Leitsätze:
1. Der Mieter kann durch Klage nach § 256 ZPO feststellen lassen, dass er wegen einer fehlenden oder fehlerhaften Modernisierungsankündigung nicht zur Duldung der Modernisierung verpflichtet ist.
2. § 174 BGB ist auch auf die rechtsgeschäftsähnliche Handlung einer Modernisierungsankündigung anzuwenden.
AG Schöneberg vom 3.9.2014 – 12 C 193/14 –
Mitgeteilt von RA Johann Heinrich Lüth
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Die Parteien stritten über die Wirksamkeit einer Modernisierungsankündigung. Mit Schreiben vom 17.2. 2014 kündigte die Hausverwaltung im Namen des Vermieters die Durchführung umfangreicher Modernisierungsarbeiten an und bezifferte die zu erwartende Mieterhöhung hierbei auf 579,65 Euro. Dem Schreiben war die Kopie einer auf die Hausverwaltung ausgestellten Vollmachtsurkunde beigefügt. Mit Schreiben vom 26.2.2014 wiesen die Mieter die Modernisierungsankündigung unter Berufung auf eine fehlende Originalvollmacht zurück. Im Anschluss übersandte die Hausverwaltung eine Vollmachtsurkunde im Original, ohne jedoch die Arbeiten erneut anzukündigen. Mit anwaltlichem Schreiben vom 10.4.2014 forderte der Vermieter die Mieter auf, mit der Hausverwaltung einen Termin zur Begehung der Wohnung zur Vorbereitung der Arbeiten zu vereinbaren und stellte den Mietern die Erhebung einer Duldungsklage in Aussicht.
Die Mieter erhoben daraufhin Feststellungsklage, dass sie zur Duldung der Maßnahme nicht verpflichtet seien. Das Amtsgericht gab den Mietern Recht. Sie hätten ein Feststellungsinteresse, da der Vermieter durch Schreiben vom 10.4.2014 zum Ausdruck gebracht habe, dass er die bezeichneten Modernisierungsmaßnahmen durchzuführen beabsichtige und er sich insoweit eines gegen die Mieter gerichteten Duldungsanspruchs berühme. Die Klage der Mieter sei auch in der Sache erfolgreich, da es an einer wirksamen Modernisierungsankündigung gemäß § 555 c Abs. 1 Satz 1 BGB fehle.
Die Modernisierungsankündigung sei gemäß § 174 Satz 1 BGB unwirksam. Der Modernisierungsankündigung war keine Vollmachtsurkunde beigefügt. Denn erforderlich sei insoweit, dass die Vollmacht im Original beigefügt werde. Eine Fotokopie genüge nicht. Die Zurückweisung der Mieter erfolgte auch ohne schuldhaftes Zögern und mithin unverzüglich (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB).
Die Tatsache, dass die Hausverwaltung des Vermieters den Mietern zu späterer Zeit eine Vollmachtsurkunde im Original übersandt habe, vermochte die Wirksamkeit der Modernisierungsankündigung nicht mehr herbeizuführen. Denn eine Heilungsmöglichkeit sehe die Vorschrift des § 174 BGB nicht vor.
Urteilstext
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Modernisierungsankündigung.
Die Kläger sind seit dem 16.6.2002 Mieter einer Wohnung in der E. Str. xx, 1xxxx Berlin …
Die Nettokaltmiete beträgt derzeit 488,27 Euro monatlich.
Der Beklagte trat im Jahre 2005 durch Eigentumserwerb als Vermieter in das Mietverhältnis ein. Seitdem bedient er sich einer Hausverwaltung, die in der Vergangenheit sämtliche Erklärungen im Zusammenhang mit dem Mietverhältnis für den Beklagten entgegengenommen und abgegeben hat.
Mit Schreiben vom 17.2.2014 kündigte die Hausverwaltung im Namen des Beklagten die Durchführung umfangreicher Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten an und bezifferte die zu erwartende Mieterhöhung hierbei auf 579,65 Euro. Dem Schreiben war die Kopie einer auf die Hausverwaltung ausgestellten Vollmachtsurkunde beigefügt. …
Mit Schreiben vom 26.2.2014 … wiesen die Kläger die Instandsetzungs- und Modernisierungsankündigung unter Berufung auf eine fehlende Originalvollmacht zurück.
