicht schon deshalb die Möglichkeit, ihn als Grundlage einer Schätzung nach § 287 ZPO heranzuziehen, denn diese Frage ist von der Vermutungswirkung nach § 558d Abs. 3 BGB zu unterscheiden (LG Berlin, a.a.O. m. w. Nachw.). Andernfalls bliebe das Beweismaß des § 287 ZPO unberücksichtigt. Im Rahmen der Schätzung nach § 287 ZPO sind die Anforderungen an die Überzeugungsbildung des Gerichts dahingehend reduziert; dass eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für die richterliche Überzeugungsbildung ausreicht (BeckOK ZPO Vorwerk/Wolf, 18. Edition 2015, § 287 Rn. 17 m.w.Nachw., LG. Berlin, a.a.O.). Dass das Ergebnis der Schätzung möglicherweise nicht vollständig mit den Tatsachen übereinstimmt, ist der gesetzlichen Möglichkeit der Schätzung immanent und grundsätzlich hinzunehmen (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2012- VII ZR 84/10, juris; Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl. 2016,.§ 287 Rn. 2).
Nach diesem Maßstab schließen die von der Klägerin behaupteten Mängel bei der Datenerhebung – deren Vorliegen unterstellt – eine Verwendung des Mietspiegels als Grundlage einer Schätzung nicht aus. Für diese Auffassung spricht schon, dass der Mietspiegel durch seine Verfasser, deren Sachkunde und Lauterkeit die Klägerin nicht angreift, veröffentlicht worden und von den Interessenvertretern mieter- und vermieterseits anerkannt worden ist (ebenso LG Berlin, a.a.O). Dass dies geschehen wäre, wenn das zugrundeliegende Datenmaterial so unzureichend wäre, dass der Mietspiegel nicht einmal dem Beweismaß des § 287 ZPO genügen würde, widerspricht der Lebenserfahrung.
Auch ist nicht ersichtlich, das die von der Klägerin erhobenen inhaltlichen Einwände dazu führen würden, dass der Mietspiegel nicht als Grundlage einer Schätzung taugen würde. Das Amtsgericht hat sich in der angefochtenen Entscheidung mit den Einwänden der Klägerin eingehend und sorgfältig auseinandergesetzt. Auf die zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts in der angefochtenen Entscheidung wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Die Klägerin hat wesentliche neue Argumente hierzu mit der Berufung nicht vorgebracht; insbesondere folgt, -wie bereits festgestellt – nichts anderes aus der Kritik an der Lageeinteilung. Eine notwendig schematische Herangehensweise ist insofern ebenso wenig zu beanstanden wie die Notwendigkeit von Lagegrenzen, die dazu führen kann, dass eine Straße unterschiedlichen Lagen zugeordnet wird. Soweit sich die Klägerin auf ein in dem Verfahren LG Berlin 18 S 183/15 (AG Charlottenburg 235 C 133/13) erstattetes Sachverständigengutachten bezieht, ist darauf hin zuweisen, dass dieses Gutachten – unabhängig davon, ob es inhaltlich überzeugt – zu der Frage erstattet worden ist, ob der Berliner Mietspiegel 2013 nach wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt worden und damit ein qualifizierter Mietspiegel ist, nicht aber zu der Frage, ob er hinreichende Grundlage einer Schätzung nach § 287 ZPO sein kann.
Auch ist eine Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens der Schätzung nicht vorzuziehen. Dass ein Sachverständiger mit vertretbarem Aufwand eine nur annähernd ebenso umfangreiche und repräsentative Datengrundlage verwerten könnte, ist nicht erkennbar. Unabhängig davon, dass er kaum eine vergleichbare Menge an Daten verarbeiten könnte, wäre auch er auf Informationen angewiesen, die ihm Dritte freiwillig zur Verfügung stellen.
Dass diese repräsentativer wären als die dem Mietspiegel zugrunde liegenden Daten, ist nicht ersichtlich. Das Argument der Berufung, der Sachverständige könne die ortsübliche Vergleichsmiete bei vertretbarem Aufwand·genauer feststellen, weil er ein Gutachten speziell für die streitgegenständliche Wohnung erstellen würde, überzeugt deshalb nicht. Aus diesen Gründen ist auch eine Beweisaufnahme zu den von der Klägerin erhobenen Einwänden nicht geboten. Aus den gleichen Erwägungen kommt es auch nicht auf eine besondere Sachkunde des Richters an; da sich dieser der in dem Mietspiegel manifestierten Sachkunde bedienen kann.
Die Spanneneinordnu.ng hat das Amtsgericht zutreffend vorgenommen. Sie wird mit der Berufung auch nicht angegriffen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs.·1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO.
4. Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht. Insbesondere hat die·Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Die Voraussetzungen, unter denen ein Mietspiegel als Grundlage einer Schätzung nach § 287 ZPO herangezogen werden kann, sind höchstrichterlich geklärt. Zu entscheiden war nur über deren Vorliegen im konkreten Einzelfall. Die Kammer weicht dabei von der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht ab. Ob die beweisrechtlichen Voraussetzungen zur Anwendung des einfachen Mietspiegels vorliegen,·ist revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbar (LG Berlin, Urteil vom 16. Juli 2015 – 67 S 120/15). Das Urteil des Landgerichts Berlin vom 1. Juli 2015 – 63 S 220/11 – gebietet ebenfalls nicht die Zulassung der Revision. Diese Entscheidung betrifft den Mietspiegel 2009, der auf anderem Datenmaterial beruht als der Mietspiegel 2013, und konkret auf diesen Mietspiegel bezogene Einwände.
06.07.2017