Leitsatz:
Zur Frage, ob der vom Vermieter beabsichtigte Anschluss einer Wohnanlage an ein rückkanalfähiges Breitbandkabelnetz im Empfangsbereich des terrestrischen Digitalfernsehens (DVB-T) – hier: in Berlin – eine Verbesserung der Mietsache im Sinne des § 554 Abs. 2 Satz 1 BGB darstellt.
BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 253/04 –
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Aus der Presseerklärung des Bundesgerichtshofes:
Die Klägerin beabsichtigt den Anschluss der gesamten Wohnanlage an ein rückkanalfähiges Breitbandkabelnetz. Sie erbat die Zustimmung der Mieter zur Durchführung der dafür erforderlichen Arbeiten. Die Beklagte verweigerte ihre Zustimmung mit der Begründung, dass seit Einführung des Digitalfernsehens in Berlin der Fernsehempfang hier in gleicher Qualität, jedoch preiswerter mit einer Set-Top-Box möglich sei. Die Klägerin hat daraufhin die Verurteilung der Beklagten zur Duldung der für den Kabelanschluss in der Wohnung der Beklagten erforderlichen Arbeiten begehrt. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die vom Amtsgericht zugelassene Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Der Auffassung des Berufungsgerichts, dass im Hinblick auf das in Berlin mit entsprechender Antenne und Set-Top-Box frei empfangbare Digitalfernsehen eine Wohnwertverbesserung durch einen rückkanalfähigen Breitbandkabelanschluss – noch nicht – gegeben sei, weil nach der Verkehrsanschauung nicht angenommen werden könne, dass die weitergehenden Nutzungsmöglichkeiten, die das Breitbandkabelnetz gegenüber dem Digitalfernsehen biete, bereits einen durchschnittlichen Standard darstellten oder von einer ins Gewicht fallenden Zahl von Mietern nachgefragt würden, ist der Bundesgerichtshof nicht gefolgt. Er hat hierzu ausgeführt, dass der Vermieter, der eine Modernisierung beabsichtigt, nicht darauf beschränkt ist, die Wohnung nur auf den durchschnittlichen Standard des gegenwärtigen Wohnungsmarkts anzuheben. Ein Vermieter darf die Attraktivität seiner Wohnungen auch durch eine überdurchschnittliche Ausstattung erhöhen, selbst wenn die Nachfrage danach noch verhältnismäßig gering sein mag. Eine nicht gegen den Willen des Mieters durchsetzbare „Luxusmodernisierung“ liegt bei einem Kabelanschluss jedenfalls nicht vor.
Soweit das Berufungsgericht gemeint hat, dass die weitergehenden Nutzungsmöglichkeiten des Breitbandkabelnetzes gegenüber dem terrestrischen Digitalfernsehen nicht von einer ins Gewicht fallenden Anzahl von Mietern nachgefragt würden, hat es bei dem von ihm angestellten Vergleich wesentliche Umstände nicht berücksichtigt. Nach dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt sind nach dem gegenwärtigen Entwicklungsstand über das Breitbandkabelnetz – im Gegensatz zum Digitalfernsehen – zusätzlich etwa 30 Hörfunkprogramme in Stereoqualität zu empfangen. Hinzu kommen zu den 34 analogen Fernsehprogrammen des Kabelnetzes, denen 27 Fernsehprogramme des Digitalfernsehens gegenüberstehen, etwa 60 weitere über das Kabelnetz mit Hilfe eines Decoders digital zu empfangende in- und ausländische Fernsehprogramme sowie die zukünftige Möglichkeit interaktiver Mediennutzung. Insoweit hat das Berufungsgericht insbesondere nicht berücksichtigt, dass zu den 60 digitalen Zusatzprogrammen des Kabelnetzes zahlreiche ausländische Fernsehprogramme gehören. Angesichts des Ausländeranteils in der Berliner Bevölkerung und der darauf beruhenden Nachfrage nach ausländischen Fernsehprogrammen, die auch in zahlreichen Rechtsstreitigkeiten über die Aufstellung von Parabolantennen zum Empfang ausländischer Fernsehprogramme zum Ausdruck kommt, hat der Senat die Auffassung des Berufungsgerichts nicht zu teilen vermocht, dass der Anschluss an das Breitbandkabelnetz, das ausländische Programme in erheblicher Anzahl zur Verfügung stellt und insoweit die zusätzliche Aufstellung von Parabolantennen entbehrlich macht, gegenüber dem Digitalfernsehen, das diese Möglichkeit zurzeit nicht bietet, nicht von wesentlichem Vorteil sei.
Da somit der von der Klägerin beabsichtigte Anschluss der Wohnanlage an das rückkanalfähige Breitbandkabelnetz nach dem gegenwärtigen Stand der technischen Entwicklung als Maßnahme zur Verbesserung der Mietsache anzusehen ist, erstreckt sich die grundsätzlich bestehende Duldungspflicht der Beklagten nicht nur auf die Arbeiten, die für den Anschluss der von ihr gemieteten Wohnung an das Breitbandkabelnetz erforderlich sind, sondern ebenso auf die Verlegung der Kabel durch die Wohnung der Beklagten in die darüber liegende Wohnung, um deren Anschluss an das Breitbandkabelnetz zu ermöglichen.
Der Senat hat jedoch den Rechtsstreit nicht abschließend entschieden, sondern an das Berufungsgericht zurückverwiesen, weil das Berufungsgericht – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – bislang nicht geprüft hat, ob die Duldungspflicht der Beklagten auf Grund der Härteklausel des § 554 Abs. 2 Satz 2 bis 4 BGB ausnahmsweise ausgeschlossen ist.
04.01.2018