Leitsatz:
Will der Mieter gegen die Umlage von Betriebskosten einen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot einwenden, muss er dies innerhalb der Einwendungsausschlussfrist des § 556 Abs. 3 Satz 5 BGB tun.
LG Berlin vom 15.6.2021 – 67 S 61/21 –
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Das Landgericht widerspricht hier einer weit verbreiteten Ansicht in der Mietrechtsliteratur, wonach für den Wirtschaftlichkeitseinwand die einjährige Einwendungsausschlussfrist nicht gelte.
Das Gericht argumentiert wie folgt: Ebenso wie bei der im Rahmen der Mietrechtsreform 2001 eingeführten Ausschlussfrist für den Vermieter solle die Frist für den Einwendungsausschluss dem gesetzgeberischen Ziel Rechnung tragen, möglichst zeitnah zur Abrechnungserstellung Klarheit über die Richtigkeit der Betriebskostenabrechnung herbeizuführen. Dieser Befriedungsfunktion werde die Ausschlussfrist nur gerecht, wenn sie auf alle Einwendungen des Mieters bezogen werde, soweit eine formell ordnungsgemäße Abrechnung vorliege. Der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 11.5.2016 (VIII ZR 209/16), nach der die Ausschlussfrist auch für solche abgerechneten Kosten gelte, die nach § 556 Abs. 1 S. 1 BGB in Verbindung mit der Betriebskostenverordnung generell nicht auf den Mieter umgelegt werden dürfen, sei ein weites Verständnis des Einwendungsausschlusses zu entnehmen. Deswegen gelte diese dem Gesetzeszweck entsprechend auch für die Rüge eines Verstoßes gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot. Hierfür spreche ferner der weit gefasste Wortlaut des § 556 Abs. 3 S. 5 BGB. Unter „Einwendungen“ sei alles zu verstehen, was der Mieter gegen die Umlage einwende, soweit es in einem Sachzusammenhang mit den konkreten Betriebskostenpositionen stehe.
Urteilstext
Gründe:
I.
Die Berufung ist gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen, da sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und auch die sonstigen Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO vorliegen.
Das Amtsgericht hat die Klage mit zutreffender Begründung abgewiesen. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Rückzahlung gezahlter Betriebskosten zu, da sie binnen der Frist des § 556 Abs. 3 S. 5 BGB keine Einwendungen gegen die Betriebskostenabrechnungen geltend gemacht hat und daher nach § 556 Abs. 3 S. 6 BGB mit den Einwendungen ausgeschlossen ist. Ebenso wie bei der im Rahmen der Mietrechtsreform 2001 eingeführten Ausschlussfrist für den Vermieter soll die Frist für den Einwendungsausschluss dem gesetzgeberischen Ziel Rechnung tragen, möglichst zeitnah zur Abrechnungserstellung Klarheit über die Richtigkeit der Betriebskostenabrechnung herbeizuführen (BT-Drs. 14/5663, 79). Dieser Befriedungsfunktion wird die Ausschlussfrist nur gerecht, wenn sie auf alle Einwendungen des Mieters bezogen wird, soweit eine formell ordnungsgemäße Abrechnung vorliegt. Der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 11. Mai 2016, VIII ZR 209/16, nach der die Ausschlussfrist auch für solche abgerechneten Kosten gilt, die nach § 556 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. BetrKV generell nicht auf den Mieter umgelegt werden dürfen, ist ein weites Verständnis des Einwendungsausschlusses zu entnehmen. Deswegen gilt er dem Gesetzeszweck entsprechend auch für die Rüge eines Verstoßes gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot (BeckOGK/Drager, 1.4.2021, BGB § 556 Rn. 218, 219; Palandt/Weidenkaff, BGB, 80. Aufl., § 556 Rn. 13, Schneider in: Spielbauer/Schneider, Mietrecht, 2. Aufl. 2018, § 556 BGB, Rn. 548a; LG Karlsruhe BeckRS 2012, 11897; AG Pinneberg NZM 2014, 390; Flatow WuM 2012, 235 (237); Streyl NZM 2013, 97 (100); Blank/Börstinghaus, Miete, 6. Aufl. 2020, BGB § 556 Rn. 225; a.A. AG Dortmund, Urteil vom 22. März 2016 – 425 C 9513/15 -, juris; AG Berlin-Mitte, Urteil vom 9. April 2018, 18 C 46/17, WuM 2018, 430; Schmidt-Futterer/Langenberg, 14. Aufl. 2019, BGB § 556; MüKoBGB/Zehelein, 8. Aufl. 2020, BGB § 556 Rn. 103). Hierfür spricht ferner der weit gefasste Wortlaut des § 556 Abs. 3 S. 5 BGB. Unter „Einwendungen“ ist alles zu verstehen, was der Mieter gegen die Umlage einwendet, soweit es in einem Sachzusammenhang mit den konkreten Betriebskostenpositionen steht (Flatow, WuM 2016, 338-340).
Die entgegenstehende amtsgerichtliche Rechtsprechung hindert die Kammer nicht an einem Vorgehen nach § 522 Abs. 2 ZPO. Denn eine Divergenzrevision ist nur dann zuzulassen, wenn von der Rechtsprechung eines gleich- oder höherrangigen Gerichts abgewichen werden soll, was vorliegend nicht der Fall ist.
II.
Die Berufungsklägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen, auch zur Frage, ob die Berufung vor dem Hintergrund des erteilten Hinweises zurückgenommen wird. Auf die damit verbundene Kostenreduzierung gemäß Nr. 1222 KV weist die Kammer vorsorglich hin.
Hinweis: Das Berufungsverfahren hat sich durch Zurückweisungsbeschluss erledigt.
26.08.2021