Leitsatz:
Zur Beweisaufnahme hinsichtlich der Auswirkungen von Bauarbeiten in der Wohnung auf die angemessenen Minderungsquoten.
AG Tempelhof-Kreuzberg vom 27.1.2020 – 7 C 297/18 –
Mitgeteilt von RA Dr. Rainer Tietzsch
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Bei Mietminderungsstreitigkeiten, insbesondere wegen Beeinträchtigungen durch Bauarbeiten, sind die einzelnen Beeinträchtigungen und die Zeiträume meist umstritten, entsprechend uneinschätzbar ist der Spielraum der Gerichte. Daher werden Prozesse darüber sehr oft durch Vergleich beendet. Im vorliegenden Fall wollte die Vermieterin – eine Genossenschaft – keinen Vergleich, so dass die Amtsrichterin den detaillierten Vortrag der Mieterseite durch Beweisaufnahme geprüft und ausführlichst beurteilt hat.
Kurz gefasst ging es um Folgendes: Die Wohnung der Mieterin lag direkt unter dem Dach des Hauses. Nach vorheriger Ankündigung mit Schreiben vom 13.1.2015 ließ die Genossenschaft umfangreiche Bauarbeiten auf ihrem Grundstück durchführen und zwar den Ausbau des Dachgeschosses, die Erweiterung der Durchfahrt zu einer angrenzenden Straße, verschiedene Baumaßnahmen im Haus sowie die Errichtung von drei Neubauten im Garten. Mit Schreiben vom 27.2.2015 stellte die Mieterin ihre Mietzahlungen unter den Vorbehalt der Rückforderung. Zum 1.5.2017 schloss sie einen neuen Dauernutzungsvertrag mit der Genossenschaft für ihre Wohnung ab.
Mit Schreiben vom 21.2.2018 bezifferte sie schließlich die nach ihrer Auffassung berechtigte Minderung in Höhe von 20 427,74 Euro und bat unter Fristsetzung zum 31.3.2018 um einen Regulierungsvorschlag.
Die Genossenschaft schrieb der Mieterin nur rund 2000 Euro gut, wobei sie von erheblich geringeren Minderungsquoten als die Mieterin ausging. Darüber hinaus seien Minderungsansprüche für die Zeit nach dem 1.5.2017 durch den Abschluss des neuen Dauernutzungsvertrages ausgeschlossen, weil die Mieterin sich dabei keine Rechte hinsichtlich der ihr bekannten Beeinträchtigungen vorbehalten habe.
Das Gericht billigte der Mieterin auf Grundlage umfangreicher Zeugenvernehmung insgesamt einen Minderungsanspruch von 10.868,42 Euro zu. Das Minderungsrecht der Mieterin sei nicht nach § 536 b BGB ausgeschlossen. Zwar sei der Mietvertrag 2017 in einen Dauernutzungsvertrag umgeschrieben worden, jedoch wirke der zuvor bereits erklärte Vorbehalt der Mietminderung fort.
Die Lektüre des mittlerweile rechtskräftigen Urteils im Volltext dürfte für alle, die Minderungsansprüche wegen umfangreichen Baulärms und weiterer Beeinträchtigungen durch Bauarbeiten vor Gericht durchsetzen müssen, lohnend sein.
Urteilstext
Tatbestand
Die Klägerin ist seit 2007 Mieterin der im Haus K.straße xxx, 3. OG rechts und damit direkt unter dem Dach gelegenen Wohnung. Die Beklagte ist Ende 2013 durch Eigentumserwerb als Vermieterin in das Mietverhältnis eingetreten.
Nach vorheriger Ankündigung mit Schreiben vom 13.01.2015 ließ die Beklagte umfangreiche Bauarbeiten auf ihrem Grundstück durchführen und zwar den Ausbau des Dachgeschosses, die Erweiterung der Durchfahrt K.straße xxx, verschiedene Baumaßnahmen im Haus, sowie die Errichtung von drei Neubauten im Garten. Die Klägerin bat vergeblich darum, ihr·eine Ersatzwohnung während der Baumaßnahmen im Dachgeschoss zur Verfügung zu stellen. Mit Schreiben vom 27.02.2015 stellte sie ihre Mietzahlungen unter den Vorbehalt der Rückforderung.
