Stand: 2/17
In diesem Info werden die rechtlichen Unterschiede des Wohnens bei einer Genossenschaft im Gegensatz zum „normalen“ Mieterdasein dargestellt. Bis Ende 1989 galt in den alten Bundesländern das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG). Als Ausfluss des im WGG vorgesehenen Vertragsmusterzwanges bestehen bei Altverträgen, den sogenannten Allgemeinen Vertragsbedingungen (AVB) noch einige mietvertragliche Privilegierungen. Die Prüfung des konkreten Mietvertrags/Nutzungsvertrags (hier: AVB) ist also immer ratsam.
Die Mieterrechte und -pflichten von Genossenschaftsmietern ergeben sich aus dem allgemeinen Mietrecht. Sie werden aber gegebenenfalls durch den genossenschaftlichen Gleichheitsgrundsatz und die genossenschaftliche Treuepflicht beeinflusst. Darüber hinaus kann der Verlust der Mitgliedschaft in der Genossenschaft auch den Verlust der Wohnung zur Folge haben.
Genossenschaftlicher Gleichbehandlungsgrundsatz
Der genossenschaftliche Gleichbehandlungsgrundsatz (vgl. § 18 GenG) gilt nicht nur für die sich aus der Mitgliedschaft ergebenden Beziehungen zwischen der Genossenschaft und ihren Mitgliedern, sondern auch für die Rechte und Pflichten, die sich für die einzelnen Mitglieder aus der Inanspruchnahme von Genossenschaftseinrichtungen ergeben. Er fordert im genossenschaftlich geprägten Mietverhältnis eine willkürfreie, auf sachlich nachvollziehbare Kriterien gestützte Behandlung der Genossenschaftsmieter. Die Genossenschaft und ihre Organe sind daher berechtigt, unterschiedlichen Verhältnissen Rechnung zu tragen und zwischen den Mitgliedern nach sachlichen Kriterien in angemessener Weise („Relative Gleichbehandlung“). zu differenzieren (BGH v. 14.10.2009 – VIII ZR 159/08 -). Die praktischen Auswirkungen des Gleichheitsgrundsatzes werden aber meist überschätzt, wie die folgende Darstellung aufzeigt.
Genossenschaftliche Treuepflicht
Die sich aus dem Zweck einer Genossenschaft ergebende genossenschaftliche Treuepflicht zwischen dem Mitglied und der Genossenschaft sowie umgekehrt kann ebenfalls Einfluss auf das Mietverhältnis haben. Sie führt aber nur selten zu vom Mietrecht abweichenden Ergebnissen.
Rechtsnatur des (Dauer)-Nutzungsvertrages
Das Wohnen in einer Genossenschaftswohnung richtet sich nach dem Mietrecht (grundlegend OLG Karlsruhe v. 21.1.1985 – 3 REMiet 8/84 -). Allerdings wirken Genossenschaftsrecht und Satzung teilweise mittelbar auf das Mietverhältnis ein. Grundsätzlich gilt aber, dass mit Ausnahme der im Folgenden dargestellten Besonderheiten keine Unterschiede zu „normalen“ Mietverhältnissen bestehen. Deshalb ist für Mieter von Genossenschaftswohnungen die Mitgliedschaft im Mieterverein nicht weniger sinnvoll als für Mieter sogenannter „normaler Wohnungen“.
1. Wohnungsvergabe – Vertragsabschluss
Der an sich auf dem „Wohnungsmarkt“ herrschende Grundsatz der negativen Vertragsfreiheit (niemand kann gezwungen werden, mit einem Dritten einen Mietvertrag abzuschließen) verkehrt sich bei Genossenschaften in einen relativen Abschlusszwang um: Mitglieder haben nach Maßgabe der mit der Satzung in Einklang stehenden Vergabegrundsätze der Genossenschaft einen Anspruch auf Abschluss eines Mietvertrages über eine freigewordene Wohnung (vgl. LG Göttingen v. 30.10.1961 – 5 S 93/61 -; AG Wilhelmshaven v. 27.9.1965 – C 190/65(13) -; LG Hamburg v. 3.9.2009 – 307 S 71/09 -).
