Leitsatz:
Wird der Mieter wegen unpünktlicher Mietzahlungen abgemahnt und zahlt er danach noch einmal verspätet, berechtigt dieses Verhalten den Vermieter nicht in jedem Falle zur Kündigung.
LG Berlin vom 16.9.2014 – 63 S 322/13 –
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Die Frage der Berechtigung einer Kündigung in Fällen unpünktlicher Mietzahlung nach Abmahnung kann nicht schematisch beantwortet werden. Vielmehr kommt es immer auf den Einzelfall an. Hier hatten die Mieter die Mieten für Januar bis März 2012 unpünktlich gezahlt. Daraufhin sprach die Vermieterin eine Abmahnung aus. Als Gründe für die unpünktlichen Zahlungen führten die Mieter den Verlust des Arbeitsplatzes einer Mieterin sowie den Tod von deren Vater an.
Nachdem die Mieter die Miete für Oktober 2012 bis zum 18.10.2012 nicht gezahlt hatten, kündigte die Vermieterin das Mietverhältnis wegen wiederholter unpünktlicher Zahlung fristlos, hilfsweise ordentlich. Die erneute unpünktliche Zahlung begründeten die Mieter damit, dass die intern für die Mietzahlung verantwortliche Mieterin in eine Depression geraten sei und sie es deshalb versäumt habe, rechtzeitig zu zahlen.
Das Landgericht sah in dem pflichtwidrigen Verhalten der Mieter lediglich ein Verschulden im unteren Bereich. Außerdem sei zugunsten der Mieter die lange Dauer des Mietverhältnisses seit 1978 zu berücksichtigen. Auch angesichts dessen sei nicht anzunehmen, dass das Vertrauen der Vermieterin in eine vertragsgemäße Zahlungsmoral nachhaltig erschüttert und eine ordnungsgemäße Erfüllung ihrer Zahlungsverpflichtungen durch die Mieter in Zukunft nicht zu erwarten sei. Die den Mietern zur Last fallende Vertragsverletzung sei unter Berücksichtigung aller Umstände danach nicht so erheblich, dass als Folge eine Beendigung des Mietverhältnisses gerechtfertigt sei, und zwar weder durch eine fristlose noch durch ein ordentliche Kündigung.
Urteilstext
Gründe
I.
Die Klägerin verlangt Räumung und Herausgabe der von den Beklagten innegehaltenen Wohnung aufgrund der Kündigung wegen unpünktlicher Mietzahlungen vom 18. Oktober 2012, weil die Beklagten die Miete für Oktober 2012 bis zum 18. Oktober 2012 nicht gezahlt hätten, obgleich sie mit Schreiben vom 15. März 2012 wegen der unpünktlichen Zahlungen der Mieten für Januar bis März 2012 abgemahnt worden seien.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Zwar könne auch in der einmaligen verspäteten Zahlung einer Miete nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine kündigungsrelevanter Vertragsverletzung liegen. Angesichts der Dauer des Mietverhältnisses von 35 Jahren genüge dies vorliegend nicht. Besondere Gründe, weshalb die Klägerin auf die pünktliche Zahlung angewiesen sei, seien nicht dargetan.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin.
Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagten zu verurteilen, die von ihnen innegehaltenen Wohnung …, 10… Berlin, Vorderhaus, 2. OG links, bestehend aus drei Zimmern, Küche, Diele, Bad und Balkon zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben.
Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil sowie die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
Die Beklagten sind nicht gemäß § 546 BGB zur Räumung und Herausgabe der von ihnen innegehaltenen Wohnung verpflichtet. Das Mietverhältnis zwischen der Klägerin und den Beklagten zu 1. und 2. ist nicht beendet. Die Kündigung der Klägerin vom 18. Oktober 2012 ist nicht begründet. Das Zahlungsverhalten der Beklagten rechtfertigt weder nach § 543 Abs. 1 BGB eine fristlose Kündigung noch gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB eine ordentliche Kündigung.