Die Klägerin schloss zum 1.5.2017 einen neuen Dauernutzungsvertrag mit der Beklagten für ihre Wohnung ab.
Die Bruttowarmmiete betrug im Jahr 2015 monatlich 862,00 EUR, im Jahr 2016 monatlich 816,00 EUR und im Jahr 2017 monatlich 830,60 EUR.
Die Klägerin berechnete der Beklagten im Schreiben vom 21.2.2018 die nach ihrer Auffassung berechtigte Minderung in Höhe von 20.427,74 EUR unter bat unter Fristsetzung zum 31.3.2018 um einen Regulierungsvorschlag.
Die Beklagte schrieb dem Mietkonto der Klägerin am 19.01.2018 einen Betrag von 1.956,37 EUR gut, den die Klägerin in Höhe von 629,55 EUR auf für diesen Rechtsstreit nicht maßgebliche Forderungen verrechnete. Hinsichtlich des Restbetrages erklärte sie mit weiterem Schreiben vom 21.2.2018 die Verrechnung auf die
Mietminderung wegen Baumfällung 482,72 EUR
Mietminderung wegen Außenarbeiten 844,10 EUR.
Die Beklagte hat der Klägerin folgende Gutschriften erteilt:
für die Strangsanierung in der Wohnung (eine Nettokaltmiete) 540,00 EUR
für das Gerüst (1/2 Nettokaltmiete) 270,00 EUR
für den Dachgeschossausbau (1/2 Nettokaltmiete) 270,00 EUR
Schadensersatz für den Wassereintritt 135,00 EUR
Für die vorgerichtliche Tätigkeit ihres Prozessbevollmächtigten entstanden der Klägerin Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.171,67 EUR.
Die Klägerin behauptet, die Baumaßnahmen hatten die in ihrem Lärmprotokoll im Einzelnen aufgeführten Beeinträchtigungen verursacht. Sie meint, hierfür seien·die in der Klageschrift im Einzelnen aufgeführten – in der mit Schriftsatz vom 28.9.2018 eingereichten Tabelle zusammengefassten – Minderungsquoten berechtigt. Sie habe die Miete in der Zeit von Januar 2015 bis November 2017 in Höhe von 20.427,74 EUR überzahlt, wie aus der Berechnung in der Klageschrift hervorgehe. Nach Verrechnung mit der gewährten Minderung in Höhe von 484,72 EUR und 844,10 EUR ergebe sich eine Restforderung von 19.099,92 EÜR. Zu züglich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ergebe sich er mit der Klage verfolgte Betrag.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 20.271,59 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf jeweils 862,00 EUR seit dem 01.05., 01.06., 01.07., 01.08., 01.09., 01.10., 01.11., 01.12.2015, 01.01., 01.02., 01.03., 01.04., 01.05., 01.06.2016, auf jeweils 489.60 EUR seit dem 01.07., 01.08., 01.09., 01.10., 01.11., 01.12.2016, 01.01., 01.02., 01.03., 01.04., 01.05., 01.06., 01.07., 01.08., 01.09., 01.’10., 01.11., 01.12.2017, im Übrigen ab Klagezustellung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, die Beeinträchtigungen seien nur in den Zeiträumen·erfolgt, die dem gerichtlichen Vergleichsvorschlag vom 25.02.2019 zugrunde liegen. Sie meint, hierfür seien die in ihrem Schriftsatz vom 08.04.2019 aufgeführten Minderungsquoten angemessen. Minderungsansprüche für die Zeit nach dem 01.05.2017 seien durch den Abschluss des neuen Dauernutzungsvertrages ausgeschlossen, weil die Klägerin sich dabei keine Rechte hinsichtlich der ihr bekannten Beeinträchtigungen vorbehalten habe. …
Das Gericht hat Beweis erhoben aufgrund des Beweisbeschlusses vom 10.10.2019 durch uneidliche Vernehmung der Zeugen A., B. und C. …
Entscheidungsgründe
Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Der Klägerin steht für die Zeit von Januar 2015 bis November 2017 ein Rückzahlungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB in Höhe von 9.653,42 EUR zu. Sie war aus § 536 Abs. 1 BGB berechtigt, die Miete im vorgenannten Zeitraum um insgesamt 10.868,42 EUR zu kürzen. Unter Berücksichtigung der gewährten Minderung in Höhe von 1.215,00 EUR ergibt sich der im Tenor Ziffer 1) genannte Rückzahlungsbetrag.
