Leitsatz:
Bei einer erheblichen Verringerung der Fensterfläche nach Modernisierung ist pro Fenster eine Minderung um 3 Prozent gerechtfertigt.
AG Tempelhof-Kreuzberg vom 14.12.2017 – 8 C 186/17 –
Mitgeteilt von RAin Andrea Klette
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Die Höhe der Mietminderung war auch hier aufgrund der Umstände des Einzelfalls zu bemessen und hing insbesondere von der Schwere des Mangels sowie dem Grad und der Dauer der Minderung der Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch ab. Die bei der vom Vermieter durchgeführten Modernisierungsmaßnahme unstreitig erfolgte Verkleinerung der Flächen an den Fenstern in vier Zimmern von über 30 Prozent und die durch das Aufbringen der Dämmplatten deutlich dicker gewordene Außenmauer führen nach allgemeiner Lebenserfahrung zu einem geringeren Tageslichteinfall in die Wohnung. Dieser Mangel rechtfertigt nach Ansicht des Gerichts eine Mietminderung von insgesamt 12 Prozent.
Urteilstext
Tatbestand
Die Klägerin mietete mit Vertrag vom 12. Januar 2010, auf den wegen der Einzelheiten ergänzend Bezug genommen wird, die Wohnung im W.-Damm x, 1xxxx Berlin, 1. OG rechts mit 2,5 Zimmern von·der Beklagten.·
Nach Durchführung einer mit Schreiben vom 6. Juni 2013 angekündigten Modernisierungsmaßnahme, bei der u.a. die vorhandenen Doppelkastenfenster durch Kunststofffenster ersetzt und die Fassade durch das Aufbringen von Dämmplatten gedämmt wurde, erhöhte die Beklagte die im Mietvertrag vereinbarte Nettokaltmiete einschließlich Nebenkostenvorauszahlungen mit Schreiben yom 25. September 2014 ab Dezember 2014 auf 581,76 € monatlich.
Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 21. November 2014, dass ihre Zahlung der Modernisierungskosten ab Dezember 2014 unter Vorbehalt erfolgen würde, die Zahlungen der Klägerin erfolgten sodann ankündigungsgemäß in voller Höhe.
Ab Dezember 2016 betrug die Miete nach einer Erhöhung der Nebenkostenvorauszahlungen um 11 € nunmehr insgesamt 592,76 € monatlich, die die Klägerin weiterhin in voller Höhe an die Beklagte leistete.
Durch die breitere Rahmenkonstruktion und die dickeren in den Fenstern vorhandenen Sprossen verringerte sich infolge der vorgenannten Modernisierungsmaßnahmen die Glasfläche der Fenster in der Küche um 32,72%, im Wohnzimmer um 32,28%, im kleinen Zimmer um 32,73% und im Bad um 35,56%, allein im Balkonzimmer verblieb die Fensterfläche annähernd gleich.
Die Klägerin behauptet, die aus Dämmplatten und Putz bestehende Schicht, die im Rahmen der Modernisierung aufgetragen wurde, sei 16 cm dick, wodurch zusammen mit der geringeren Fensterfläche kaum mehr Tageslicht in die Wohnung falle und sie öfter und früher das Licht einschalten müsse.
Mit der der Beklagten am 3. Juli 2017 zugestellten Klage macht die Klägerin ein Minderungsrecht i.H.v. 12% in Gestalt eines Rückzahlungsverlangens für den Zeitraum Dezember 2014 bis Mai 2017 sowie eines Feststellungsbegehrens geltend.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.102,22 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
2. festzustellen, dass die von der Klägerin jeweils geschuldete monatliche Bruttomiete seit dem 1. Juni 2017 um jeweils 12 % aufgrund des verringerten Lichteinfalls durch die aufgebrachte Außendämmung und Verkleinerung der Fensterflächen gemindert ist.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, die geringere Fensterfläche sei bei der fachgerecht vorgenommenen Aufbringung der Wärmedämmung unvermeidbar, da das tatsächlich lediglich 14 cm dicke Dämmmaterial zur Erzielung der Dämmung erforderlich gewesen sei, die Rahmenkonstruktion der Fenster wegen des höheren Gewichts notwendigerweise dicker sein müsse und auch ein 4 cm starker Aufbau in den Fenstern erforderlich gewesen sei, wobei die in den Fenstern vorhandenen historischen Sprossen aus denkmalschutzrechtlichen Gründen zwingend gewesen seien.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist in der Sache erfolgreich.