Die von den Beklagten geschuldete Miete war jeweils zum dritten Werktag des jeweiligen Monats fällig. Die bei Abschluss des Mietvertrags im Jahr 1978 geltende Fälligkeitsregelung in § 551 BGB a.F. zum Monatsende ist wirksam durch die Vorauszahlungsklausel in Ziff. 3 (1) der AVB ersetzt worden. Die Regelung ist wirksam, weil sie nicht mit einer unzulässigen Einschränkung der Aufrechnung in Ziff. 3 (3) der AVB zusammentrifft. Die bloße Verzögerung der Aufrechnung infolge einer erforderlichen Anzeige einen Monat zuvor, ist insoweit unschädlich (BGH, Urteil vom 4. Mai 2011 – VIII ZR 191/10, GE 2011, 947 sowie Urteil vom 4. Februar 2009 – VIII ZR 66/08, GE 2009, 577).
Das Amtsgericht hat unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 11. Januar 2006 – VIII ZR 364/04, GE 2006, 508) zutreffend ausgeführt, dass nach einer vorangegangenen Abmahnung wegen ständiger unpünktlicher Mietzahlungen auch bereits eine weitere verzögerte Zahlung eine Kündigung rechtfertigen könne. Es verbietet sich aber eine schematische Betrachtung, vielmehr ist, wie auch vom Amtsgericht zutreffend dargelegt, auf den jeweiligen Einzelfall abzustellen. Die Kammer schließt sich diesen Ausführungen an.
Die der Abmahnung zugrunde liegenden Verzögerungen für Januar bis März 2012 lassen bereits nicht ohne weiteres ein nachhaltiges vertragswidriges Verhalten der Beklagten erkennen. Es handelt sich vielmehr um eine kurzzeitige Störung. Die Gründe hierfür sind von den Beklagten mit dem Verlust des Arbeitsplatzes der Beklagten zu 2. und dem Tod ihres Vaters erklärt worden. Auch wenn dies keine zwingenden Gründe für die Verzögerungen sind, lassen sie die Vertragsverletzungen weniger gravierend erscheinen. Das gilt auch für die Umstände für die weitere einmalige Verzögerung im Oktober 2012. Die Beklagte zu 2., die im Innenverhältnis für die Zahlung der Miete verantwortlich war, ist in eine Depression geraten, aufgrund derer sie die Zahlung der Miete für Oktober 2012 versäumt hat. Dies ist von ihr nicht zu vertreten. Zwar war neben ihr auch der Beklagte zu 1. als weiterer Vertragspartner zur Erfüllung verpflichtet. Indes ist auch ihm zugute zu halten, dass er von der geänderten Situation betreffend die Beklagte zu 2. betroffen war und nicht in erster Linie daran gedacht hat, sofort seinerseits die Zahlung der Miete zu veranlassen. Auch ein darin liegendes Verschulden ist im unteren Bereich einzuordnen. Zugunsten der Beklagten ist ferner die Dauer des Mietverhältnisses seit 1978 zu berücksichtigen. Nach allem ist danach auch angesichts der Dauer des Mietverhältnisses nicht die Annahme gerechtfertigt, dass das Vertrauen der Klägerin in eine vertragsgemäße Zahlungsmoral nachhaltig erschüttert ist und eine ordnungsgemäße Erfüllung ihrer Zahlungsverpflichtungen in Zukunft durch die Beklagten nicht zu erwarten ist. Die den Beklagten zur Last fallende Vertragsverletzung ist unter Berücksichtigung aller Umstände danach nicht so erheblich, dass als Folge eine Beendigung des Mietverhältnisses gerechtfertigt ist, und zwar weder durch eine fristlose noch durch ein ordentliche Kündigung. Die Kammer nimmt insoweit ergänzend auf die ausführlichen Abwägungen im angefochtenen Urteil Bezug und tritt diesen ebenfalls bei.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
30.06.2017