Das Minderungsrecht der Klägerin ist nicht nach § 536b BGB ausgeschlossen. Zwar wurde der Mietvertrag 2017 in einen Dauernutzungsvertrag umgeschrieben, jedoch wirkte der zuvor bereits erklärte Vorbehalt der Mietminderung fort.
Im Einzelnen gilt Folgendes:
a) Baumfällarbeiten
Baumfällarbeiten (einschließlich Häckselarbeiten und Abfuhr) haben nach dem Lärmprotokoll der Klägerin an 16 Tagen in der Zeit vom 22.01.2015 bis 18.02.2015 stattgefunden. Von diesen 16 Tagen hat sie an 3 Tagen (9.02., 14.02. und 18.02.2015) jeweils nur kurze Lärmstörungen notiert (ein bis zwei Stunden).
Die Beklagte hat zuletzt 6 Tage Fällarbeiten (á 20 %) und 5 Tage Transport (á‘ 5 %) zugestanden.
Nach der Beweisaufnahme steht aufgrund der Aussage der Zeugin N. zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Gartenarbeiten in der Zeit vom 22.01.2015 bis 18.02.2015 montags bis freitags im Schnitt von 8:30 bis 15:00 Uhr stattfanden und mit nicht unerheblichem Lärm verbunden waren. Das Gericht hat bei der Würdigung der Aussage berücksichtigt, dass es sich bei der Zeugin um eine Nachbarin handelt, die eigene Minderungsansprüche gerichtlich verfolgt. Gemäß § 286 Abs. 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist. Eine unumstößliche Gewissheit, ob eine Behauptung wahr und erwiesen ist, ist dabei nicht erforderlich. Vielmehr genügt ein für das praktische Leben brauchbarer Grad einer Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet. Entscheidend ist, ob der Richter die an sich möglichen Zweifel überwindet und sich von einem bestimmten Sachverhalt als wahr überzeugen kann (BGH NJW 1970, 946; BGH NJW 1993, 935; BGH NJW 2000, 953). Die Zeugin hat sehr sachlich ausgesagt, hat sich auf ihr eigenes Lärmprotokoll bezogen, hat Erinnerungslücken offen eingeräumt, hat auf Rückfrage ruhig und detailliert geantwortet und war erkennbar um eine klare und wahrheitsgemäße Aussage bemüht, weshalb das Gericht hinreichend überzeugt davon ist, dass sie die Wahrheit gesagt hat. Die Zeugin hat darüber hinaus einen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen.
Beeinträchtigt ein Mangel die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache während eines längeren Zeitraums unterschiedlich intensiv, ist das Gericht gemäß § 287 ZPO befugt, die daraus erwachsenden Beeinträchtigungen für den gesamten Zeitraum einheitlich zu schätzen und mit einer ebenfalls einheitlichen Minderungsquote zu belegen. Eine derartige Schätzung ist aus Gründen der Prozessökonomie gerade bei lange andauernden Bauvorhaben und zwischen den Mietvertragsparteien streitiger Intensität der damit verbundenen Beeinträchtigungen angezeigt (vgl. LG Berlin, Beschluss vom 15. Januar 2019 – 67 S 309/18 -, juris).
Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung hält das Gericht es für angemessen, der Klägerin ein Minderungsrecht für 16 Tage á 40 % zuzusprechen, mithin 183,89 EUR.
b) Arbeiten am Dachgeschoss:
Nach den übereinstimmenden Angaben erstreckten sich die Dachgeschossarbeiten auf den Zeitraum von April 2015 bis Mai 2016.
