Leitsatz:
Ein Mieter kann in der Regel nicht die Zustimmung des Vermieters zur Errichtung einer Box auf dem Hof mit den Maßen 110 cm x 133 cm x 148 cm verlangen, um hier seinen Kinderwagen und zugleich Fahrradanhänger unterbringen zu können.
AG Tempelhof-Kreuzberg vom 11.12.2017 – 13 C 61/17 –
Mitgeteilt von RAin Andrea Klette
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Die praktischen Fahrradanhänger, die man abgekoppelt auch als Kinderwagen benutzen kann, sind begehrte Objekte von Langfingern. Unser Mieter wollte daher seinen Anhänger gesichert wissen und ein als Fahrradbox bezeichnete „Garage“ auf dem Innenhof des Hauses aufstellen. Der Vermieter lehnte dieses Ansinnen ab und bot stattdessen eine Abstellmöglichkeit in einem Gemeinschaftskeller des Hauses an, welcher allerdings nur über einige Stufen zu erreichen war. Die auf Genehmigung der Fahrradbox vom Mieter erhobene Klage wies das Amtsgericht ab.
Es begründete wie folgt: Es komme bei einer Entscheidung über die begehrte Nutzung der Gemeinschaftsflächen durch einen Mieter auf eine Abwägung der Interessen des Mieters, des Eigentümers und der Belange der übrigen Mieter an. Gemäß § 535 Abs. 1 BGB habe der Vermieter dem Mieter den vertragsgemäßen Gebrauch an der Mietsache zu überlassen. Dies umfasse über die Nutzung der Mietsache selbst auch die übliche Nutzung von Gemeinschaftsflächen, sofern dadurch nicht die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers beziehungsweise des Vermieters und die Belange anderer Mieter, die ebenfalls ein Interesse an der Nutzung der Gemeinschaftsflächen hätten, unangemessen beeinträchtigt würden. Einen generellen Anspruch auf die beliebige Nutzung von Gemeinschaftsflächen habe der Mieter allerdings nicht. Ein solcher Anspruch müsse den konkreten Umständen des Einzelfalls nach begründet sein. Vermiete ein Eigentümer Wohnungen oder Geschäftsräume in seinem Haus, erstrecke sich das Recht des Mieters zur Benutzung der gemieteten Räume auf das Recht zur Mitbenutzung der Gemeinschaftsflächen des Gebäudes. Seien keine besonderen Vereinbarungen getroffen, umfasse es die übliche Benutzung und decke alle mit dem Wohnen und der Benutzung von Geschäftsräumen typischerweise verbundenen Umstände.
Ein Mieter sei daher berechtigt, einen Kinderwagen, Rollstuhl oder einen Fahrradanhänger im Innenhof abzustellen, wenn er hierauf angewiesen sei und die Größe des Innenhofs und die übrige Nutzung des Innenhofs das Abstellen dort zulasse. Das Recht des Mieters zur Benutzung seiner Wohnung hindere den Vermieter daran, dem Mieter die Nutzung der Gemeinschaftsflächen unter Berufung auf sein Eigentum zu untersagen, solange von dem Abstellen beziehungsweise der Nutzung keine Belästigungen oder Gefährdungen ausgehen.
Aufseiten des Mieters seien die Möglichkeiten einer alternativen Unterbringung, zum Beispiel in der Mietwohnung, und der damit verbundene Aufwand zu berücksichtigen. Ein in seiner Mobilität eingeschränkter Mieter könne etwa ein größeres Interesse an der Unterbringung eines Rollstuhls oder Rollators im Hausflur geltend machen als ein Mieter, der sein Fahrrad gerne sicher, trocken und ebenerdig im Hausflur parken möchte.
Aufseiten des Vermieters und Eigentümers seien das Interesse an der praktischen Nutzbarkeit der Gemeinschaftsflächen, Sicherheitsinteressen sowie das Interesse an einer optisch ansprechenden Gestaltung der Gemeinschaftsfläche zu berücksichtigen. Würde zum Beispiel der Hausflur oder der Hof durch die begehrte Nutzung eines Mieters unzumutbar verstellt werden, so dass andere Mieter beziehungsweise der Eigentümer von der Nutzung der Gemeinschaftsflächen ausgeschlossen beziehungsweise in der Nutzung nicht nur unerheblich beeinträchtigt würden, so wiege dies zu Lasten des einzelnen Mieters in der lnteressenabwägung.
Für eine interessengerechte Entscheidung ist auch zu berücksichtigen, ob der Vermieter alternative Möglichkeiten zur Unterbringung (zum Beispiel in einem Fahrradkeller) bereithalte oder ob nicht eine Unterbringung in der Mietsache selbst zumutbar sei und ob diese etwa leicht zugänglich sei (zum Beispiel über einen Fahrstuhl).
Überwögen die Interessen des Vermieters und die Belange der anderen Mieter, so könne der Vermieter die begehrte Nutzung der Gemeinschaftsflächen zu Recht verweigern. Im Ergebnis könne es Fälle geben, in denen es aufgrund der Beschaffenheit der Gemeinschaftsflächen und der allseitigen Interessen nicht möglich sei, dass dem Mieter überhaupt ein Anspruch darauf zustehe, die Sache – zum Beispiel aufgrund ihrer Größe – überhaupt irgendwo auf den Gemeinschaftsflächen (außerhalb der eigenen Wohnung) unterzubringen.
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe für die Nutzung der Gemeinschaftsflächen sei mietvertraglich die Gebrauchsgewährung des Innenhofs mit dem Inhalt, eine Fahrradanhängerbox aufstellen zu dürfen, nicht geschuldet. Das Begehren des Mieters gehe weit über die zu duldende übliche Nutzung von Gemeinschaftsflächen hinaus. Der Mieter begehre hier nicht bloß das Abstellen seines Fahrradanhängers, sondern er verlange hier die Zustimmung des Vermieters zur Errichtung einer Box auf dem Hof mit den Maßen 110 cm x 133 cm x 148 cm, um hier seinen Kinderwagen und zugleich Fahrradanhänger unterbringen zu können.
Zwar sei aufseiten des Mieters zu berücksichtigen, dass er sein Kind mit dem Kinderwagen und zugleich Fahrradanhänger nicht nur zu Fuß, sondern auch mit dem Fahrrad gut transportieren könne und dass er seinen Fahrradanhänger vor Witterung (Feuchtigkeit) und Diebstahl geschützt unterbringen wolle. Auch sei nachvollziehbar, dass das Unterbringen eines 14 Kilogramm schweren Anhängers in der Wohnung eine besondere praktische Hürde darstelle.
Aufseiten des Vermieters überwögen aber die Interessen, dass der Mieter durch das Aufstellen der Box einen nicht unerheblichen Teil der Gemeinschaftsflächen exklusiv für sich in Beschlag nehmen würde. Für andere Mieter und den Eigentümer wäre die entsprechende Fläche nicht mehr nutzbar. Hier falle zudem besonders ins Gewicht, dass der Innenhof dem Publikumsverkehr zugänglich sei und dass es deshalb ein gesteigertes Interesse an der attraktiven Gestaltung des lnnenhofes gebe. Schließlich habe der Vermieter dem Mieter alternative Möglichkeiten der Unterbringung angeboten, die vielleicht nicht genauso angenehm wie eine eigene Box seien, die aber allemal zumutbar seien.
06.06.2018