I. Der Klägerin steht·der mit dem Klageantrag zu 1. geltend gemachten Zahlungsanspruch i.H.v. 2.102,22 € gegen die Beklagte aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 f BGB i.V.m. dem Mietvertrag vom 12. Januar 2010 zu.
1. Die Mietzahlungen der Klägerin für die Monate Dezember 2014 bis Mai 2017 erfolgten i.H.v. jeweils 12 % der jeweiligen·Gesamtmiete ohne Rechtsgrund i.S.v. § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB, da die Miete insoweit gemäß § 536 Abs. 1 Satz 2 BGB infolge des verringerten Lichteinfalls und der daraus resultierenden Tauglichkeitseinschränkung der Mietsache in dieser Höhe herabgesetzt ist.
a. Seit Einbau der neuen Fenster im Rahmen der von der Beklagten durchgeführten Modernisierungsmaßnahme liegt ein Mangel der Mietsache i.S.v. § 536 Abs. 1 BGB in Gestalt des geringeren Lichteinfalls vor, der die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch nach Ansicht des Gerichts mindert.
Der vertragsgemäße Gebrauch der Wohnung wird durch den Zustand bestimmt,·den die Wohnung bei Vertragsschluss hatte. Da ein Vermieter diesen Zustand grundsätzlich nicht einseitig zum Nachteil des Mieters ändern darf, muss der Vermieter, wenn eine Wohnung mit Fenstern einer bestimmten Größe ausgestattet ist, diese Gegebenheiten bei einer Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahme berücksichtigen und dafür sorgen, dass der ursprüngliche Lichteinfall ohne Abstriche erhalten bleibt (siehe LG Berlin, Urteil vom 08. Januar 2004 – 67 S 312/01, Rn. 4, juris).
Bereits eine Verringerung der Glasfläche um 23 % stellt einen Mangel der Mietsache dar, der zu einer Beeinträchtigung des vertragsgemäßen Gebrauches führt (LG Berlin, a.a.O., Rn. 6, juris).
Die bei der von der Klägerin durchgeführten Modernisierungsmaßnahme unstreitig erfolgte Verkleinerung der Flächen an den Fenstern in jedenfalls vier Zimmern von über 30 % und die durch das Aufbringen der Dämmplatten deutlich dicker gewordene Außenmauer führen nach allgemeiner Lebenserfahrung zu einem geringen Tageslichteinfall in die Wohnung. Die von der Klägerin konkret dargelegte Belichtungssituation der Wohnung hat die Beklagte nicht in erheblicher Weise bestritten. Insoweit kann sich die Beklagte auch nicht mit Erfolg auf die von ihr zitierte Entscheidung des Landgerichts berufen, da dort konkrete nähere Angaben zu den tatsächlichen Auswirkungen von der Mieterseite fehlten (siehe LG Berlin Urt. v. 6.5.2011 – 63 S 373/10, BeckRS 2012, 03465, beck-online).
b. Auch steht der Annahme eines zur Minderung der Miete führenden Mangels i.S.v. § 536 Abs. 1 BGB nicht entgegen, dass die Veränderung der Mietsache durch eine von der Beklagten angekündigten Modernisierung erfolgt ist, die die Klägerin geduldet hat.
