Leitsatz:
Zur Frage, ob der Mieter den Einbau einer Fußbodenheizung als Modernisierung zu dulden hat, wenn er wegen dieser Baumaßnahme für drei Monate in eine Ersatzwohnung ausweichen müsste.
LG Berlin vom 17.5.2018 – 64 S 145/17 –
Mitgeteilt von RA Cornelius Krakau
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Hier hat das Landgericht entschieden, dass ein Mieter nicht in jedem Fall den Einbau einer Fußbodenheizung dulden muss. Zwar erhöhe der Einbau einer Fußbodenheizung grundsätzlich den Wohnwert der Mieträume. Unabhängig von der erhöhten Stellmöglichkeit aufgrund des Wegfalls von Heizkörpern sorge eine Fußbodenheizung auch für ein angenehmeres Raumklima durch die gleichmäßigere Verteilung der Wärme bei geringerer Vorlauftemperatur. Dieser Vorteil wirke sich auch bei kleineren Wohnungen im niedrigeren Mietpreissegment positiv auf die Vermarktung aus.
Allerdings könne der Einbau einer Fußbodenheizung eine Härte im Sinne des § 555 d Abs. 2 S. 1 BGB für die Mieter bedeuten. Dies sei der Fall, wenn die Wohnung für die Zeit der Bauarbeiten von drei Monaten komplett ausgeräumt werden müsse und die Mieter in eine Ersatzwohnung ausweichen müssten. Ein solcher Umzug sei den Mietern auch unter Würdigung der berechtigten Interessen der Vermieter nicht zuzumuten.
Aufgabe des Wohnraummietrechts sei es nämlich, die miteinander konkurrierenden Eigentumspositionen von Mieter und Vermieter inhaltlich auszugestalten und die jeweiligen Befugnisse so zu bestimmen, dass die beiden Eigentumspositionen angemessen gewahrt blieben, insbesondere die schutzwürdigen Interessen beider Seiten berücksichtigt und in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht würden. Die vorübergehende vollständige Räumung einzelner Zimmer, ein Zwischenumzug der Mieter oder ein Ausweichen ins Hotel komme daher in der Regel nur in Betracht, wenn ganz besonders schwerwiegende, zwingende Gründe für die Modernisierung sprächen.
Im vorliegenden Fall hätten die Vermieter solche Gründe nicht dargelegt. Insbesondere hätten sie nicht vorgetragen, dass die Modernisierung dringend sei und das Ende des Mietverhältnisses mit den Mietern für die Durchführung der Maßnahmen nicht abgewartet werden könnte. Den Mietern könne daher ohne Hinzutreten besonderer Umstände nicht zugemutet werden, für die Dauer der Bauarbeiten aus der Wohnung auszuziehen.
Urteilstext
Gründe:
I.
Wegen des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angegriffenen Urteils Bezug genommen, § 540 Abs. 1 ZPO. lm Übrigen wird von der Darstellung des Tatbestandes abgesehen, §§ 540 Abs. 2,·313 a Abs. 1 ZPO.
II.
1. Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere nach § 511 Abs. 2 ZPO statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 517, 519, 520 ZPO.
2. Sie ist jedoch unbegründet, denn das Amtsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf Duldung der begehrten Maßnahmen aus §§ 555 b, 555 d Abs. 1 BGB.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerinnen hinsichtlich des Einbaus der bodentiefen Fensteranlage gegeben. Denn ohne die Feststellung einer entsprechenden Duldung wären sie zum Rückbau verpflichtet.
Die Klage ist jedoch unbegründet.
