Leitsatz:
Der Einbau einer zentral geregelten Wohnraum-Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung ist keine nach § 555 b Nr. 1 BGB zu duldende Maßnahme, wenn das Gepräge der stuckverzierten Altbauräume hierdurch negativ beeinträchtigt wird.
LG Berlin vom 3.2.2016 – 67 S 217/15 –
LG Berlin vom 15.2.2016 – 67 S 193/15 –
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Der Vermieter hatte den Einbau einer zentral geregelten Wohnraumlüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung als Modernisierungsmaßnahme angekündigt. Nach Auffassung der Einzelrichter in zwei Verfahren handele es sich hierbei zwar um eine grundsätzlich zu duldende energetische Modernisierung im Sinne des § 555 b Abs. 1 Ziffer 1 oder Ziffer 2 BGB, da durch die zentral geregelte Lüftung und die Wärmerückgewinnung Energie und Primärenergie eingespart werden könnte, weil das energetisch ungünstige Öffnen der Fenster entfiele. Jedoch hätten die Mieter vorliegend diese Maßnahme nicht zu dulden, weil mit ihr eine wesentliche Beeinträchtigung ihres Wohngebrauchs einherginge, die die möglichen Vorteile der Modernisierung überwögen.
Die Parteien hätten einen Vertrag über Wohnraum geschlossen, der ein bestimmtes Gepräge aufweise. Es handele sich um eine Altbauwohnung mit hohen Decken, wobei der hintere Wohnraum eine oberhalb der Fenster verlaufende Stuckbordüre und der vordere Wohnraum eine Stuck-Deckenrosette aufwiesen. Das Gepräge der Wohnung als Altbauwohnung sei ebenfalls wesentlich bestimmt durch Proportionen, die sich aufgrund der Fenstergröße und ihrer Gestaltung und der Entfernung der Fensteroberkante zur Zimmerdecke ergeben. Dieses Gepräge der Altbauwohnung mit hohen Decken und großzügigem Abstand von der Oberkante der Fenster zur Stuckverzierung und zur Decke ginge durch die für die Entlüftungsanlage notwendige Abhängung der Decken verloren.
Denn zum einen würde die Decke in beiden Zimmern und im Flur um etwa 20 Zentimeter abgehängt und damit die Proportion der Fenster zur Raumhöhe negativ verändert, was für sich schon eine Beeinträchtigung darstelle. Zum anderen befinde sich die Stuckrosette im hinteren Zimmer lediglich 7 Zentimeter oberhalb der Fensteroberkante, so dass die Stuckrosette bei Abhängung der Decke um 20 Zentimeter entweder gänzlich entfernt oder so weit nach unten verschoben werden müsste, dass sie nicht mehr oberhalb, sondern auf Höhe der Fenster verliefe und von diesen unterbrochen würde. Dies stelle keine übliche Anbringung einer Stuckbordüre in einem Altbau dar, so dass der Altbaucharakter der Wohnung insgesamt – auch unter Berücksichtigung der dargestellten Veränderung der Proportionen – verloren ginge.
Urteilstext
Urteil des LG Berlin vom 3.2.2016 – 67 S 217/15 –
Aus den Gründen:
… Die Entlüftungsanlage ist nicht (nach § 555 b Nr. 1 BGB) zu dulden. Der Einzelrichter hat in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass die möglichen Vorteile einer solchen Anlage (insbesondere bessere Ausnutzung der Heizenergie) jedenfalls dann wegen gleichzeitig eintretender Nachteile als aufgehoben anzusehen wären, wenn durch den Einbau der Charakter der Wohnung als Altbau verloren ginge. Der Einzelrichter hat der Klägerin dazu aufgebeben, die Angaben zur Anlage, insbesondere zu einer evt. tieferen Decke , zum Verlauf des Stucks und zu den Fensteröffnungen zu konkretisieren. Dem ist die Klägerin nicht nachgekommen. Der Einzelrichter kann so nicht davon ausgehen, dass die Beeinträchtigungen durch die Entlüftungsanlage unerheblich wären. …
Urteil des LG Berlin vom 15.2.2016 – 67 S 193/15 –
Aus den Entscheidungsgründen:
… Bei der von der Klägerin angekündigten Modernisierungsmaßnahme des Einbaus einer zentral geregelten Wohnraumlüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung mag es sich ebenfalls um eine grundsätzlich zu duldende energetische Modernisierung im Sinne des § 555 b Abs. 1 Ziff. 1 oder Ziff. 2 BGB handeln, da durch die zentral geregelte Lüftung und die Wärmerückgewinnung Energie und Primärenergie eingespart werden könnten, da das energetisch ungünstige Öffnen der Fenster entfiele.
Der Beklagte hat diese Modernisierungsmaßnahme aber nicht zu dulden, weil mit ihr eine wesentliche Beeinträchtigung seines Wohngebrauchs einherginge, die die möglichen Vorteile der Modernisierung überwiegen. Die Parteien haben einen Vertrag über Wohnraum geschlossen, der ein bestimmtes Gepräge aufweist. Im gegenständlichen Verfahren handelt es ich um eine Altbauwohnung mit hohen Decken, wobei der hintere Wohnraum eine oberhalb der Fenster verlaufende Stuckbordüre und der vordere Wohnraum eine Stuck-Deckenrosette aufweisen. Das Gepräge der Wohnung als Altbauwohnung ist ebenfalls wesentlich bestimmt durch Proportionen, die sich aufgrund der Fenstergröße und ihrer Gestaltung und der Entfernung der Fensteroberkante zur Zimmerdecke ergeben. Dieses Gepräge der Altbauwohnung mit hohen Decken und großzügigem Abstand von der Oberkante der Fenster zur Stuckverzierung und zur Decke ginge durch die Abhängung der Decken verloren. Denn zum einen würde die Decke in beiden Zimmern und im Flur um etwa 20 cm abgehängt und damit die Proportion der Fenster zur Raumhöhe negativ verändert, was für sich schon eine Beeinträchtigung darstellt. Zum anderen befindet sich die Stuckrosette im hinteren Zimmer lediglich 7 cm oberhalb der Fensteroberkante, so dass die Stuckrosette bei Abhängung der Decke um 20 cm entweder gänzlich entfernt oder so weit nach unten verschoben werden müsste, dass sie nicht mehr oberhalb, sondern auf Höhe der Fenster verläuft und von diesen unterbrochen wird. Dies stellt keine übliche Anbringung einer Stuckbordüre in einem Altbau dar, so dass der Altbaucharakter der Wohnung insgesamt – auch unter Berücksichtigung der dargestellten Veränderung der Proportionen – verloren ginge. Das Gericht schließt sich auch der Einschätzung der Klägerin, eine höhere Raumhöhe sei für den Beklagten gar nicht erforderlich, ausdrücklich nicht an, da Gepräge und Nutzbarkeit einer Wohnung unter anderem auch von ästhetischen Parametern bestimmt werden. …
03.01.2018