2. Geschäftsanteile
Je nach Satzung der Genossenschaft müssen Mietinteressenten vor Abschluss des Mietvertrags Geschäftsanteile der Genossenschaft kaufen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz schließt aber nicht aus, dass nach einer Änderung der Marktlage von Neumietern weniger Genossenschaftsanteile gefordert werden als von Altmietern; diesen steht dann nicht das Recht zu, einige Geschäftsanteile zu kündigen (LG Hamburg v. 27.6.1980 – 11 S 8/80 -; AG Dresden v. 21.12.2000 – 105 C 8598/00 -).
ALG-II-Emfängern kann das Job-Center die Genossenschaftseinlage als Darlehen gewähren (LSozG Sachsen v. 29.9.2008 – L2 B 611/08 AS-ER -).
Bei einem wirksamen Beitritt zu einer Genossenschaft kann die Rückzahlung der Geschäftsanteile nicht schon dann verlangt werden, wenn ein Nutzungsvertrag über eine Wohnung nicht zu Stande kommt bzw. der Nutzungsvertrag außerordentlich gekündigt wird (AG Oldenburg v. 5.2.2008 – 23 (22) C 378/07).
Klauseln in genossenschaftlichen Dauernutzungsverträgen über Wohnungen, denen zufolge das Mitglied sein zukünftiges Auseinandersetzungsguthaben sicherungshalber an die Genossenschaft abtritt, sind gemäß § 22 Abs. 4 GenG nichtig (AG Hamburg-Blankenese v. 8.11.1989 – 508 C 103/89 -). Eine Aufrechnung mit mietrechtlichen Ersatzansprüchen scheidet deshalb insoweit aus.
Die Rechtsschutzversicherung des Berliner Mieterverein e.V. greift nicht bei Streit über die Zahlung bzw. Rückzahlung des Genossenschaftsanteils bei einer Genossenschaftswohnung (siehe hierzu Info Nr. 159).
3. Kaution
Es verstößt nicht gegen § 551 BGB, wenn ein genossenschaftsrechtlicher Vermieter sowohl Genossenschaftsanteile als auch eine Mietsicherheit (Kaution) verlangt. Die Genossenschaftsanteile dienen der Liquidität der Genossenschaft im Allgemeinen, während die Kaution streng auf das konkrete Mietverhältnis bezogen ist (AG Kiel v. 11.8.2011 – 108 C 24/11).
Es verstößt auch nicht gegen das AGG oder den genossenschaftlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn ein genossenschaftlicher Vermieter nur bei finanziell schwachen Personengruppen eine Mietsicherheit verlangt (AG Kiel v. 11.8.2011 – 108 C 24/11).
4. Mietzinsfestsetzung bei Vertragsabschluss
Die sogenannte „Mietpreisbremse“ nach § 556 d BGB (siehe Info Nr. 169) gilt auch bei Wohnungsbaugenossenschaften. Der genossenschaftliche Gleichheitsgrundsatz erfordert darüber hinaus, dass die Wohnungsbaugenossenschaft bei der Mietzinsfestsetzung vergleichbare Wohnungen relativ gleich behandelt. Unterschiedliche Miethöhen sind nur zulässig, wenn zwischen den Vertragsabschlüssen längere Zeiträume – mindestens neun Monate – liegen und die in dieser Zeit veränderte allgemeine Marktentwicklung unterschiedlich hohe Einstiegsmieten rechtfertigt (LG Berlin v. 23.3.1999 – 63 S 231/98 -, MM 99, 209; LG Berlin v. 27.2.2001 – 63 S 227/00 -; AG Dresden v. 21.12.2000 – 105 C 8598/00; die Entscheidungen ergingen zu Zeiten entspannter Wohnungsmärkte).
5. Mieterhöhungen
Hier gelten dieselben rechtlichen Bestimmungen wie bei einem sonstigen Wohnraummietverhältnis auch. Der genossenschaftliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet es jedoch, willkürlich von einzelnen Mietern eine stärkere Mieterhöhung zu fordern als von den übrigen (LG Berlin v. 23.3.1999 – 63 S 231/98 -, MM 99, 209; LG Offenburg v. 10.3.1998 – 1 S 191/97 -).