a) Das Amtsgericht hat zutreffend erkannt, dass ein Duldungsanspruch der Klägerinnen gegen die Beklagten hinsichtlich des Einbaus einer Fußbodenheizung gemäß §§ 555 b, 555 d Abs. 1 BGB nicht besteht. ·
Zunächst geht das Amtsgericht zutreffend davon aus, dass die Klägerinnen die Maßnahme nicht ordnungsgemäß angekündigt haben, § 555 c BGB. Gemäß § 555 c Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB muss die Modernisierungsankündigung Angaben über·die Art und den voraussichtlichen Umfang der Modernisierungsmaßnahmen in wesentlichen Zügen enthalten. Dies beinhaltet regelmäßig bei einer energetischen Modernisierung die Darlegung, dass die geplante Maßnahme zu einer Endenergieeinsparung führt (Schmidt-Futterer/Eisenschmid BGB § 555 c Rn. 57-59, beck-online). Dafür ist es notwendig, den alten und neuen Zustand durch gegenständliche Beschreibung oder Mitteilung der Wärmedurchgangskoeffizienten so genau anzugeben, dass ein Vergleich möglich ist (Palandt/Weidenkaff BGB, 76. Auflage,·§ 555 c Rn. 6). Diese Anforderungen erfüllt die Ankündigung der Klägerinnen vom 20.07.2016 nicht. Denn es kann nicht zweifelsfrei festgestellt werden, im Vergleich zu welcher Heizkörperheizungsanlage sich eine Energieeinsparung von bis zu 25 % ergeben soll. ln der Modernisierungsankündigung steht, dass durch die Fußbodenheizung im Vergleich zu einer Heizkörperheizungsanlage Endenergie von bis zu 25 % eingespart wird. Es ist jedoch nicht ersichtlich, ob mit „einer“ Heizkörperheizungsanlage die derzeit in der Wohnung der Beklagten vorhandene oder die gemäß Ankündigung vom. 30.05.2013 geplante Heizkörperheizungsanlage gemeint ist.
Zwar erhöht der Einbau einer Fußbodenheizung generell den Wohnwert der·Mieträume (LG Berlin, Urteil v. 18.01.2018, – 64 S 7/17 -). Unabhängig von der erhöhten Stellmöglichkeit aufgrund des Wegfalls von Heizkörpern, sorgt eine Fußbodenheizung auch für ein angenehmeres Raumklima durch die gleichmäßigere Verteilung der Wärme bei geringerer Vorlauftemperatur. Dieser Vorteil wirkt sich auch in den vorliegend einschlägigen Verkehrskreisen, d.h. in kleineren Wohnungen im niedrigeren Mietpreissegment, positiv auf die Vermarktung aus. Auf der anderen Seite handelt es sich dabei nicht um eine Luxusmodernisierung.
Allerdings würde der Einbau einer Fußbodenheizung eine Härte im Sinne des § 555 d Abs. 2 S. 1 BGB für die Beklagten bedeuten. Denn die Wohnung müsste laut der Ankündigung vom 20.07.2016 für die Zeit der Bauarbeiten von drei Monaten komplett ausgeräumt werden und die Beklagten müssten in eine Ersatzwohnung ausweichen. Ein solcher Umzug ist den Beklagten auch unter Würdigung der berechtigten Interessen der Klägerinnen nicht zuzumuten.
Das Besitzrecht des Mieters ist eigentumsrechtlich geschützt und räumt ihm die Nutzungs- und .Verfügungsbefugnis sowie gegen jedermann wirkende Schutzrechte ein (BVerfG, Beschluss vom 08.01.1985- 1 BvR 792, 501/83, NJW 1985, 2633- beck-online). Einmal entstanden, genießt das Besitzrecht Bestandsschutz, soweit es nicht durch eine wirksame Kündigung beendet wurde.
Aufgabe des Wohnraummietrechts ist es, die miteinander konkurrierenden Eigentumspositionen von Mieter und Vermieter inhaltlich auszugestalten und die jeweiligen Befugnisse so zu bestimmen, dass die beiden Eigentumspositionen angemessen gewahrt bleiben, insbesondere die schutzwürdigen Interessen beider Seiten berücksichtigt und in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht werden. Die vorübergehende vollständige Räumung einzelner Zimmer, ein Zwischenumzug der Mieter oder ein Ausweichen ins Hotel kommt daher in der Regel nur in Betracht, wenn ganz besonders schwerwiegende, zwingende Gründe für die Modernisierung sprechen (Schmid Futterer/Eisenschmid BGB § 555 d Rn. 24-30, beck-online).
