Leitsätze:
1. Für Maßnahmen, die dem Vermieter aus baurechtlichen Gründen nicht erlaubt sind, besteht kein Duldungsanspruch.
2. Dies ist der Fall, wenn die angekündigten Baumaßnahmen als bauliche Änderungen im Sinne einer Erhaltungsverordnung des Bezirksamts einem Präventivverbot mit Erlaubnisvorbehalt unterliegen und genehmigungspflichtig sind, der Vermieter jedoch unbestritten keine Genehmigung hat.
3. Ob es in der Modernisierungsankündigung bereits des konkreten Anbietens einer bestimmten Wohnung bedarf, wenn ein Verbleiben des Mieters in der Wohnung während der Bauzeit unmöglich ist, kann offen bleiben; jedenfalls muss der Vermieter hinreichend konkret und verbindlich die Gestellung einer Ersatzwohnung anbieten beziehungsweise zusagen, um den Erfordernissen an eine formell wirksame Ankündigungserklärung zu genügen,
AG Tempelhof-Kreuzberg vom 25.4.2017 – 24 C 224/16 –
Mitgeteilt von RAin Andrea Klette
Urteilstext
Entscheidungsgründe:
Die Klage zulässig, jedoch nicht begründet
I.
Die Klägerin kann vom Beklagten nicht verlangen, die von ihr geplanten Modernisierungen gemäß § 555 d Abs. 1 BGB zu dulden, denn zum einen kann nicht festgestellt werden, dass es sich um zulässige Maßnahmen handelt, zum anderen fehlt es an einer ordnungsgemäßen Ankündigung nach § 555 c Abs. 1 BGB.
1. Im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung stellen sich die geplanten Modernisierungsmaßnahmen als rechtswidrig dar, denn deren Durchführung verstieße gegen Vorschriften des öffentlichen Rechts. Die geplanten Baumaßnahmen unterliegen als bauliche Änderungen nach §§ 1 und 2 der Erhaltungsverordnung „Boxhagener Platz“ des Bezirksamts Friedrichshain von Berlin vom 23. März 1999 in der Fassung der Verordnung zur Änderung der Erhaltungsverordnung vom 14. Mai 1999 einem Präventivverbot mit Erlaubnisvorbehalt; sie sind genehmigungspflichtig. Die Klägerin hat jedoch unbestritten keine Genehmigung.
Für Maßnahmen, die dem Vermieter aus baurechtliehen Gründen nicht erlaubt sind, besteht kein Duldungsanspruch (LG Berlin, Urteil v. 12.08.2016, 65 S 108/16, Rn. 17- iuris; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, Mietrecht, 12. Aufl., § 555 b BGB, Rn. 91). Zwar ist der Klägerin darin zuzustimmen, dass Gegenstand der zivilrechtlichen Duldungsklage der bürgerlich-rechtliche Anspruch des Vermieters gegen den Mieter auf Duldung von Modernisierungsarbeiten ist. Dennoch kann die Frage des Vorliegens einer öffentlich rechtlichen Genehmigung bei der Prüfung dieses Anspruchs nach dem Gebot der Wahrung der Einheit der Rechtsordnung nicht unberücksichtigt bleiben. Jedenfalls dann, wenn – wie hier – die baurechtliche Vorschritt dem erklärten Zweck (vgl. § 2 der ErhaltungsVO) dient, die angestammte Wohnbevölkerung eines Viertels zu erhalten, mithin solche Maßnahmen, die aufgrund ihres Umfangs und der damit verbundenen hohen Kosten zu einer Verdrängung der Wohnbevölkerung führen würden, zu vermeiden, ist es dem Mieter nicht zuzumuten, diese Maßnahmen zu dulden, bevor ihre Rechtmäßigkeit überhaupt feststeht. Ob die Klägerin, wie von ihr behauptet, einen Anspruch auf die Genehmigung der Baumaßnahme hat, ist zunächst von ihr mit der zuständigen Behörde zu klären, nicht jedoch inzident vom erkennenden Gericht. Da die Durchführung der Maßnahmen vor Einholung der Genehmigung verboten ist, sind diese bis dahin formell baurechtswidrig.
Daher obliegt es auch nicht dem Beklagten, im Einzelnen Umstände darzulegen, die gegen die Genehmigungsfähigkeit sprechen. Vielmehr hat die Klägerin spätestens bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung das Genehmigungsverfahren erfolgreich zu durchlaufen. Hiergegen kann sie nicht einwenden, dass dies zu einer unzumutbaren Verzögerung führe. Denn damit müsste sie zugleich konzedieren, dass sämtliche Angaben zum zeitlichen Ablauf der Modernisierung in der Ankündigung Schall und Rauch wären, da sie mit den Maßnahmen ja erst beginnen darf, wenn die Genehmigung vorliegt.
Diese Reihenfolge gebieten auch Billigkeitserwägungen: Obsiegte die Klägerin in der Duldungsklage und erhielte später die Baugenehmigungen nicht, wäre der Beklagte nichtsdestoweniger mit den Verfahrenskosten des Duldungsprozesses belastet. Noch deutlicher: Tenorierte das erkennende Gericht antragsgemäß, dem Beklagten ein Ordnungsgeld bei Zuwiderhandlung anzudrohen, und begänne die Klägerin mit den Baumaßnahmen, zöge die Zuwiderhandlung gegen die- tenorierte – Duldung ein Ordnungsgeld gegen den Beklagten nach sich. Ein solchermaßen unbilliges Ergebnis wird bei Anwendung des Gebots, die Einheit der Rechtsordnung zu wahren, vermieden.
