Leitsatz:
Eine im Anschluss an eine Modernisierung unter Zugrundelegung des modernisierten Zustandes vorgenommene Mieterhöhung gemäß § 558 BGB hat keine Sperrwirkung im Hinblick auf eine nachfolgende Erhöhungserklärung gemäß 559 BGB, insoweit beide Erhöhungen zusammengenommen das maximale Maß der Erhöhungsmöglichkeit nach § 559 BGB nicht überschreiten.
LG Berlin vom 13.11.2018 – 63 S 128/18 –
Mitgeteilt von RA Nikolaus Krehnke
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Das Amtsgericht hatte noch entschieden, dass nach einer Erhöhung der Miete nach § 558 BGB auf die ortsübliche Vergleichsmiete unter Zugrundelegung des modernisierten Standards eine weitere Erhöhung nach § 559 BGB ausgeschlossen sei, da der Umstand der Modernisierung bereits berücksichtigt worden sei.
Das Landgericht sah die Rechtslage anders. Ein Vermieter habe nach einer Modernisierungsmaßnahme verschiedene Möglichkeiten, diese zum Gegenstand einer Mieterhöhung zu machen. Er könne ausschließlich nach § 559 BGB vorgehen, also 8 Prozent der anrechenbaren Kosten zum Ge-genstand einer Mieterhöhung machen. Er könne aber auch ausschließlich nach § 558 BGB vorgehen und vom Mieter die Zustimmung zur neuen ortsüblichen Vergleichsmiete für modernisierten Wohnraum verlangen. Möglich sei auch die Kombination dieser Verfahren. Wähle der Vermieter diesen Weg, dürfe es aber nicht zu einer kumulativen Mieterhöhung kommen, bei der die Modernisierung doppelt, nämlich sowohl bei § 558 BGB als auch bei § 559 BGB berücksichtigt werde.
Bei der Kombination der beiden Mieterhöhungsmöglichkeiten könne der Vermieter wiederum zwischen folgenden Wegen wählen: Zum einen werde ihm die Möglichkeit eröffnet, diese Mietzinsanhebung in dem Umlageverfahren nach § 559 BGB, das eine Zustimmung des Mieters zur Erhöhung selbst nicht erfordert, geltend zu machen. Falls die Vergleichsmiete in dem gemäß § 558 BGB relevanten Zeitraum gestiegen sei, könne der Vermieter daneben in einem gesonderten Verfahren Zustimmung des Mieters zur Mietzinserhöhung auf der Basis für vergleichbaren nicht modernisierten Wohnraum verlangen.
Zum anderen könne er ausschließlich nach § 558 BGB vorgehen und die Modernisierung dergestalt in das Zustimmungsverfahren einbeziehen, dass er die Anhebung der Miete auf die Vergleichsmiete nach dem Standard der durch die Modernisierung verbesserten Wohnung verlangt.
Darüber hinaus komme weiterhin eine Erhöhung nach § 558 BGB unter Berücksichtigung des modernisierten Standards und eine anschließende Modernisierungserhöhung nach § 559 BGB in Betracht, solange insgesamt derjenige Erhöhungsbetrag nicht überschritten wird, der gälte, wenn der Vermieter eine Erhöhung allein nach § 559 BGB vorgenommen hätte.
Im zu entscheidenden Fall war zunächst eine Mieterhöhung nach § 558 BGB in Höhe von 37,32 Euro auf Grundlage des neuen modernisierten Zustands wirksam geworden. Sodann erfolgte die für sich genommen wirksame Mieterhöhung nach § 559 BGB in Höhe von 116,53 Euro, über die das Landgericht zu befinden hatte. Gemäß den obigen Ausführungen erklärte das Landgericht diese Mieterhöhung aber nur zum Teil für wirksam, nämlich in Höhe von 79,21 Euro.
Bei dem Betrag von 79,21 Euro handelte es sich um die Differenz zwischen der bei isolierter Betrachtung möglichen Erhöhung nach § 559 BGB in Höhe von 116,53 Euro und der vorangegangenen Mieterhöhung gemäß § 558 BGB um 37,32 Euro. Der Mieter ist danach wirtschaftlich so gestellt, als wäre lediglich eine Erhöhung gemäß § 559 BGB erklärt worden. Eine doppelte Berücksichtigung der Modernisierung zu seinen Lasten fand nicht statt.
Im Übrigen seien aus dem Umstand eines Mieterhöhungsverlangens gemäß § 558 BGB nach vorangegangenem Streit über die Modernisierung keine ausreichenden Anhaltspunkte für einen Verzicht auf eine weitere zulässige Erhöhung nach § 559 BGB zu folgern.