So verbietet der genossenschaftliche Gleichbehandlungsgrundsatz die selektive Erhöhung der Miete wegen der häufigen gerichtlichen und außergerichtlichen Geltendmachung von Rechten durch den Mieter, selbst wenn dies einen erhöhten Verwaltungsaufwand des Vermieters zur Folge hat. Eine Mieterhöhung auf die ortsübliche Vergleichsmiete mit der Begründung, der erhöhte Verwaltungsaufwand für diesen Mieter müsse ausgeglichen werden, ist unzulässig (AG Köln v. 4.6.2013 – 205 C 592/12 -; LG Köln v. 24.01.2014 – 10 S 120/13).
Eine Ungleichbehandlung liegt jedoch nicht vor, wenn die Genossenschaft nur bei den Mietern die Miete erhöht, die im Zuge von Modernisierungsarbeiten auf das Recht zur Mietminderung nicht verzichten (BGH v. 14.10.2009 – VIII ZR 159/08) oder die nicht einverstanden sind, dass ihre unwirksame Schönheitsreparaturklausel durch eine wirksame ersetzt wird (AG Tempelhof-Kreuzberg v. 26.5.2009 – 7 C 3/09 -; AG Schöneberg v. 3.6.2009 – 7a C 357/08 -).
Die Genossenschaft muss auch nicht gleichzeitig ein Mieterhöhungsverfahren für alle Wohnungen einleiten, sondern kann vorab Streitfragen in einigen Musterprozessen klären lassen (LG Potsdam v. 9.1.2003 – 11 S 139/02 -).
6. Vertragliche „Kostenmietklauseln“
Viele ältere, aber auch einige neuere Dauernutzungsverträge, enthalten Klauseln, wonach der Mietpreis durch die Kostenmiete begrenzt wird. Die Kostenmiete als Obergrenze kann gerade bei Altbauten mietpreisdämpfend wirken. Eine Frage des jeweiligen Einzelfalles ist es aber, ob diese Klauseln auch heute noch tatsächlich rechtswirksam sind. Wer eine solche Klausel in seinem Mietvertrag findet, sollte diese deshalb rechtlich überprüfen lassen. Der BGH hat in zwei Entscheidungen Anhaltpunkte zur Beurteilung gegeben (BGH v. 14.6.2006 – VIII ZR 128/05; BGH v. 12.1.2010 – VIII ZR 21/09).
7. Mietminderung
Die genossenschaftliche Treuepflicht hindert den Mieter nicht, eine berechtigte Mietminderung vorzunehmen (LG Hamburg v. 14.7.78 – 11 S 108/78 -; AG Hamburg-Bergedorf v. 16.2.2007 – 410A C 306/06 -). Das Recht zur Mietminderung richtet sich auch bei den Genossenschaftsmietverhältnissen nach den allgemeinen Vorschriften (LG Dresden v. 14.10.1997 – 15 S 0316/97 -; AG Köln v. 26.5.1994 – 214 C 92/94 -).
8. Vertragsgemäßer Gebrauch – Beispiel Tierhaltung, Gemeinschaftseinrichtungen
Der Umfang des vertragsgemäßen Gebrauchs der Wohnung durch den Mieter richtet sich nach dem Mietrecht und den mietvertraglichen Vereinbarungen, soweit diese wirksam sind. Dagegen kann durch einen Beschluss des Vorstandes der Wohnungsbaugenossenschaft beispielsweise die Tierhaltung in der Wohnung nicht verboten werden (AG Hamburg v. 14.5.2003 – 46 C 552/02 -). Im Übrigen ist auch hier das Gleichbehandlungsgebot zu beachten. Dieses schließt die Berücksichtigung besonderer Umstände in der Person des Genossenschaftlers ein (AG Hamburg v. 14.5.2003 – 46 C 552/02 -).
Mitvermietete Gemeinschaftseinrichtungen wie z.B. eine Gemeinschaftswaschmaschine dürfen nicht einfach unter Berufung auf die genossenschaftliche Treuepflicht entzogen werden (AG Hamburg-Altona v. 12.11.2003 – 318 C 97/03 -).