Nach·Ansicht des Gerichts führt eine energetische Modernisierung i.S.v. § 555b Nr. 1 BGB zunächst lediglich dazu, dass der Mieter diese Maßnahme gemäß § 555d Abs. 1 BGB zu dulden und ggf. gemäß § 559 BGB die vom Vermieter verlangte erhöhte Miete zu entrichten hat. Ob die Annahme eines zur Minderung berechtigenden Mangel als Folge der Modernisierungsmaßnahme ausscheidet und die mit·der Modernisierung verbundene Verschlechterung der Mietsache nur im Rahmen des Härteeinwands nach § 555d Abs. 2 BGB zu berücksichtigen ist, wenn auf Grund der baulichen Gegebenheiten bei den vorhandenen Fensteröffnungen nur der·Einbau von Isolierfenstern in der vorliegenden Art und Weise möglich war (siehe LG Berlin, Urteil vom 08. Januar 2004, 67 S 312/01, Rn. 7, juris), kann hier dahinstehen, da das·Gericht nicht erkennen kann, dass die Verringerung der Fensterflächen in ihrem unstreitigen Ausmaß unvermeidbar gewesen wäre. Der Vortrag der Beklagten, das Vorhandensein der historischen Sprossen in den neuen Fenstern sei denkmalschutzrechtlich zwingend, mag zutreffend sein, kann für das Gericht eine Verringerung der Fensterflächen nicht begründen, da nach den Vorgaben der Erhaltungsverordnung für das Gebiet „Neu-Tempelhof“ ausweislich der von der Beklagten eingereichten Bewertung der vorhandenen Fensterkonstruktionen der B. GmbH vom 11. Juli 2014 die Sprosseneinteilung sowie die Profildicke und -breite dem Original entsprechen müssen, so dass die Notwendigkeit einer Verringerung der Fensterfläche hiermit nicht nachvollziehbar begründet werden kann.
Auch erschließt sich dem Gericht nicht, warum das höhere Gewicht der Isolierfenster zwingend eine dickere Rahmenkonstruktion zur Folge hat und nicht auch der Einsatz anderer Rahmenmaterialien eine konstant große Fensterfläche im Vergleich zu dem·zuvor bestehenden Zustand zu gewährleisten imstande sein sollte. Auf etwaig höhere Kosten des anderen Materials dürfte es hierbei jedenfalls dann nicht ankommen, wenn die sonst eintretende Verringerung der Fensterfläche, wie vorliegend, von einem erheblichen Ausmaß ist und den Vermieter schon aus dem als vertragliche Nebenpflicht i.S.v. § 241 Abs. 2 BGB zu beachtenden Gebot der Rücksichtnahme zur Verwendung dieser anderen Möglichkeit verpflichten dürfte.
Eine Verwertung des in dem von der Beklagten in Bezug genommenes Parallelverfahren (4 C 381/15 [alt] = 2 C 39/17 [neu]) eingeholten Sachverständigengutachtens gemäß § 411a ZPO kommt von vornherein nicht in Betracht, da eine Übertragbarkeit der dort gewonnenen Erkenntnisse angesichts der Unterschiede der betroffenen Wohnung nicht ersichtlich ist. Die Einholung des von der Beklagten als Beweismittel angebotenen Sachverständigengutachtens ist ebenfalls nicht erforderlich, da das Gericht aus den vorgenannten Gründen keinen prozessual hinreichenden Sachvortrag zu dieser Frage erkennen kann und die Beweiserhebung daher auf eine dem Zivilprozess fremde Ausforschung des Sachverhalts hinauslaufen würde.
2. Die aus der schlechteren Belichtung der Wohnung folgende Einschränkung der Gebrauchstauglichkeit führt nach Ansicht des Gerichts zu einer Minderung i.H.v. 12 %.