Das Landgericht hat die Revision zum BGH zugelassen, weil die Frage obergerichtlich noch nicht entschieden worden sei und ihr eine grundsätzliche Bedeutung für eine Vielzahl von Mietverhältnissen zukomme.
Urteilstext
Zum Verfahren:
Das Amtsgericht hatte entschieden, dass nach einer Erhöhung der Miete nach § 558 BGB auf die ortsübliche Vergleichsmiete unter Zugrundelegung des modernisierten Standards eine weitere Erhöhung nach § 559 BGB ausgeschlossen sei, da der Umstand der Modernisierung bereits berücksichtigt worden sei.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 511 ff. ZPO zulässige Berufung der Beklagtem ist begründet.
Die Zahlungsklage ist nicht begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung von Mieten gemäß §·812 Abs. 1 Satz 1. BGB. Die Modernisierungserhöhung vom 30.8.2011·ist in dem aus dem Schreiben vom 3.5.2012 ersichtlichen Umfang von 79,21 EUR monatlich ab dem 1.5.2012 gemäß § 559 BGB wirksam.
Die Mieterhöhungen nach § 559 BGB und § 558 BGB sind voneinander unabhängig und ggf. auch nebeneinander durchsetzbar (BGH, Urteil vom 9.4.2008 – VIII ZR 287/06, GE 2008, 441; BGH, Urteil vom 24.9.2008 – VIII ZR 275./07, GE 2008, 1485; LG Berlin, Urteil vom 20.12.2013 – 63 S 146/13 -, juris).
Ein Vermieter hat nach einer Modernisierungsmaßnahme verschiedene Möglichkeiten, diese zum Gegenstand einer Mieterhöhung zu machen. Er kann ausschließlich nach § 559 BGB vorgehen, also 11% der anrechenbaren Kosten zum Gegenstand einer Mieterhöhung machen. Es gilt keine Kappungsgrenze oder Wartefrist. Er kann aber auch ausschließlich nach § 558 BGB vorgehen und vom Mieter die Zustimmung zur neuen ortsüblichen Vergleichsmiete für modernisierten Wohnraum verlangen. Möglich ist auch die Kombination dieser Verfahren. Wählt der Vermieter diesen Weg, darf es aber nicht zu einer kumulativen Mieterhöhung kommen, bei der die Modernisierung doppelt, nämlich sowohl bei § 558 BGB als auch bei § 559 BGB berücksichtigt wird.
Führt also die Mieterhöhung nach § 559 BGB zu einer Miete, die unterhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete für modernisierten Wohnraum liegt, kann der Vermieter auch noch die Zustimmung zu einer Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete gem. § 558 BGB verlangen. Hierdurch darf die ortsübliche Vergleichsmiete nicht überschritten werden. Eine Mieterhöhung nach § 559 BGB scheidet aber dem Grundsatz nach dann aus, wenn der Vermieter die Modernisierung bereits einmal bei einer Mieterhöhung nach § 558 BGB berücksichtigt hat (LG Berlin, Urteil vom 14. Juni 2011 – 63 S 454/10 -, juris).
Hat der Vermieter Modernisierungsmaßnahmen i.S. des §·559 BGB durchgeführt, ist er berechtigt, diese Maßnahmen zur Grundlage einer Mietzinserhöhung zu machen. Er kann dabei zwischen zwei Wegen wählen: Zum einen wird ihm die Möglichkeit eröffnet, diese Mietzinsanhebung in dem vereinfachten Umlageverfahren nach § 559 BGB, das eine Zustimmung des Mieters zur Erhöhung selbst nicht erfordert, geltend zu machen. Falls die Vergleichsmiete in dem gemäß § 558 BGB relevanten Zeitraum gestiegen ist, kann der Vermieter daneben in einem gesonderten Verfahren Zustimmung des Mieters zur Mietzinserhöhung auf der Basis für vergleichbaren nicht modernisierten Wohnraum verlangen. Zum anderen kann er ausschließlich nach § 558 BGB vorgehen und die Modernisierung dergestalt in das Zustimmungsverfahren einbeziehen, dass er die Anhebung der Miete auf die Vergleichsmiete nach dem Standard der durch die Modernisierung verbesserten Wohnung verlangt. Macht der Vermieter von der – vorstehend angeführten ersten Möglichkeit Gebrauch, verlangt also nach Durchführung von Modernisierungsmaßnahmen nebeneinander Mietzinsanhebung sowohl im Verfahren nach § 558 BGB als auch im Verfahren nach § 559 BGB, so gilt für die Mietzinsanhebung nach § 558 BGB auf die ortsübliche Vergleichsmiete für vergleichbaren nicht modernisierten Wohnraum die Kappungsgrenze, während diese Begrenzung der Mietzinsanhebung im Rahmen des gleichzeitig eingeleiteten Erhöhungsverfahrens nach § 559 BGB wie bei Anhebungsverfahren dieser Art allgemein nicht eingreift (OLG Karlsruhe, RE v. 19.08.1983, NJW 1984, 62; LG Berlin, Urteil vom 14. Juni 2011 – 63 S 454/10 -, a.a.O.).