9. Modernisierung
Der Nutzer einer Genossenschaftswohnung ist aufgrund des Genossenschaftsverhältnisses zu keiner weitergehenden als der in § 555 d BGB gesetzlich bestimmten Duldung von Modernisierungsmaßnahmen verpflichtet (LG München I v. 20.6.1986 – 20 S 21401/86 -). Die Wohnungsgenossenschaft kann vom Wohnungsnutzer beispielsweise keine bauliche Veränderung an der Wohnung (hier: Fenstervorbau der Loggia) allein aus der „genossenschaftlichen Verbundenheit“ verlangen (AG Köln v. 18.6.2002 – 219 C 102/02 -).
10. Untervermietung der Genossenschaftswohnung
Die fehlende Genossenschaftsmitgliedschaft des Untermieters stellt keine Unzumutbarkeit im Sinne des § 553 Abs. 1 Satz 2 BGB dar, welche der Genossenschaft das Recht gibt, die Untervermietung zu verweigern (AG Neukölln v. 26.6.2014 – 3 C 54/14, MM 1+2/2015, 38; LG Köln v. 8.11.2012 – 1 S 7/12 -).
Die Untervermietung von Teilen der Wohnung oder der gesamten Wohnung zu einem höheren Mietzins, als ihn der Hauptmieter seinerseits zu entrichten hat, dürfte jedoch bei Genossenschaften in der Regel unzulässig sein und gegebenenfalls sogar zum Ausschluss aus der Genossenschaft führen (AG Hannover v. 4.11.1966 – 26 C 206/66 -).
11. Wahrnehmung von Mieterrechten – Kritik an Organen der Genossenschaft
Kritik an Organen der Genossenschaft kann – soweit sie nicht ohnehin Straftatbestände erfüllt – dann einen Verstoß gegen den Treuegrundsatz darstellen, wenn sie an die genossenschaftsexterne Öffentlichkeit gelangt. Ist die Kritik objektiv berechtigt, kann allerdings auch der Gang an die Öffentlichkeit zulässig sein (vgl. hierzu auch LG Lübeck v. 15.8.1969 – 6 S 75/69 -). Ist sie unberechtigt, kann sie den Ausschluss aus der Genossenschaft rechtfertigen (AG Bremen-Blumenthal v. 23.7.1980 – 2a C 474/79 -).
Es liegt jedoch kein Ausschlussgrund vor, wenn ein Mitglied die Genossenschaft wegen ihres Verhaltens bei Vertragsabschlüssen und Mieterhöhungen heftig kritisiert oder Prozesse gegen sie führt (LG Berlin v. 7.2.1990 – 18 O 504/89 -, MM 91, 26); lediglich eine übermäßige Kritik kann zum Ausschluss berechtigen (LG Berlin v. 23.1.1996 – 55 S 159/95 -, MM 96, 203). Wird die Wohnung dann für ein anderes Mitglied benötigt, darf die Genossenschaft auch die Wohnung kündigen (siehe Punkt 12.1).
12. Kündigungsrechte der Genossenschaft
Auch bei Genossenschaftswohnungen ist eine Kündigung nur möglich, wenn ein gesetzlich anerkannter Kündigungsgrund nach § 573 BGB vorliegt. Ein „normaler“ Kündigungsgrund kann beispielsweise darin liegen, dass die Genossenschaft in zulässiger Weise Wohnraum zweckentfremdet, um dort ihre Geschäftsräume unterzubringen (vgl. z.B. AG Velbert v. 9.3.1988 – 12 C 505/87 -) oder wenn ein Altbau mit schlecht geschnittenen Kleinstwohnungen abgerissen und ein öffentlich geförderter Neubau erstellt werden soll (AG Hamburg-St.Georg v. 23.12.2014 – 920 C 171/14 -).
Es gibt aber noch weitere „genossenschaftsspezifische“ Kündigungsgründe:
12.1 Wird ein Mitglied einer Wohnungsgenossenschaft, das von der Genossenschaft durch einen Dauernutzungsvertrag eine Wohnung gemietet hat, gemäß § 68 GenG wegen genossenschaftswidrigen Verhaltens aus der Genossenschaft ausgeschlossen und wird die von ihm genutzte Wohnung für ein anderes Mitglied benötigt („Warteliste“), so hat die Genossenschaft gemäß § 573 Abs.1 BGB ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses (BGH v. 10.9.2003 – VIII ZR 22/03; LG Berlin v. 25.11.2002 – 61 S 103/02 -). Voraussetzung ist aber, dass das Mitglied abgemahnt wurde und sein genossenschaftswidriges Verhalten trotzdem fortsetzt (BGH v. 10.9.2003 – VIII ZR 22/03; AG Köpenick v. 6.3.2013 – 10 C 244/12, MM 9/13, 29; LG Berlin v. 20.4.2006 – 51 S 343/05). Der Ausschluss erfordert darüber hinaus ein genossenschaftswidriges Verhalten von erheblichem Gewicht. Ein solches liegt beispielsweise nicht in der Überlassung der Wohnung an ein Nichtmitglied, wenn auch dieses mietvertraglich mit der Genossenschaft verbunden ist (AG Köpenick v. 6.3.2013 – 10 C 244/12, MM 9/13, 29). Siehe zu „überbordender Kritik“ oben Punkt 11.