Im Anschluss übersandte die Hausverwaltung eine Vollmachtsurkunde im Original, ohne jedoch die Arbeiten erneut anzukündigen. Mit anwaltlichem Schreiben vom 10.4.2014 forderte der Beklagte die Kläger auf, mit der Hausverwaltung einen Termin zur Begehung der Wohnung zur Vorbereitung der Arbeiten zu vereinbaren und stellte den Klägern die Erhebung einer Duldungsklage in Aussicht.
Die Kläger behaupten, ihnen sei der Umfang der Hausverwaltungsvollmacht bis zur Übersendung der Kopie der Vollmachtsurkunde nicht bekannt gewesen. Insbesondere hätten sie nicht gewusst, dass die Hausverwaltung auch mit umfangreichen Umgestaltungsarbeiten beauftragt sei. Sie sind der Auffassung, dass die Modernisierungsankündigung nicht nur aufgrund der erfolgten Zurückweisung, sondern zudem wegen Formverstößen unwirksam sei …
Die Kläger beantragen, wie erkannt.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er behauptet, den Klägern sei im Jahre 2005 im Zusammenhang mit dem Eigentümerwechsel unter Vollmachtsvorlage die Tätigkeit und Stellung der Hausverwaltung angezeigt worden. …
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
I.
Die Kläger können ein rechtliches Interesse gem. § 256 Abs. 1 ZPO an der Feststellung einer durch die Modernisierungsankündigung bewirkten Duldungspflicht für sich in Anspruch nehmen, da der Beklagte durch anwaltliches Schreiben vom 10.4.2014 zum Ausdruck gebracht hat, dass er die bezeichneten Modernisierungsmaßnahmen durchzuführen beabsichtigt und er sich insoweit eines gegen die Kläger gerichteten Duldungsanspruchs berühmt.
II.
Die Klage ist auch in der Sache erfolgreich. Denn dem Beklagten steht kein Anspruch gegen die Kläger aus § 555 d Abs. 1 BGB auf Duldung der im Schreiben vom 17.2.2014 genannten Modernisierungsarbeiten zu, da es an einer wirksamen Modernisierungsankündigung gem. § 555c Abs. 1 Satz 1 BGB fehlt.
1. Die Modernisierungsankündigung vom 17.2.2014 ist gem. § 174 Satz 1 BGB unwirksam. Hiernach ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist.
Diese Voraussetzungen liegen vor.
a) Dabei kann dahinstehen, ob eine Modernisierungsankündigung – wie die vorliegende – ein einseitiges Rechtsgeschäft oder lediglich eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung darstellt (vgl. Palandt/Weidenkaff, 73. Auflage, § 555 c BGB Rn. 2). Denn auch auf letztere ist die Vorschrift des § 174 BGB zumindest entsprechend anwendbar (Palandt/EIIenberger, a.a.O., § 174 BGB Rn. 2 m.w.N.).
b) Der streitgegenständlichen Modernisierungsankündigung war keine Vollmachtsurkunde beigefügt. Denn erforderlich ist insoweit, dass die Vollmacht im Original beigefügt wird; eine Fotokopie genügt nicht (BGH, Urteil vom 10. Februar 1994 -IX ZR 109/93-, juris Rn. 18).
c) Die Zurückweisung der Kläger erfolgte mit Schreiben vom 26.02.2014 ohne schuldhaftes Zögern und mithin unverzüglich (vgl. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB).
d) Entgegen der Ansicht des Beklagten steht einer Anwendung des § 174 Satz 1 BGB im vorliegenden Fall auch nicht der Umstand entgegen, dass der Gesetzgeber die Modernisierungsankündigung in § 555 c Abs. 1 Satz 1 BGB lediglich dem Erfordernis der Textform (§ 126b BGB) unterworfen hat. Denn § 174 Satz 1 BGB gilt nach seinem Wortlaut einschränkungslos und damit sogar für mündliche Willenserklärungen. Die Vorschriften der §§ 555a ff. BGB enthalten insoweit keine Einschränkungen und gebieten eine solche auch ihrem Sinn und Zweck nach nicht. Denn eine unzumutbare Benachteiligung des Vermieters geht mit einer Obliegenheit zur Beifügung einer eigenhändig unterzeichneten schriftlichen Vollmacht nicht einher, insbesondere auch nicht bei großen Mietobjekten. Denn ein nennenswerter finanzieller und wirtschaftlicher Aufwand ist mit der Leistung auch einer Vielzahl eigenhändiger Unterschriften nicht verbunden.
