Leitsatz:
Durch eine mietvertragliche Bestimmung, der zu Folge der Vermieter das Mietverhältnis „nur in besonderen Ausnahmefällen unter Einhaltung der gesetzlichen Fristen kündigen kann, wenn wichtige berechtigte Interessen des Vermieters eine Beendigung des Mietverhältnisses notwendig machen“, wird dem Mieter ein gegenüber den gesetzlichen Vorschriften erhöhter Bestandsschutz eingeräumt. Für eine Kündigung genügt dann das in § 573 Abs. 2 BGB genannte berechtigte Interesse des Vermieters nicht.
BGH v. 16.10.2013 – VIII ZR 57/13 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 10 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Die Entscheidung hat über den Einzelfall hinaus durchaus eine größere Bedeutung, da die betreffende Kündigungsbeschränkungsklausel unter der Geltung des Wohnungsgemeinnützigkeitsrechts bei allen ehemals gemeinnützigen Wohnungsunternehmen und Genossenschaften bis Ende 1989 von Gesetzes wegen vorgeschrieben war und bei späteren Mietvertragsabschlüssen freiwillig (oder irrtümlich?) weiter verwendet wurde und wird. Nach vorsichtigen Schätzungen dürften rund 150.000 Berliner Mietverträge eine solche Klausel enthalten.
Juristisch aufmerksam wird man auf die Klausel meist jedoch nur im Falle eines Vermieterwechsels. So war es auch hier im vom BGH entschiedenen Fall. Weitere Besonderheit war, dass der Erwerber durch Zusammenlegung von Wohnungen aus dem Mehrfamilienhaus ein Zweifamilienhaus gemacht und nach § 573 a BGB gekündigt hatte (sogenannte „Einliegerkündigung“).
Über den obigen Leitsatz hinaus lässt sich die Entscheidung wie folgt zusammenfassen: Die betreffende Vertragsklausel schließt nach dem Wortlaut sowie ihrem Sinn und Zweck die erleichterte Kündigung gemäß § 573 a Absatz 1 Satz 1 BGB, die kein berechtigtes Interesse des Vermieters im Sinne des § 573 BGB voraussetzt, aus.
Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass die damaligen Parteien des Mietvertrages die Kündigungsbeschränkung konkludent nur für den Zeitraum hätten vereinbaren wollen, in dem die Wohnung im Eigentum des veräußernden Vermieters stand. Ein Erwerber ist also ohne Einschränkung an die Klausel gebunden. Die Kündigungsbeschränkung schließt eine Eigenbedarfskündigung aber nicht generell aus. Sie verschärft lediglich die gesetzlichen Voraussetzungen, so dass das in § 573 Absatz 2 BGB genannte „berechtigte Interesse“ nicht ausreicht, sondern darüber hinaus ein besonderer Ausnahmefall vorliegen muss, in dem wichtige Interessen des Vermieters eine Beendigung des Mietverhältnisses notwendig machen. Wann von einem „besonderen Ausnahmefall“ auszugehen ist, lässt der BGH offen.
29.03.2022