Leitsatz:
Will der Vermieter das Mietverhältnis kündigen, weil der Mieter die Wohnung gewerblich über ein Internetportal („airbnb“) Touristen anlässlich ihres Berlinaufenthaltes zur Vermietung anbietet, muss er den Mieter vor Ausspruch der Kündigung erfolglos abgemahnt haben.
LG Berlin vom 27.7.2016 – 67 S 154/16 –
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Die Mieter hatten die Wohnung dreimal an Touristen vermietet. Sie hatten die Wohnung über das Internetportal Airbnb zur kurzzeitigen Vermietung angeboten. Am 25.8.2015 kündigte der Vermieter das Mietverhältnis deswegen fristlos, hilfsweise ordentlich. Am 27.8.2015 löschten die Mieter ihr Airbnb-Profil. Vor dem Landgericht scheiterte der Vermieter mit seiner Räumungsklage.
Denn weder die fristlose noch die ordentliche Kündigung hätten das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis wirksam beendet. Richtig sei, dass die unstreitig in drei Fällen erfolgte unerlaubte Gebrauchsüberlassung an Dritte nach § 543 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Alt. 2 BGB einen „wichtigen Grund“ darstelle. Allerdings habe der Vermieter die Mieter nicht nach § 543 Abs. 3 Satz 1 BGB vor Ausspruch der Kündigung abgemahnt, obwohl dies erforderlich war.
Eine Ausnahme nach § 543 Abs. 3 Satz 2 BGB sei im vorliegenden Fall nicht gegeben. Es könne nicht angenommen werden, dass eine Abmahnung nicht erfolgversprechend gewesen wäre. Die Mieter hätten ihr Airbnb-Nutzerprofil unmittelbar nach der Kündigung gelöscht. Dass sie dies nicht auch schon infolge einer Abmahnung gemacht hätten, sei nicht ersichtlich.
Es lägen auch keine besonderen Gründe vor, die eine Abmahnung entbehrlich gemacht hätten. Hierfür müssten über die unberechtigte Gebrauchsüberlassung hinaus weitere Umstände hinzutreten, die den Vertragsverstoß als besonders schwerwiegend erscheinen lassen. Dies sei nicht der Fall.
Selbst wenn sich die Drittüberlassungen auf den gesamten Wohnraum erstreckt haben sollte, werde hierdurch allein das Merkmal der unberechtigten Gebrauchsüberlassung erfüllt. Dass hierdurch zugleich gegen das Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZwVbG) verstoßen wurde, unterstreiche zwar die fehlende Berechtigung dieser Überlassung, stelle aber keinen darüber hinaus gehenden Umstand dar, zumal das ZwVbG nach dessen § 1 Abs. 1 allein dem Interesse der Öffentlichkeit an der angemessenen Versorgung der Bevölkerung mit ausreichendem Wohnraum zu dienen bestimmt sei, nicht jedoch zu einer Verletzung individueller Vermieterinteressen führe.
Was die ordentliche Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB anbelange, stelle die ungenehmigte Untervermietung der Mieter an Touristen über „airbnb“ zwar eine Pflichtverletzung dar. Diese Pflichtverletzung sei auch schuldhaft gewesen. Jedoch mangele es vorliegend aufgrund der unterlassenen Abmahnung an einer hinreichenden Erheblichkeit der Pflichtverletzung:
Zwar sei die vorherige Abmahnung keine Formalvoraussetzung für die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung; der Abmahnung könne jedoch für die Kündigung ausnahmsweise insofern Bedeutung zukommen, als erst ihre Missachtung durch den Mieter dessen Vertragsverletzung das für die Kündigung erforderliche Gewicht verleihe. So liege der Fall hier. Denn die vollständige oder teilweise Überlassung gemieteten Wohnraums an Touristen ohne Erlaubnis des Vermieters stelle zwar eine – vornehmlich in Metropolen – nicht seltene Erscheinung dar; ihre Vertragswidrigkeit und grundsätzliche Steuerpflichtigkeit sei den Mietern – bereits ausweislich der Häufigkeit und des Umfangs der erfolgenden Gebrauchsüberlassungen – aber häufig nicht hinreichend bewusst. Davon ausgehend komme einer ungenehmigten Drittüberlassung des Wohnraums im streitgegenständlichen Kontext zumindest derzeit erst durch die Missachtung einer vorherigen Abmahnung das erforderliche Gewicht zu.