Die Klägerinnen haben solche Gründe·nicht dargelegt. Insbesondere haben sie nicht vorgetragen, dass die Modernisierung dringend sei und das Ende des Mietverhältnisses mit den Beklagten für die Durchführung der Maßnahmen nicht abgewartet werden könnte. Den Beklagten kann ohne Hinzutreten besonderer Umstände nicht zugemutet werden, für die Dauer der Bauarbeiten aus der Wohnung·auszuziehen. Insoweit ist es irrelevant,·dass die Beklagten über eine 1-Zimmerwohnung in Kellenhusen der Ostsee verfügen. Denn es macht keinen Unterschied, wohin die Mieter für die Zeit der Baumaßnahmen hinziehen könnten. Vielmehr ist angesichts des Schutzzwecks des § 555 d Abs. 2 S. 1 BGB. entscheidend, dass sie überhaupt ausziehen und die Belastungen eines Umzuges auf sich nehmen müssten.
b) Die Klägerinnen haben keinen Anspruch gegen die Beklagten auf Duldung des Einbaus einer bodentiefen Fensteranlage gemäß §§ 555 b, 555 d Abs. 1 BGB.
Der Einbau von bodentiefen Fenstern stellt nicht generell eine Wohnwertverbesserung im Sinne des § 555 b Nr. 4 BGB dar. Eine Wohnwertverbesserung ist jede bauliche Veränderung der Mietsache, die im Rahmen. ihres Zwecks den Gebrauchswert erhöht und eine bessere Benutzung ermöglicht. Der Maßstab, nach dem beurteilt werden muss, ob der Wohnwert verbessert wird, orientiert sich nicht an der Wertung des derzeitigen Mieters, sondern allein an der Verkehrsanschauung. Entscheidend ist, ob die Maßnahme nach der Verkehrsanschauung geeignet ist, die Attraktivität der Mietsache für künftige Mietinteressenten zu erhöhen (Palandt/Weidenkaff, BGB 76. Auflage, § 555 b Rn. 7).
Zwar kann davon ausgegangen werden, dass mit der größeren Fensterfläche der Lichteinfall im Zimmer 2 größer ist. Allerdings ist ein größerer Lichteinfall im Hinblick darauf, dass sich die Wohnung im 7. OG befindet, zuvor bereits ein 3-flügeliges Fenster von ca. 200 cm Breite und ca. 130 cm Höhe vorhanden war und das Zimmer als Schlafzimmer benutzt wird, nicht allgemein als Wohnwertverbesserung zu sehen.
Die Klägerinnen haben auch nicht hinreichend dargelegt, dass sich der Raum mit dem bodentiefen Fenster besser belüften lässt als mit dem Fenster, dessen Einbau die Beklagten gemäß Teilurteil des Amtsgerichts Charlottenburg vom 20.01.2015 zur Duldung verpflichtet wurden. Denn bei beiden Fenster sind die Flügel mit Dreh-/Kippfunktion ausgestattet, sodass ein Unterschied nicht ersichtlich ist.
Ferner erhöht sich mit der größeren Fensterfläche der Blickeinfall in das Zimmer. Dies ist nach der Verkehrsanschauung als nicht wünschenswert zu sehen. Das Schlafzimmer einer Wohnung stellt allgemein einen privaten Rückzugs- und Entspannungsort dar. Es ist·davon auszugehen, dass Mietinteressenten nicht möchten, dass andere Personen in das Zimmer hineinschauen können. Aufgrund der Errichtung eines Neubaus gegenüber von der Hausfassade mit der bodentiefen Fensteranlage der streitgegenständlichen Wohnung muss jedoch verstärkt damit gerechnet werden. Die größere Fensterfläche erhöht das Gefühl, beobachtet zu werden. Dieser Nachteil kann nicht durch das Anbringen von Vorhängen oder Gardinen an dem Fenster ausgeglichen werden. Denn bei ständig zugezogenen entsprechenden Vorrichtungen wirkt sich ein bodentiefes Fenster erst Recht nicht positiv aus. Auch kann das größere Zimmer 1 der Wohnung, das derzeit als Wohnzimmer benutzt wird, nicht als Schlafzimmer umfunktioniert werden. Denn es verfügt über eine bodentiefe Balkontür aus Kunststoffisolierglas mit zwei Flügeln, sodass sich derzeit keines der zwei Zimmer der Wohnung als Schlafzimmer eignet. Daher erhöht der Einbau der bodentiefen Fensteranlage die Attraktivität der Mietsache für künftige Mietinteressenten nicht.
c) Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf Duldung der Änderungsmaßnahmen im Bad gemäß §§ 555 b Nr. 4, 555 d Abs. 1 BGB.