12.2 Die Treuepflicht gegenüber den anderen Genossenschaftsmitgliedern verpflichtet den einzelnen Wohnungsbaugenossen, eine Wohnung auch tatsächlich zu nutzen (LG Wiesbaden v. 13.7.78 – 1 S 107/78 -). Die Nutzung der Genossenschaftswohnung als Zweitwohnung schädigt das Ansehen der Genossenschaft (LG München I v. 26.11.1986 – 15 S 9751/86 -). Bei Benutzung der Wohnung lediglich als „Zweitwohnung“ oder bei dauerndem Leerstand kann bei entsprechender Satzungskonstellation und bestehendem Wohnungsbedarf anderer Mitglieder eine Kündigung nach § 573 BGB gerechtfertigt sein (LG München I v. 3.7.1991 – 14 S 142/91 -; einschränkend LG München I v. 12.4.1989 – 14 S 24252/88 -; LG Köln v. 14.3.1991 – 1 S 434/90 -). Ein Grund zum Ausschluss aus der Genossenschaft, ist in der Benutzung der Wohnung lediglich als Zweitwohnung allerdings grundsätzlich nicht zu sehen (vgl. OLG Köln v. 4.3.1965 – 12 U 145/64 -; a.A. LG Nürnberg-Fürth v. 23.6.1992 – 13 S 9409/91 -). Der Genossenschaft ist es vielmehr zuzumuten, den Weg zur Beendigung des Nutzungsverhältnisses nach den Regelungen des Nutzungsvertrags und der gesetzlichen Bestimmungen zu gehen (OLG München v. 14.10.2015 – 7 U 995/15 -).
12.3 Bei erheblicher Unterbelegung der Wohnung und gleichzeitigem Wohnbedarf anderer Mitglieder besteht nach neuerer Ansicht jedoch kein berechtigtes Interesse nach § 573 Abs. 1 BGB an der Kündigung (BGH v. 10.9.2003 – VIII ZR 22/03; LG Heidelberg v. 25.11.2013 – 5 S 33/13 -; anders noch OLG Stuttgart v. 11.6.1991 – 8 REMiet1/91 -).
12.4 Eine Kündigung der Mitgliedschaft in der Genossenschaft kann auch durch den Insolvenzverwalter (Treuhänder) des Mieters erfolgen, um das Auseinandersetzungsguthaben zugunsten der Masse zu realisieren (BGH v. 2.12.2010 – IX ZB 120/10); dass dann eventuell die Genossenschaft anschließend auch die Wohnung kündigt, steht dem nicht entgegen (BGH v. 1.10.2009 – VII ZB 41/08; BGH v. 19.3.2009 – IX ZR 58/08). Eine solche Kündigung ist aber nach § 67 c GenG ausgeschlossen, wenn die Mitgliedschaft Voraussetzung für die Nutzung der Wohnung des Mitglieds ist und das Geschäftsguthaben des Mitglieds höchstens das Vierfache des monatlichen Nutzungsentgelts (ohne separate Betriebskosten) oder (!) höchstens 2000 Euro beträgt (vgl. AG Hamburg v. 1.6.2015 – 68c IK 242/15 -).
Entsprechendes gilt, wenn von einem Drittgläubiger der Geschäftsanteil des Mitgliedes gepfändet werden soll.