In dem vom Gericht zu beurteilenden Einzelfall trete hinzu, dass für die Bewertung der streitgegenständlichen Kündigungen lediglich drei Gebrauchsüberlassungen zugrunde zu legen waren, die ausweislich der eingereichten Nutzerbewertungen im längsten Fall eine Woche betrugen. Es sei weder ersichtlich, dass die Vermietungen besondere Abnutzungserscheinungen in der streitgegenständlichen Wohnung verursacht hätten, noch dass sich die Mieter der ausdrücklichen – mietvertraglichen – Äußerung eines entgegenstehenden Willens des Vermieters widersetzt hätte.
Urteilstext
Gründe:
I.
Die nach § 511 Abs. 2 S. Nr. 1 ZPO zulässige Berufung ist gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen, da sie offensichtlich unbegründet ist und auch die sonstigen Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO vorliegen.
Das Amtsgericht hat die Klage zutreffend abgewiesen. Die Beklagten sind nicht nach §§ 985, 546 Abs. 1 BGB verpflichtet, die streitgegenständliche Wohnung an die Klägerin herauszugeben. Denn weder die fristlose noch die ordentliche Kündigung, welche die Klägerin in dem Schreiben vom 21.08.2015 ausgesprochen hat, vermochten das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis wirksam zu beenden.
Der Klägerin ist zuzugeben, dass die – unstreitig in drei Fällen erfolgte – unerlaubte Gebrauchsüberlassung an Dritte nach § 543 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Alt. 2 BGB einen „wichtigen Grund“ begründet. Allerdings hat die Klägerin die Beklagten nicht nach § 543 Abs. 3 Abs. 3 Satz 1 BGB vor Ausspruch der Kündigung abgemahnt, obwohl dies erforderlich war; eine Ausnahme nach § 543 Abs. 3 Satz 2 BGB ist im vorliegenden Fall nicht gegeben.
Nach § 543 Abs. 3 Satz 2 BGB kann der Vermieter vor Ausspruch einer verhaltensbedingten fristlosen Kündigung nur dann von einer Abmahnung abgesehen, wenn diese entweder offensichtlich keinen Erfolg verspricht (Nr. 1) oder aber besondere Gründe unter Abwägung der beiderseitigen Interessen hierfür streiten (Nr. 2). So liegt der Fall indes hier nicht.
Zunächst kann keine Entbehrlichkeit nach § 543 Abs. 3 Satz Nr. 1 BGB angenommen werden. Denn die Beklagten haben spätestens am 27.08.2015 – unmittelbar nach Erhalt der Kündigung am 25.08.2015 – ihr Nutzerprofil auf „airbnb“ gelöscht. Dass ein derartiges Verhalten nicht auch schon infolge einer Abmahnung erfolgt wäre, ist weder ersichtlich noch vorgetragen. Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass die Klägerin eine Buchungsabfrage für den Zeitraum 11.09.2015 bis 14.09.2015 gestellt hat. Denn nach deren eigenem Vorbringen erfolgte diese Anfrage bereits im Juni/Juli 2015 und somit vor der erklärten Kündigung. Dies hat das Amtsgericht zutreffend erkannt.
Im Übrigen liegt auch eine Entbehrlichkeit nach § 543 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BGB nicht vor. Wie die Kammer bereits in anderer Sache entschieden hat, ist eine solche Ausnahme insbesondere dann anzunehmen, wenn über die unberechtigte Gebrauchsüberlassung hinaus weitere Umstände hinzutreten, die den Vertragsverstoß als besonders schwerwiegend erscheinen lassen (vgl. Kammer, Beschl. v. 18.11.2014 – 67 S 360/14, juris Tz. 4 = NZM 2015, 248; Blank in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl. 2015, § 543 Rn. 77). Ein solcher Umstand kann vor allem die fortgesetzte unberechtigte Untervermietung trotz eines bereits laufenden Räumungsverfahrens sein (vgl. Kammer, a.a.O. Tz 5). Vorliegend sind derartige Umstände allerdings nicht ersichtlich.