2. Vorstehende Frage kann letztlich aber offen bleiben, denn jedenfalls fehlt es an einer formell ordnungsgemäßen Ankündigung der Baumaßnahmen im Sinne von § 555 c Abs. 1 BGB, denn das Schreiben vom 2. Juli 2016 enthält keine Angaben dazu, wo der Beklagte für die Dauer der Baumaßnahme wohnen kann. Der Beklagte kann daher den Umfang der Modernisierungsmaßnahme in seinen wesentlichen Zügen nicht abschätzen; die Ankündigung verfehlt somit ihr gesetzlich vorgeschriebenes Ziel.
a) Die Klägerin geht in ihrem Ankündigungsschreiben selbst davon aus, dass ein Verbleib des Beklagten in·der Wohnung nur mit erheblichen Einschränkungen möglich sei. Das Gericht hält angesichts des Umfangs der Arbeiten und der fast viermonatigen Abtrennung von Gas, Strom, Wasser, Abwasser und Kommunikation sowie der erwartbaren Staub- und Lärmbelastung einen Verbleib jedenfalls während der für den 1. Juli bis 22. Oktober 2017 in der Wohnung des Beklagten geplanten Arbeiten für ausgeschlossen. Sofern die Klägerin im nachgelassenen Schriftsatz vom 28.3.2017 nunmehr vorträgt, ein Verbleib in der Wohnung sei möglich und sie werde bei Bedarf entsprechende Provisorien bereitstellen, reicht dies nicht aus, die Erforderlichkeit einer Umsetzwohnung zu verneinen. Welche für einen Wohnungsmieter zumutbaren Provisorien einen Verbleib während der Baumaßnahmen gewährleisten sollen, bleibt völlig im Dunkeln. Insbesondere das Fehlen eines Wasseranschlusses über mehrere Monate macht den Verbleib in der Wohnung unmöglich.
Wie die Klägerin während der von ihr in Aussicht genommenen Baumaßnahmen ihre Hauptleistungspflicht, nämlich die Überlassung des Wohnraums in der S.-Straße, erfüllen wird, bzw. welchen Ersatzwohnraum sie wegen der Unbewohnbarkeit der Wohnung anbietet, hat die Klägerin in der Modernisierungsankündigung nicht mitgeteilt.
Die Modernisierungsankündigung soll aber den Mieter frühzeitig über die auf ihn zukommenden Belastungen informieren, damit er auf Grundlage dieser Informationen vorab prüfen kann, ob und gegebenenfalls von welchen der ihm in dieser Situation zustehenden Rechte er Gebrauch machen möchte, ob er etwa der Durchführung der Maßnahmen aus Härtegründen widersprechen oder das Mietverhältnis kurzfristig kündigen möchte. Eine sachgerechte Entscheidung ist dem Mieter kaum möglich, wenn – wie im Streitfall – die angekündigten Maßnahmen einen Verbleib in der Wohnung während der Arbeiten für ca. vier Monate ausschließt bzw. unzumutbar macht, denn der Mieter wird in der Regel nicht innerhalb der – für die Klärung solcher Fragen kurz bemessenen – Fristen des § 555 d Abs. 3 bzw. 555 e Abs. 1 BGB in der Lage sein, die Ersatzunterbringung der die Wohnung bewohnenden Person(en) und der in der Wohnung befindlichen Gegenstände zu klären (vgl. LG Berlin, Urt. v. 17.2.2016, 65 S 301/15, Rn. 38- iuris).
Die Klägerin hat in der Modernisierungsankündigung lediglich pauschal ihre Unterstützung – unabhängig von deren Erfolg – angeboten. Dies reicht jedoch nicht aus. Der Mietvertrag verpflichtet den Vermieter, dem Mieter einen genau bezeichneten Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Diese Hauptleistungspflicht wird nur unter besonderen, nicht anders abwendbaren Umständen außer Kraft gesetzt. Beabsichtigt der Vermieter, die Wohnung zu modernisieren, so hat er – bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen – gegenüber dem Mieter einen Anspruch auf Duldung der hierfür erforderlichen Maßnahmen, nicht aber auf vollständige Besitzüberlassung. Dem Begriff der „.Duldung“ lässt sich keine Obliegenheit des Mieters entnehmen, das Modernisierungsvorhaben aktiv zu unterstützen, sondern verpflichtet lediglich zum passiven Gewährenlassen. Daraus folgt, dass dann, wenn ein schlichtes Gewährenlassen nicht ausreicht, weil ein Verbleib in der Wohnung nicht möglich ist, die erforderliche Aktivität zur Suche eines Ersatzes nicht vom Duldungsanspruch umfasst sein kann (vgl. auch LG Berlin, a.a.O., Rn. 35- juris).
b) Ob es in der Modernisierungsankündigung bereits des konkreten Anbietens einer bestimmten Wohnung bedurft hätte, kann offen bleiben; jedenfalls hätte die Klägerin hinreichend konkret und verbindlich die Gestellung einer Ersatzwohnung anbieten bzw. zusagen müssen, um den Erfordernissen an eine formell wirksame Ankündigungserklärung zu genügen.
Soweit sich die Klägerin demgegenüber auf eine – unveröffentlichte – Entscheidung des LG Berlin vom 15.02.2017 (65 S 381/16) bezieht, ist diese – wie sich bereits aus dem kurzen Zitat im klägerischen Schriftsatz vom 28.02.2017 ergibt – mit dem hier zur Entscheidung stehenden Fall nicht vergleichbar, da dort der Verbleib des Mieters in der Wohnung während der Baumaßnahmen von keiner Partei ausgeschlossen worden war.
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01.01.2018