Leitsatz:
Erfordert die umfängliche Modernisierung der Wohnung einen 14-monatigen Auszug des Mieters, stellt dies eine unzumutbare Härte dar, die den Mieter berechtigt, seine Duldung zu verweigern.
LG Berlin vom 18.10.2013 – 63 S 446/12 –
Mitgeteilt von RA Johann Heinrich Lüth
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Ausweislich der Modernisierungsankündigung war eine Vollsanierung des Gebäudes, verbunden mit einem 14-monatigen Auszug der Mieter, beabsichtigt. Die Duldungsklage des Vermieters wies das Landgericht ab. Eine Modernisierungsmaßnahme eines derartigen Umfangs sei für den Mieter nicht nur hart, sondern gehe insbesondere vor dem Hintergrund der mit den angekündigten Maßnahmen verbundenen mehr als einjährigen Wohnungsaufgabe weit über das Maß des Erträglichen und Zumutbaren hinaus. Es bestehe auch keine Duldungspflicht hinsichtlich einzelner Maßnahmen, da das Vorliegen einer nicht zu rechtfertigenden Härte unter Zugrundelegung der vom Vermieter angekündigten Maßnahmen und ihrer Folgen zu beurteilen sei. In der Modernisierungsankündigung sei aber den Mietern unterschiedslos für sämtliche Maßnahmen mitgeteilt worden, dass das Gebäude vor Durchführung der Maßnahmen – für einen langfristigen Zeitraum – zu räumen sei. Dies stelle für jede der angekündigten Maßnahmen eine nicht zu rechtfertigende Härte dar.
Urteilstext
Aus den Gründen:
… Die Beklagte ist zumindest derzeit nicht zur Duldung der streitgegenständlichen Modernisierungsmaßnahmen verpflichtet. Ein Mieter ist nach dem hier gemäß Art. 229 § 29 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB noch anzuwendenden § 554 Abs. 2 Satz 2 BGB a.F. nicht zur Duldung verpflichtet, wenn die Maßnahme für ihn, seine Familie oder einen Angehörigen seines Haushaltes eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters und anderer Mieter in dem Gebäude nicht zu rechtfertigen ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend aufgrund des erheblichen Umfangs der mit der begehrten Modernisierung zusammenhängenden Maßnahmen erfüllt. Denn je länger die zu duldenden Maßnahmen andauern und je umfangreicher die Modernisierungsmaßnahmen sind, desto eher ist eine Härte anzunehmen. Die vorübergehende vollständige Räumung einzelner Zimmer, ein Zwischenumzug oder ein Ausweichen kommt ausnahmsweise nur in Betracht, wenn ganz besonders schwerwiegende Gründe für die Modernisierung sprechen (vgl. Bieber, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, § 554 Rz. 30; Eisenschmidt, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 10. Aufl. 2011, § 554 Rz. 200).
Gemessen an diesen Grundsätzen liegt eine nicht zu rechtfertigende Härte vor. Denn bereits ausweislich der Modernisierungsankündigung vom 31. Oktober 2011 ist eine Vollsanierung des Objektes, verbunden mit einem 14-monatigen Auszug der Mieter, beabsichtigt. Eine Modernisierungsmaßnahme eines derartigen Umfangs ist für den Mieter nicht nur hart, sondern geht insbesondere vor dem Hintergrund der mit den angekündigten Maßnahmen verbundenen mehr als einjährigen Wohnungsaufgabe weit über das Maß des Erträglichen und Zumutbaren hinaus. Dies gilt erst recht angesichts der der Kammer bekannten sonstigen baulichen Maßnahmen, die das streitgegenständliche Gebäude bereits seit Jahren unmittelbar und mittelbar in einem nicht lediglich unerheblichen Umfang betreffen. An dieser Beurteilung würde sich zumindest derzeit selbst dann nichts ändern, wenn – hier indes nicht ersichtliche – schwerwiegende Gründe zur Durchführung der Maßnahmen Veranlassung gegeben hätten. Davon ausgehend sind die im Hauptantrag näher bezeichneten und auch ausweislich des damit verbundenen Räumungsantrags mit einem langfristigen Auszug der Beklagten verbundenen Maßnahmen von dieser zumindest derzeit nicht zu dulden.