Die Klägerin beschreibt im Lärmprotokoll
– Lärm vom 13.4. bis 21.4.2015 (7 Tage)
– entsetzlichen Lärm 22.4.-26.5.2015 (5 Wochen),
– unterschiedlicher, aber hoher Lärmintensivität vom 29.5. bis 13.7. 2015 (3 Wochen).
– entsetzlichen Lärm in der Zeit vom 23.7. bis 31.8.2015 an insgesamt 14 Tagen. An 5 dieser Tage war die Wohnung gar nicht nutzbar (24.-28.8.2015),
– Lärm unterschiedlicher Intensität vom 01.09. bis 22.11.,2015, aber schon ein hohes Level an Störungen mit Vibrationen, Hämmern, Sägen, davon 3x auch samstags, einmal Sonntag und, 2 mal nachts bis 1.00/1.30. (12 Wochen) und
– Lärm nicht genau genannter Intensität für die Zeit vom 23.11.2015 bis einschließlich 25.05.2016.
Nach den Angaben der Beklagten erfolgten
– die lärmintensiveren Rohbauarbeiten vom 18.05.2015 bis 31.08.2015 (ca. 15 Wochen + 1 Tag)
– die Deckenertüchtigung über der Wohnung der Klägerin vom 24.08. bis 28.08.2015,
– Arbeiten an der Dachkonstruktion/Dacheindeckung, inkl. Gauben 24.08. bis 20.11.2015 und
– der Innenausbau vom 26.10.2015 bis 06.05.2016.
Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung vom 25.11.2019 erklärt, sein Schriftsatz vom 08.04.2019 sei so gemeint, dass die Beklagte den Zeiträumen folge, die das Gericht in seinem Vergleichsvorschlag zugrunde gelegt hat. Damit hat er für die Beklagte zugestanden, dass die Dacharbeiten in der Zeit vom 13.04.2015 bis 06.05.2016 stattgefunden haben.
Die Zeugin N. machte zum Zeitablauf folgende Angaben:
– 08.04.2015 bis 01.07.2015 Lärm der Stufe „9“ für die Entkernung der Wohnung unter ihr, den Abriss der Wohnung darunter und den Abriss des Dachgeschosses (ca. 9 Wochen),
– bis Ende 2015 Lärm durch Hämmern, Bohren, Vibrationen im Dachgeschoss ca. Stufe „7-8“,
– Innenausbau ca. Stufe „5-6“.
Nach den Aussagen des Zeugen O. fanden die Dacharbeiten von Mai 2015 bis Ende April 2016 statt. Der Zeuge N. gab an, die Dacheintrittsöffnung durch die Material und Personen ins Dach können, sei am 20.05.2015 eingebracht worden. Der Dachgeschossausbau sei Ende 2016 beendet worden. Dass die Dach-Abrissarbeiten vorher begonnen haben müssen, ergibt sich aus dem eigenen Vorbringen der Beklagten in der Klageerwiderung und den insoweit übereinstimmenden Angaben der Klägerin und der Zeugin N.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme geht das Gericht davon aus, dass die lärmintensiven Zeiten so waren, wie es die Klägerin angibt, nämlich vom 22.04. bis 13.07.2015, denn diese werden durch die Zeugin N. bestätigt, wenn auch um eine Woche versetzt, was sich dadurch erklärt, dass das Dach, wie der Zeuge N. angab, nicht über die ganze Fläche gleichzeitig bearbeitet wurde, sondern die Arbeiten in Abschnitten zeitversetzt stattfanden. Die Aussagen der Beklagtenzeugen stehen dem nicht entgegen, da diese zu den konkreten Zeitabschnitten keine Angaben machen konnten.