2. Es kann überdies nicht angenommen werden, dass der Beklagte die Kläger nach § 174 Satz 2 BGB von der Bevollmächtigung der Hausverwaltung in Kenntnis gesetzt hat.
a) Soweit der Beklagte behauptet hat, den Klägern sei bereits im Jahre 2005 der Umfang der Bevollmächtigung angezeigt worden, ist sein Vortrag mangels Mitteilung näherer Einzelheiten zum Zeitpunkt und der Art und Weise der Mitteilung unsubstantiiert und überdies nicht unter Beweis gestellt worden.
b) Schließlich führt auch der bloße Umstand der Einschaltung einer Hausverwaltung noch nicht zu einer Kenntnis der Kläger. Zwar ist anerkannt, dass die Vermittlung der Kenntnis von der Bevollmächtigung auch dadurch erfolgen kann, dass der Bevollmächtigte in eine Stellung berufen wird, mit der die Abgabe bestimmter Willenserklärungen regelmäßig verbunden ist (BAG, Urteil vom 06. Februar 1997 – 2 AZR 128/96 -, juris; Palandt/EIIenberger, a.a.O., § 174 BGB Rn. 7; Staudinger/Schilken, Neubearbeitung 2014, § 174 BGB Rn. 11: BeckOK BGB Valenthin § 174 Rn. 11). Eine Kenntnis von der Bevollmächtigung allein aufgrund der besonderen Stellung des Stellvertreters kann hierbei aber nur angenommen werden, wenn die Umstände des jeweiligen Einzelfalles – auch vor dem Hintergrund des § 242 BGB – eine solche Wertung gebieten. Dabei muss insbesondere auch das konkrete Rechtsgeschäft in den Blick genommen werden (vgl. MüKoBGB/Schramm, 6. Auflage, § 174 Rn. 8). Hieran gemessen scheidet eine Kenntnis der Kläger indes aus.
So wurde in der Rechtsprechung zwar die Kenntnis eines Mieters i.S.v. § 174 Satz 2 BGB im Falle einer Kündigung des Mietverhältnisses durch die bevollmächtigte Hausverwaltung bereits schon deshalb angenommen, weil diese auch den Mietvertrag als Vertreterin des Vermieters abgeschlossen hatte (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 17 Marz 1995- 10 U 98/94 -, juris; dagegen LG Berlin, Urteil vom 28. August 1986 – 61 S 173/86 -, juris)). Vorliegend wurde der Mietvertrag der Kläger indes noch mit der Rechtsvorgängerin des Beklagten abgeschlossen. Doch auch wenngleich sich der Beklagte zumindest seit seinem Eintritt in das Mietverhältnis der besagten Hausverwaltung bedient, hat er nicht dargelegt, mit welchen Erklärungen und Verrichtungen diese in der Vergangenheit im Einzelnen betraut war. Insbesondere ist damit aber nicht ersichtlich, dass die Hausverwaltung in Namen des Beklagten bereits Modernisierungsarbeiten oder Maßnahmen von vergleichbarer Tragweite gegenüber den Klägern oder den übrigen Mietern des Hauses angekündigt hat und dass es hierbei nicht zu Beanstandungen der Bevollmächtigung gekommen ist.
3. Die Tatsache, dass die Hausverwaltung des Beklagten den Klägern zu späterer Zeit eine Vollmachtsurkunde im Original übersandt hat, vermochte die Wirksamkeit der Modernisierungsankündigung nicht mehr herbeizuführen. Denn eine Heilungsmöglichkeit sieht die Vorschrift des§ 174 BGB nicht vor.
4. Inwiefern die Modernisierungsankündigung darüber hinaus den Formerfordernissen des § 555 c Abs. 1 Satz 2 BGB genügt, kann auf Grund des zuvor Gesagten offen bleiben.
III. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
IV.
Der Streitwert wird gem. §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 41 Abs. 5 Satz 1 GKG auf 6.955,80 Euro (= 579,65 Euro x 12) festgesetzt.
01.01.2018