Selbst wenn sich die Drittüberlassungen auf den gesamten Wohnraum erstreckt haben sollten, wird hierdurch allein das Merkmal der unberechtigten Gebrauchsüberlassung erfüllt. Dass hierdurch zugleich gegen das Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZwVbG) verstoßen wurde, unterstreicht zwar die fehlende Berechtigung dieser Überlassung, stellt aber keinen darüber hinausgehenden Umstand dar, zumal das ZwVbG nach dessen § 1 Abs. 1 allein dem Interesse der Öffentlichkeit an der angemessenen Versorgung der Bevölkerung mit ausreichendem Wohnraum zu dienen bestimmt ist, nicht jedoch zu einer Verletzung individueller Vermieterinteressen führt.
Was § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB anbelangt, so stellt die ungenehmigte Untervermietung der Beklagten zu 1) an Touristen über „airbnb“ zwar eine Pflichtverletzung dar (vgl. BGH, Urt. v. 08.01.2014 – VIII ZR 210/13, juris Tz. 11 = NJW 2014, 622; Kammer, Beschl. v. 03. Februar 2015 – 67 T 29/15, juris Tz. 7 = ZMR 2015, 303). Diese Pflichtverletzung war auch schuldhaft. Jedoch mangelt es vorliegend aufgrund der unterlassenen Abmahnung an einer hinreichenden Erheblichkeit der Pflichtverletzung:
Zwar ist die vorherige Abmahnung keine Formalvoraussetzung für die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung (vgl. BGH, Urt. v. 28. November 2007 – VIII ZR 145/07, juris Tz. 28=NJW 2008, 508); der Abmahnung kann jedoch für die Kündigung ausnahmsweise insofern Bedeutung zukommen, als erst ihre Missachtung durch den Mieter dessen Vertragsverletzung das für die Kündigung erforderliche Gewicht verleiht (vgl. BGH, a.a.O.). So liegt der Fall hier. Denn die vollständige oder teilweise Überlassung gemieteten Wohnraums an Touristen ohne Erlaubnis des Vermieters stellt zwar eine – vornehmlich in Metropolen – nicht seltene Erscheinung dar; ihre Vertragswidrigkeit und grundsätzliche Steuerpflichtigkeit ist den Mietern – bereits ausweislich der Häufigkeit und des Umfangs der erfolgenden Gebrauchsüberlassungen – aber häufig nicht hinreichend bewusst. Davon ausgehend kommt einer ungenehmigten Drittüberlassung des Wohnraums im streitgegenständlichen Kontext zumindest derzeit erst durch die Missachtung einer vorherigen Abmahnung das erforderliche Gewicht zu.
In dem von der Kammer zu beurteilenden Einzelfall tritt hinzu, dass für die Bewertung der streitgegenständlichen Kündigungen lediglich drei Gebrauchsüberlassungen zu Grunde zu legen waren, die ausweislich der eingereichten Nutzerbewertungen im längsten Fall eine Woche betrugen. Es ist weder ersichtlich, dass die Vermietung besondere Abnutzungserscheinungen in der streitgegenständlichen Wohnung verursacht haben, noch dass sich die Beklagte zu 1) der ausdrücklichen – mietvertraglichen – Äußerung eines entgegenstehen Willens der Klägerin widersetzt hätte. Nur diese Ausnahmefälle wären geeignet gewesen, der Pflichtverletzung der Beklagten zu 1) aufgrund ihrer Schwere und Dauer auch ohne den vorherigen Ausspruch einer Abmahnung das für die Beendigung des Mietverhältnisses – auch nach den §§ 543 Abs. 1 und 573 Abs. 1 BGB – erforderliche hinreichend erhebliche Gewicht beizumessen.
II.
Die Kläger erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 12.08.2016, auch zur Frage, ob die Berufung vor dem Hintergrund des erteilten Hinweises zurückgenommen wird. Auf die damit verbundene Kostenreduzierung gemäß Nr. 1222 KV weist die Kammer vorsorglich hin.
Hinweis: Das Berufungsverfahren hat sich durch Rücknahme der Berufung erledigt.
09.07.2017