Es besteht auch keine Duldungspflicht hinsichtlich einzelner Maßnahmen, da sich das Vorliegen einer nicht zu rechtfertigenden Härte unter Zugrundelegung der vom Vermieter gemäß § 554 Abs. 3 Satz 1 BGB a.F. angekündigten Maßnahmen und ihrer Folgen zu beurteilen ist. In der Modernisierungsankündigung vom 31. Oktober 2011 aber ist den Mietern unterschiedslos für sämtliche Maßnahmen mitgeteilt worden, dass das Gebäude vor Durchführung der Maßnahmen – für einen langfristigen – Zeitraum zu räumen ist. Dies stellt aus vorstehenden Erwägungen für jede der angekündigten Maßnahmen eine nicht zu rechtfertigende Härte dar.
Eine Duldungspflicht ergibt sich auch nicht aufgrund der zum Gegenstand der Hilfsanträge erhobenen weiteren Modernisierungsankündigung vom 31. August 2012. Denn auch ausweislich dieser Modernisierungsankündigung „ist es nicht möglich, dass Sie während der Bauzeit in der Wohnung verbleiben.“ Der im Rahmen der allgemeinen Ausführungen zur Bauausführung unter „Umsetzwohnung und Duldungsverpflichtung“ erfolgte Hinweis bezieht sich nicht lediglich auf konkrete – und für den Mieter abgrenzbare – Einzelmaßnahmen, sondern mangels näherer Eingrenzung der „Bauzeit“ im Text des Ankündigungsschreibens auf den gesamten zum Gegenstand des Duldungsanspruchs erhobenen Maßnahmenkatalog. Da die Klägerin den Auszug der Beklagten deshalb auch insoweit unterschiedslos für jede der angekündigten Maßnahmen in der nachgeschobenen Modernisierungsankündigung für erforderlich erachtet hat, ist auch für jede dieser Maßnahmen eine nicht zu rechtfertigende Härte gegeben. Keine andere Beurteilung rechtfertigen die im Rahmen der Einspruchsschrift geltend gemachten weiteren Hilfsanträge, mit denen die Klägerin lediglich Ausschnitte ihres ursprünglichen Duldungsbegehrens weiter verfolgt. Denn einem Duldungsanspruch der Klägerin stand nach Zugang der Modernisierungsankündigungen und Ablauf der sich aus § 554 Abs. 3 Satz 1 BGB ergebenden Frist die sich aus vorstehenden Erwägungen ergebende nicht zu rechtfertigende Härte entgegen. War die Beklagte aber aufgrund der streitgegenständlichen Modernisierungsankündigungen nicht zur Duldung verpflichtet, konnte ihre Duldungspflicht hinsichtlich einzelner Maßnahmen ohne Ausspruch einer neuerlichen – hinsichtlich des Duldungsumfangs und der gleichzeitig verlangten Räumung geänderten – Modernisierungsankündigung nicht wieder aufleben. An einer derartigen, wegen des den Beklagten im Falle einer Duldungsverpflichtung zustehenden Sonderkündigungsrechts gemäß § 554 Abs. 3 Satz 2 BGB a.F. unabdingbaren neuerlichen Modernisierungsankündigung aber fehlt es.
Eine Duldungspflicht der Beklagten ergibt sich auch nicht aus § 554 Abs. 1 BGB a.F. Zwar muss der Mieter danach Instandhaltungsmaßnahmen dulden, ohne dass dabei sich aus der Duldung etwa ergebende Härten zu seinen Gunsten Berücksichtigung finden. Keine der angekündigten Maßnahmen indes stellt eine bloße Instandhaltungsmaßnahme dar; vielmehr handelt es sich – in Einklang mit den Ausführungen der Berufungsbegründung – ausschließlich um allein gemäß § 554 Abs. 2 BGB a.F. zu beurteilende Modernisierungsmaßnahmen.
Teilweise mit Erfolg wendet sich die Klägerin gegen die von der Beklagten mit der Widerklage geltend gemachten Ansprüche. … [wird ausgeführt]
02.01.2018