Die Angaben der Klägerin und der Zeugin N, decken sich auch insoweit, als beide jedenfalls bis 22.11.2015 ein hohes Level an Lärm beschreiben und geringere Störungen während des Innenausbaus. Dieser ging nach den Angaben der Klägerin bis einschließlich 25.05.2016, nach den Angaben der Zeugen C. und N. bis Ende April 2016. Der Zeuge N. hat bestätigt, dass es Lärmbelästigungen irgendeiner Art bis dahin gegeben habe. Folgende Quoten hält das Gericht daher für angemessen:
13.04. bis 21.04.2015 Minderung von 60 %
22.04. bis 13.07.2015 Minderung von 80 % (Durchschnitt)
14.07. bis 23.08. 2015 Minderung von 60 %
24.08. bis 31.08.2015 Minderung von 100 %
01.09.2015 bis 22.11.2015 Minderung von 70 %
23.11.2015 bis 30.04.2016 Minderung von 20 %.
c) Abrissarbeiten / Durchfahrt
Die Beweisaufnahme hat zur Überzeugung des Gerichts ergeben, dass die Abrissarbeiten zur Vergrößerung der Durchfahrt von Anfang April 2015 bis einschließlich Juni 2015 stattfanden. Dies haben die Zeugen N. und C. übereinstimmend bestätigt. Die Zeugin N. hat den dadurch in ihrer Wohnung verursachten Lärm mit der Stufe „9“ bewertet. Insofern ist aber zu berücksichtigen, dass deren Wohnung stärker betroffen war, weil der Abriss direkt zwei Etagen unter ihr erfolgte, während die Wohnung der Klägerin einen Aufgang weiter entfernt und rechtwinklig zur Wohnung der Zeugin liegt. Die Zeugin hat allerdings angegeben, dass sie einmal festgestellt hat, dass auch in dem zur klägerischen Wohnung führenden Aufgang der Boden vibrierte und auch dort starker Lärm war. Diese Angaben sind glaubhaft, weil auch der Zeuge N. bestätigt hat, er könne sich gut vorstellen, dass es während der Vergrößerung der Durchfahrt zu Lärm und Vibrationseinwirkungen in der Wohnung der Klägerin gekommen sei.
Das Gericht hält es daher unter Berücksichtigung der genannten Rechtsprechung des Landgerichts (LG Berlin, Beschluss vom 15. Januar 2019 – 67 S 309/18 -, juris) für angemessen, die Minderungsquote für den Zeitraum ab 13. April 2015 bis 30. Juni 2015 wie aus der anliegenden Tabelle ersichtlich [Anm.: aus der hier nicht abgedruckten Tabelle ergibt sich eine 10 % Minderung] zu erhöhen.
d) Einrüstung des Gebäudes / Nichtnutzbarkeit Balkon
Wegen der Einrüstung des Gebäudes und die dadurch bedingte Nichtnutzbarkeit des Balkons, wie sie aus dem Foto Nr. 9 ersichtlich ist und unter Berücksichtigung des Umstands, dass während der gesamten Zeit die Blumenkübel und -töpfe in der Wohnung herumstanden und ein Öffnen der Fenster praktisch unmöglich war, weil sofort Dreck hineingeweht wurde und Bauarbeiten direkt Einblick in die Wohnung hatten, hält das Gericht eine Minderung für die Zeit von Mitte Mai 2015 bis Mitte Mai 2016 für angemessen.
Da für parallel bestehende Beeinträchtigungen eine Gesamtquote zu bilden ist, wird hinsichtlich der genauen Berechnung auf die in der Anlage angefügte Tabelle verwiesen. [Anm.: aus der hier nicht abgedruckten Tabelle ergibt sich eine Minderung von 5 bis 10 % ]
e) Bauarbeiten Neubau
Die Parteien haben unstreitig vorgetragen, dass die Bauarbeiten für den Neubau in der Zeit vom 13.07.2015 bis jedenfalls Ende April 2017 erfolgten, nach dem Vorbringen der Klägerin erstreckten sie sich bis Mai 2017.