12.5 Bei allen Kündigungen von Wohnraum durch eine Genossenschaft ist jeweils die genossenschaftliche Treuepflicht der Genossenschaft gegenüber ihren Mitgliedern besonders zu berücksichtigen (vgl. z.B. AG Essen v. 29.5.1968 – 18 C 229/68 -; AG Münster v. 24.3.1970 – 3 C 160/69 -). So muss beispielsweise eine Genossenschaft, die das Mietobjekt abreißen will, dem Mieter innerhalb der Kündigungsfrist freiwerdende Wohnungen selbst dann anbieten, wenn sie sich nicht in derselben Wohnanlage, sondern in der nächsten Querstraße befinden (AG Köln v. 22.3.2013 – 208 C 465/12 -).
13. Vertragliche Kündigungsausschlüsse
In den genossenschaftlichen Dauernutzungsverträgen sind zumeist Bestimmungen enthalten, die zugunsten der Mieter vom gesetzlichen Kündigungsrecht abweichen. Durch eine mietvertragliche Bestimmung, der zu Folge der Vermieter das Mietverhältnis „nur in besonderen Ausnahmefällen unter Einhaltung der gesetzlichen Fristen kündigen kann, wenn wichtige berechtigte Interessen des Vermieters eine Beendigung des Mietverhältnisses notwendig machen“, wird dem Mieter ein gegenüber den gesetzlichen Vorschriften erhöhter Bestandsschutz eingeräumt. Für eine Kündigung genügt dann das in § 573 Abs. 2 BGB genannte berechtigte Interesse des Vermieters nicht (BGH v. 16.10.2013 – VIII ZR 57/13). Es muss vielmehr ein besonderer Ausnahmefall vorliegen, der die Beendigung des Mietverhältnisses notwendig macht (LG Berlin v. 28.7.2015 – 63 S 86/14 -).
Ist im Nutzungsvertrag das Recht zur Eigenbedarfskündigung ausgeschlossen, kann sich der Mieter darauf auch gegenüber dem Käufer der Wohnung – der nicht die Rechtsform einer Genossenschaft hat – berufen (BGH v. 21.2.2012 – VIII ZR 250/11, hier war infolge der Insolvenz der Genossenschaft die Mitgliedschaft des Genossenschaftsmieters erloschen; OLG Karlsruhe v. 21.1.1985 – 3 REMiet 8/84 -). Der Verzicht auf das Recht zur ordentlichen Kündigung (Eigenbedarf) bedeutet aber nicht, dass damit auch fristlose Kündigungen ausgeschlossen wären (BGH v. 9.5.2012 – VIII ZR 327/11). Selbstverständlich ist aber auch die Vereinbarung von strengeren (zu Gunsten des Mieters wirkenden) Voraussetzungen für die fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs zulässig und wirksam (AG Hamburg-St.Georg v. 14.1.2004 – 917 C 112/02 -).
14. Stirbt das Genossenschaftsmitglied
tritt der Erbe, Ehegatte oder Haushaltsangehörige nach den mietrechtlichen Vorschriften der §§ 563 – 564 BGB in das Mietverhältnis über die Wohnung ein (OLG Karlsruhe v. 23.12.1983 – 9 REMiet 4/83 -). Allein der Umstand, dass ein in das Mietverhältnis Eingetretener kein Mitglied der vermieteten Genossenschaft ist, stellt keinen, die Genossenschaft zur Kündigung berechtigenden wichtigen Grund im Sinne des § 563 Abs. 4 BGB dar (AG Hamburg-Barmbek v. 15.1.2009 – 822 C 456/07 -).
Eine Kündigung nach § 573 Abs. 1 BGB ist hier allerdings möglich, wenn sich der Eingetretene weigert, die Mitgliedschaft zu erwerben. Das Aufnahmegesuch des Eintretenden darf grundsätzlich nicht verweigert werden (LG Frankfurt v. 13.3.1968 – 2/1 S 381/67 -; LG Bremen v. 5.11.1974 – 16 S 288/74 -; AG Hamburg v. 4.7.2006 – 48 C 126/08 -).
Tritt ein Familienangehöriger in das Nutzungsverhältnis über eine Genossenschaftswohnung ein, bei der er bereits eine eigene Wohnung nutzt, so liegt ein wichtiger Grund zur Kündigung einer der beiden Wohnungen vor (LG Nürnberg-Fürth v. 19.12.1983 – 7 S 5694/81 -).
29.03.2022