Die Höhe der Mietminderung ist auf Grund der Umstände des Einzelfalls zu bemessen und hängt insbesondere von der Schwere des Mangels sowie dem Grad und der Dauer der Minderung der Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch ab (siehe .Schmidt-Futterer/Eisenschmid BGB § 536 Rn. 389). Bei einer erheblichen Verringerung der Fensterfläche ist pro Fenster eine Minderung um 3 % gerechtfertigt (siehe LG Berlin, Urteil vom 8. Januar 2004 – 67 S 312/01, Rn. 11, juris).
Die sich angesichts der vier in der Wohnung der·Klägerin·betroffenen Fenster, bei denen eine ganz erhebliche Verringerung der Fensterflächen vorliegt, rechtfertigen unter Berücksichtigung sämtlicher ersichtlicher Umstände·des vorliegenden Falles wegen der in erheblicher Weise schlechteren Belichtung der Wohnung, die für die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache zu Wohnzwecken von nicht nur untergeordneter Bedeutung ist, die von der Klägerin geltend gemachte Minderungsquote von 12 %.
3. Der sich hieraus ergebende Rückforderungsanspruch der Klägerin beläuft sich danach für den Zeitraum von Dezember 2014 bis Mai 2017 auf insgesamt 2.102,22 €.
Für den Zeitraum von Dezember 2014 bis November 2016 (24 Monate) zahlte die Klägerin unstreitig jeweils 581,76 € an die Beklagte, während die gemäß § 536 Abs. 1 Satz 2 BGB geminderte Miete lediglich 511,95 € (581,76 €- 69,81 € [= 20 %]) betrug, so dass die Klägerin in diesem Zeitraum 24 x 69,81 € = 1.67$,44 € ohne Rechtsgrund gezahlt hat.
Für den Zeitraum von Dezember 2016 bis Mai 2017 (6 Monate) zahlte die Klägerin unstreitig jeweils die erhöhte Miete i.H.v. 592,76 €, während die gemäß § 536 Abs. 1 Satz 2 BGB geminderte Miete lediglich 521,63 € (592,76 € – 71,13 € [20 %]) betrug, so dass die Klägerin in diesem Zeitraum 6 x 71,13 € = 426,78 €·ohne Rechtsgrund gezahlt hat.
4. Schließlich ist der Rückforderungsanspruch der Klägerin aus § 82 BGB auch nicht gemäß § 814 BGB ausgeschlossen.
Gemäß § 814 Var. 1 BGB kann das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. Eine positive Kenntnis der Klägerin von der Nichtschuld, die die Beklagte als Empfängerin der Leistung zu beweisen hätte (siehe MüKoBGB/Schwab BGB § 814 Rn. 23) kann das Gericht nicht erkennen. Jedenfalls hat die Klägerin in ihrem Schreiben vom 21. November 2014 gegenüber der Beklagten ihre Zahlungen unter den Vorbehalt einer Rückforderung gestellt, was die Anwendung des § 814 BGB selbst bei Kenntnis des Leistenden vom Fehlen der Verpflichtung ausschließt (siehe MüKoBGB/Schwab BGB § 814 Rn. 9). Der von der Klägerin ausgesprochene Vorbehalt im vorgenannten Schreiben weist, auch wenn wörtlich von·den „Modernisierungskosten“ gesprochen wird, einen hinreichenden Bezug zu den nach der Modernisierung zu leistenden Mieten auf, um ein aus Sicht der Beklagten widersprüchliches Verhalten der Klägerin bei der Rückforderung der gezahlten Mieten mit der vorliegenden Klage ausschließen zu können.
5. Der Anspruch auf Rechtshängigkeitszinsen folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
II. Der Klageantrag zu 2., mit dem die Klägerin die Feststellung der Minderung für den Zeitraum ab Juni 2017 begehrt, ist gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässig und auch begründet. Denn die von der Klägerin zu entrichtende Miete ist aus den vorgenannten Gründen, auf deren nochmalige Darstellung zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen verzichtet wird, gemäß § 536 Abs. 1 Satz 2 BGB um·12% gemindert.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1, Satz 2 ZPO.
14.05.2018