Darüber hinaus kommt auch eine Erhöhung nach § 558 BGB unter Berücksichtigung des modernisierten Standards und eine anschließende Modernisierungserhöhung in Betracht, solange insgesamt derjenige Erhöhungsbetrag nicht überschritten wird, der gälte, wenn der Vermieter eine Erhöhung allein nach § 559 BGB vorgenommen hätte. Dies ist hier der Fall. Vorliegend ist lediglich über eine Erhöhung um 79,21 EUR ab dem 1.5.2012 zu entscheiden. Die vor ausgegangene Erhöhung gemäß § 558 BGB vom 29.10.2010, der die Klägerin zugestimmt hat, war wirksam. Damit war das Maß der aufgrund der Modernisierung möglichen Erhöhung jedoch noch nicht ausgeschöpft. Die anschließende Modernisierungserhöhung vom 30.8.2011 um 116,53 EUR ab 1.5.2012, ausgehend von den bereits nach § 558 BGB unter Berücksichtigung des modernisierten Zustands erhöhten Vergleichsmiete, war nicht in vollem Umfang wirksam, da dies zu einer doppelten Berücksichtigung der Modernisierung geführt hat.
Die Erhöhung vom 30.8.2011 ist jedoch nicht insgesamt unwirksam, sondern nur teilweise in dem Maß, in welchem ein Verbot der doppelten Berücksichtigung der Modernisierung bei der Erhöhung eingreift. Begründet ist die Erhöhung in dem Umfang, in dem sie von der Beklagtem mit Schreiben vom·31.5.2012 (rückwirkend ab dem 1.5.2012) noch geltend gemacht wird. Bei dem Betrag von·79,21 EUR handelt es sich um die Differenz zwischen der bei isolierter Betrachtung möglichen Erhöhung aufgrund der Modernisierung ab dem 1.5.2012 um 116,53 EUR und der vorangegangenen Mieterhöhung gemäß § 558 BGB um 37,32 €.Die Klägerin ist danach ab dem vorliegend zur Prüfung gestellten Zeitraum, d.h. ab Mai 2012, wirtschaftlich so gestellt, als wäre lediglich eine Erhöhung gemäß § 559 BGB erklärt worden. Eine doppelte Berücksichtigung der Modernisierung zu ihren Lasten findet nicht statt.
Die Mieterhöhung ist ferner nicht aufgrund eines stillschweigenden Erlassvertrages ausgeschlossen. An das Vorliegen eines Willens einer Partei, auf Ansprüche zu verzichten, sind strenge Anforderungen zu stellen und der Verzichtswille muss unmissverständlich ausgedrückt werden. Dies ist vorliegend in dem Mieterhöhungsverlangen vom 29.10.2010 nicht der Fall. Aus dem Umstand eines Mieterhöhungsverlangens gemäß § 558 BGB nach vorangegangenem Streit über die Modernisierung sind keine ausreichenden Anhaltspunkte für einen Verzicht auf eine weitere zulässige Erhöhung aufgrund der Modernisierung zu folgern.
Die Mieterhöhung gemäß § 559 BGB ist ferner der Höhe nach berechtigt. [wird ausgeführt ] …
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen hinsichtlich der Frage, ob im Anschluss an eine Modernisierung einer Mieterhöhung gemäß § 558 BGB unter Zugrundelegung des modernisierten Zustandes eine Sperrwirkung im Hinblick auf eine nachfolgende Erhöhungserklärung gemäß 559 BGB zukommt, wenn beide Erhöhungen zusammengenommen das Maß der Erhöhungsmöglichkeit nach § 559 BGB nicht überschreiten. Die Frage ist obergerichtlich noch nicht entschieden, ihr kommt grundsätzliche Bedeutung für eine Vielzahl von Mietverhältnissen zu und die Revision dient der Fortbildung des Rechts (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5.3.2018 -1 BvR 1011/17).
17.06.2019