Die Verlegung des Waschmaschinenanschluss stellt schon keine Wohnwertverbesserung dar, weil ein Anschluss im Badezimmer bereits vor den angekündigten Maßnahmen vorhanden war: Der Einbau einer Dusche zusätzlich zu einer bereits vorhandenen Badewanne bringt grundsätzlich eine Wohnwertverbesserung mit sich.
Allerdings hätte der Einbau der Dusche eine Grundrissänderung der Wohnung zur Folge.·Die Veränderung der Raumaufteilung muss nicht zwangsläufig·einen Modernisierungscharakter haben (Schmidt-Futterer/Eisenschmid BGB § 555 b Rn. 86-87, beck-online). Die Beurteilung, ob darin eine Wohnwertverbesserung zu sehen ist, unterliegt keiner generalisierenden sondern einer Einzelfallbetrachtung unter Berücksichtigung des·konkreten Zuschnitts der Wohnung, der Wohnungsgröße und sonstiger baulichen Details sowie der allgemeinen Wohnbedürfnisse für die in Betracht kommenden Mieterkreise. Erhebliche Grundrissveränderungen fallen nicht unter den Modernisierungsbegriff. ln solchen Fällen kann sich eine Duldungspflicht des Mieters nur aus § 242 BGB ergeben (Schmidt-Futterer/Eisenschmid BGB § 555 b Rn. 86-87, beck-online).
Die Grundrissänderung hätte eine Verengerung des Flures um einen Meter in der Breite entlang des Bades zur Folge. Dadurch bekäme der Flur einen eckigen Schnitt. Es wäre weniger Stellplatz für Möbel vorhanden. Nach dem geplanten Grundriss könnte der Zutritt zum Zimmer 2 nicht mehr über den Flur erfolgen. Stattdessen müsste ein neuer Vorflur im Zimmer 1 errichtet werden, wodurch die Fläche des Zimmers 1·verringert würde und den fehlenden Stauraum im Flur nicht kompensiert würde. Die Verkleinerung des Flures und des Zimmers 1 sowie die Schnittänderung wirken sich bei einer Zweizimmerwohnung mit einer Fläche von 56 m² negativ aus. Der Mieter, der eine Wohnung mit einem bestimmten Grundriss angemietet hat und diese entsprechend möbliert hat, muss grundsätzlich nicht hinnehmen, dass er seine Möbel nicht mehr stellen kann. Der Vorteil durch den Einbau einer Dusche bei bereits vorhandener Badewanne mit Duschmöglichkeit überwiegt nicht gegenüber der nachteiligen Änderung von Größe und Schnitt der Räume.
Eine Pflicht der Beklagten zur Duldung der Änderungen im Bad aus § 242 BGB ist nicht gegeben. Im Rahmen des § 242 BGB kann·es zwar je nach den Umständen des einzelnen Falles möglich sein, dass der Mieter Baumaßnahmen, die nicht unter den Modernisierungsbegriff fallen, dulden muss. Es kommt aber nicht allein darauf an, ob dem Mieter die Beeinträchtigung, die die Baumaßnahme oder deren Durchführung mit sich bringt, zuzumuten ist. Vielmehr ist entscheidend, ob dem Vermieter die Unterlassung der geplanten Baumaßnahme oder deren Verschiebung bis zum Ende des Mietvertrages zugemutet werden kann. Dabei ist Ausgangspunkt der Grundsatz, dass Verträge zu halten sind, und dass der Mieter deshalb einen Anspruch auf ungestörten Mietbesitz hat. Das bedeutet, dass die Frage, ob ihm dennoch den Mietbesitz störende Neubaumaßnahmen zuzumuten sind, erst dann zu prüfen ist, wenn zuvor feststeht, dass dem Vermieter nicht zugemutet werden kann, die Baumaßnahmen zu unterlassen oder zu verschieben (BGH, Urteil vom 23.2. 1972 -VIII ZR 91/70, NJW 1972, 723, beck-online). Die Klägerinnen haben vorliegend keine Umstände dargelegt, weshalb es ihnen nicht zuzumuten wäre, das Ende des Mietverhältnisses abzuwarten, um die Änderungsmaßnahmen durchzuführen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO.
Anlass, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen, besteht nicht. Grundsätzliche, ihrer Bedeutung nach über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfragen sind nicht betroffen. Eine Revisionszulassung zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung ist ebenfalls nicht geboten.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 41 Abs. 5 S. 1 Var. 3 GKG.
20.10.2018