Die Beklagte hat die einzelnen Bauphasen in der Klageerwiderung wie folgt angegeben:
– Errichtung der Baugrube und Erdaushub 27.07. bis 03.09.2015
“ Fundamentherstellung und Errichtung des Tiefgeschosses 03.09. bis 01.12.2015
“ Rohbauherstellung bis 01.04.2016
– Innenausbau bis Ende April 2017
Diese Phasen sind weitgehend unstreitig, allerdings hat die Rohbauphase nach dem Vorbringen der Klägerin bis November 2016 angedauert. ln der mündlichen Verhandlung stellte sich während der Beweisaufnahme heraus, dass die Beklagte die Rohbauphase im technischen Sinne meinte, die beendet ist, wenn das Skelett steht, während die Klägerin unter Rohbauphase auch noch die sich daran anschließenden Arbeiten bis zur Schließung der Gebäudehülle verstanden hat. Der Zeuge C. hat erklärt, es könne gut sein, dass die sich diese dem Rohbau anschließenden Arbeiten bis Herbst 2016 hingezogen hätten. Der Zeuge N. gab an, die Rohbauphase sei jedenfalls im Zeitpunkt des Richtfestes am 15.04.2016 beendet gewesen, auch die danach durchgeführten Arbeiten würden Geräusche verursachen, aber nicht mehr so schlimm.
Die Zeugin N. gab an, dass die Baugrube ab 27.07.2015 bis August ausgehoben wurde, in dieser Zeit ständig Bagger, schwere Lkw und Kräne im Einsatz und über der gesamten Straße eine Staub- und Schmutzwolke hing. Diese Arbeiten habe sie mit „8“ bewertet. Die Tiefgarage sei vom 08.08.2015 bis 23.10.2015 gebaut worden, teilweise auch nachts. Die Arbeiten habe sie mit „6-7“ bewertet, die Nachtarbeiten mit „10“.
Genaue Beeinträchtigungen in der Zeit vom 13.7. bis 27.7. hat die Klägerin nicht vorgetragen. Solche gehen auch nicht aus ihrem Lärmprotokoll hervor. Vielmehr ist dort notiert, dass sie sich vom 13.07. bis 22.07.2015 im Urlaub befunden hat.
Nach alledem hält das Gericht eine Minderung für folgende Zeiträume für angemessen, die sich unter Berücksichtigung der übrigen Arbeiten, wie aus der in der Anlage beigefügten [hier nicht abgedruckten] Tabelle hervorgeht, auswirkt:
– Errichtung der Baugrube und Erdaushub 27.07. bis 03.09.2015, [Anm.: 10 % Minderung]
– Fundamentherstellung und Errichtung des Tiefgeschosses 03.09. bis 01.12.2015, [Anm.: 10 % Minderung]
– Rohbauherstellung 01.12.2015 bis 31.03.2016 und [Anm.: 35 % Minderung]
– 01.04.2016 Arbeiten bis zur Schließung der Gebäudehülle bis 31.10.2016 [Anm.: 25 % Minderung]
– Innenausbau 01.11.2016 bis 30.04.2017. [Anm.: 10 % Minderung]
f) Außenanlagen:
Die Klägerin hat für die Dauer der Arbeiten an den Außenanlagen in der Zeit von Juni 2017 bis Anfang November 2018 eine Minderung von 60 % angesetzt und diese damit begründet, dass Bagger, Rüttler, Flex etc. im Einsatz gewesen seien und erheblichen Lärm und Vibrationen verursacht hätten.
Die Beklagte hat in der Klageerwiderung zu den einzelnen Phasen der Arbeiten an den Außenanlagen vorgetragen und hat die nach ihrer Auffassung vertretbare Minderung mit Schriftsatz vom 08.04.2019 für 20 Wochen mittlerer Beeinträchtigung mit 10 % angesetzt und für fünf Wochen geringer Beeinträchtigungen mit 5 %.
Dem Vorbringen der Klägerin, in der Zeit vom 01.06.2017 bis 01.09.2017 seien Bagger, Rüttler, Radlader und Flex im Einsatz gewesen, ist die Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten. Weitere Lärmbeeinträchtigungen, die eine mehr als nur unerhebliche Gebrauchsbeeinträchtigung verursacht haben, hat die Klägerin für September und Oktober 2017 nicht hinreichend konkret vorgetragen. Aus ihrem Lärmprotokoll folgen in diesem Zeitraum nur einzeln Störungen, für die eine Minderung nach § 536 Abs. 1 Satz 3 BGB nicht in Betracht kommt.
Das Gericht hält daher eine Minderung von 3 Monate á 30 % für angemessen (01.06.2017 bis 01.09.2017).
g) Trocknungsarbeiten / Wasserschaden
Nach dem Vorbringen der Klägerin, dem die Beklagte jedenfalls nicht substantiiert entgegengetreten ist, ist es zweimal in der Wohnung der Klägerin zu einem Wasserschaden gekommen und wurden zur Beseitigung Trocknungsgeräte aufgestellt.
