Leitsatz:
Auch bei einer mehrjährigen Nutzung eines Teiles des Gartengrundstücks der Wohnanlage durch den Mieter ist ohne weiteres kein Nutzungsverhältnis entstanden, das auf einer stillschweigenden Genehmigung mit Bindungswillen beruht. Eine etwaige Gestattung der Nutzung ist deshalb vom Vermieter frei widerruflich.
Kammergericht, Urteil vom 14.12.06 – 8 U 83/06 –
Mitgeteilt von RAen Christoph Müller & Ernst Warner
Urteilstext
Aus den Gründen:
„Die Berufung des Klägers ist begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagten gemäß § 985 BGB einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der im Tenor näher bezeichneten Fläche.
Die Beklagten haben kein Recht zum Besitz an der streitgegenständlichen Fläche, dessen Eigentümer der Kläger ist. Die Fläche ist nicht von der zwischen der Beklagten zu 1) und dem Kläger gemäß § 535 BGB geschlossenen mietvertraglichen Vereinbarung umfasst. Nach dem Vortrag der Beklagten kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass zwischen den Parteien ein Leihvertrag gemäß § 598 BGB zustande gekommen ist. Ein derartiger Vertrag setzte einen vertraglichen Bindungswillen seitens des Klägers voraus.
Nach dem Vortrag der Beklagten soll die Hausverwaltung die Nutzung der Fläche durch die Beklagten „gestattet“ haben. Zu den Einzelheiten dieser „Gestattung“ haben die Beklagten nichts vorgetragen. Es bestehen daher auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die behauptete „Gestattung“ von einem rechtlichen Bindungswillen getragen war.
Eine etwaige Gestattung der Nutzung hat der Kläger ausdrücklich – zuletzt mit Schreiben vom 17. Oktober 2005 – widerrufen. Hierzu war er auch berechtigt. Fehlt es – wie hier – an einer vertraglichen Regelung der Nutzung einer Fläche, so ist die Gestattung – egal ob diese ausdrücklich oder stillschweigend durch bloße Duldung erteilt worden ist – frei widerruflich (Kinne/Schach/Bieber, Miet- und Mietprozessrecht, 4. Auflage, §535, Rdnr. 26; Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Auflage, III B, Rdnr. 1225; LG Wuppertal, WuM 1996, 267). Dem Widerruf der Gestattung steht § 242 BGB nicht entgegen. Zum einen hat der Kläger, nachdem er die entsprechende Mieterbefragung abgeschlossen hat, einen die streitgegenständliche Fläche betreffenden Umgestaltungsplan zu den Akten gereicht. Dieser Umgestaltungsplan, der eine Nutzung durch alle Mieter vorsieht, ist nur durchsetzbar, wenn die Beklagten die streitgegenständliche Fläche räumen und an den Kläger herausgeben. Da der Kläger nachvollziehbar dargelegt hat, dass ihm die Vorlage eines Umgestaltungsplanes erst in der Berufungsinstanz möglich war, ist er mit diesem Vortrag nicht gemäß § 531 ZPO ausgeschlossen.
Das Interesse des Klägers, die Hoffläche allen Mietern zur Verfügung zu stellen, hat vor dem Alleinnutzungsinteresse der Beklagten Vorrang. Dem Einwand der Beklagten, der Vortrag des Klägers sei unsubstanziiert, weil er keinen Umgestaltungsauftrag vorgelegt habe, steht entgegen, dass der Kläger aufgrund des derzeitigen Verhaltens der Beklagten gehindert ist, einen derartigen Auftrag zu erteilen. Zum anderen steht dem Einwand des § 242 BGB entgegen, dass die Beklagten in dem Rechtsstreit 5 C 14/04 beim Amtsgericht Tiergarten, der die Räumung und Herausgabe der identischen Fläche zum Gegenstand hatte, erklärt haben, dass sie sich darüber im Klaren seien, dass sie nicht das alleinige Nutzungsrecht an der streitigen Fläche hätten und dass auch andere Mieter diese Fläche nutzen könnten. Die Parteien haben daraufhin den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. Gleichwohl haben die Beklagten die Nutzung der streitgegenständlichen Fläche in der bisherigen Form fortgesetzt. Allein schon die eingrenzende Gestaltung der Fläche durch die Beklagten dokumentiert aber den die anderen Mieter ausgrenzenden Alleinnutzungswillen der Beklagten. …“
23.02.2013