Nach dem ersten Wasserschaden am 08.10.2015 im Kinderzimmer liefen dort zwei Trocknungsgeräte vom 12.10.2015 bis 12.01.2015 im Dauerbetrieb. Die anschließenden Renovierungsarbeiten dauerten vom 13.01.2016 bis 22.01.2016.
Am 30.06.2017 trat erneut ein Wasserschaden im Kinderzimmer auf. Noch am 10.07.2017 lief Wasser noch die Wand herunter. Dann wurde ein Loch in die Decke gebohrt, ein Trockner aufgestellt, dessen Trockenluft mit einem Schlauch in die Decke geblasen wurde. Dieser war etwa sechs Wochen tagsüber durchgehend in Betrieb.
Dass Trocknungsgeräte erheblichen Lärm verursachen, der auch in den angrenzenden Räumen zu hören ist, ist allgemein bekannt.
Zur Minderung war die Klägerin daher berechtigt:
– vom 12.10.2015 bis 22.01.2016 und
– vom 30.06.2017 bis 25.08.2017.
Hinsichtlich der Höhe wird auf die [hier nicht abgedruckte] Tabelle in der Anlage [Anm. 10 % für den ersten 30 % für den zweiten Wasserschaden, tagesanteilig] verwiesen.
h) sonstige Beeinträchtigungen
Für die unangekündigte Asbestsanierung, für die unzureichende Voranmeldung der Arbeiten, die häufig unangekündigt vor der Tür standen, für häufige Nichtdurchführung angekündigter Maßnahmen und weitere menschliche Grobheiten bzw. kann keine Minderung gewährt werden, da diese Umstände zwar hohen Lästigkeitswert haben, aber keinen Mangel im Sinne von § 536 BGB darstellen.
Häufige unangekündigte Ausfälle von Strom und Wasser sind neben den übrigen Beeinträchtigungen nicht gesondert mit einer Minderung bewertbar, zumal die Klägerin hierzu nicht substantiiert vorgetragen hat.
Die zugesprochene Zinsforderung ergibt sich aus §§ 812 Abs. 1 Satz 1. Alt. 1, 819 Abs, 1 BGB.
Die Beklagte hat mit Zugang des Schreibens vom 21.01.2018 Kenntnis vom fehlenden Rechtsgrund erlangt. Im Übrigen ist sie mit Ablauf der mit Schreiben vom 21.02.2018 gesetzten Frist in Verzug geraten. Einen früheren Zinsanspruch hat die Klägerin nicht schlüssig dargelegt. Denn es ist weder dargetan, dass die Beklagte entsprechende Zinseinkünfte erzielt hat, die nach §§ 812 Abs. 1 Satz 1, Alt. 1, 818 Abs. 1 BGB herauszugeben wären, noch kann eine frühere Bösgläubigkeit im Sinne von § 819 Abs. 1 BGB angenommen werden, da die Beklagte bei Entrichtung der Miete am Anfang des Monats noch keine Kenntnis vom Minderungsrecht für diesen Monat haben konnte und die Klägerin nicht jeden Monat konkret dargelegt hat, welchen Beeinträchtigungen sie ausgesetzt war, die Beklagte die Kenntnis daher auch nicht nach Ablauf des jeweiligen Monats erlangt hat.
Der Klägerin steht ein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskoten gegen die Beklagte aus §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 1 BGB zu, allerdings nur aus einem Streitwert von bis zu 10.000,00 EUR, da sie die Miete in Höhe von 10.868,42 überzahlt hatte, ihr aber vor Einschaltung ihres Prozessbevollmächtigten eine Mietminderung gewährt wurde, mithin in Höhe von 887,03 EUR (1,3 Gebühren á 558,00 EUR + 20,00 EUR Auslagenpauschale + 19% Mehrwertsteuer). Die daraus zugesprochenen Zinsen ergeben sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1 und 709 ZPO.
25.05.2020