Leitsätze:
1. Schadenersatz wegen unterbliebener Schönheitsreparaturen steht dem Vermieter gemäß §§ 280 Abs. 3, 281 Abs. 1 BGB grundsätzlich nur dann zu, wenn er dem Mieter erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat. Dazu muss er dem Mieter die Dekorationsmängel im Einzelnen aufzeigen und ihn unter Fristsetzung zu deren Beseitigung auffordern (Anschluss an BGHZ 218, 22 ff.; ständige Rechtsprechung des BGH).
2. Das Gericht muss den Vermieter auf das nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich bestehende Erfordernis der Fristsetzung jedenfalls dann nicht hinweisen, wenn dieser sich auf einen Ausnahmetatbestand beruft und vorträgt, der Mieter habe sich ernsthaft und endgültig geweigert, Schönheitsreparaturen durchzuführen.
3. Der Vermieter kann die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Schadenersatzanspruch wegen unterbliebener Schönheitsreparaturen nicht dadurch umgehen, dass er schlichte Dekorationsmängel als Beschädigungen der Mietsache zu qualifizieren sucht.
LG Berlin vom 10.8.2020 – 64 S 189/19 –
Mitgeteilt von VRiLG Jörg Tegeder
Urteilstext
Gründe
Der Beschluss beruht auf § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Die Kammer ist davon überzeugt, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil nicht erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
1. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Amtsgericht darauf erkannt, dass dem Beklagten der zur Aufrechnung gestellte Schadenersatzanspruch in Höhe von 2.300,00 € wegen der behaupteten Dekorationsmängel der Wohnung im Zeitpunkt ihrer Rückgabe nach §§ 280 Abs. 1 und Abs. 3, 281 Abs. 1 und Abs. 2 BGB nicht zusteht. Dabei kann mit dem Amtsgericht unterstellt werden, dass die Verpflichtung zur Beseitigung der durch den vertraglichen Mietgebrauch entstehenden Abnutzungen mit dem Mietvertrag wirksam auf die Mieter übertragen worden war. Da es sich bei dieser ursprünglich nach § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB den Vermieter treffenden Hauptleistungspflicht auch nach der Abwälzung auf den Mieter um eine – dann die Pflicht zur Zahlung der Miete ergänzende – vertragliche Hauptpflicht handelt, kann der Vermieter gemäß § 281 Abs. 1 BGB wegen ihrer Verletzung nur dann Schadenersatz in Geld verlangen, „wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat“ oder einer der in § 281 Abs. 2 BGB normierten Ausnahmetatbestände vorliegt (vgl. nur BGHZ 218, 22 ff.; ständige Rechtsprechung).
Dass er den Mietern die behaupteten Dekorationsmängel im Einzelnen aufgezeigt und sie unter Fristsetzung zu deren Beseitigung aufgefordert hätte, hat der Beklagte im ersten Rechtszug nicht vorgetragen. Solches wird entgegen der Darstellung des Beklagten auch durch den im Entwurf eines Übergabeprotokolls enthaltenen handschriftlichen Vermerk des Zeugen Zooo, wonach die Wände/Decken in allen Räumen „teilweise“ Farbabweichungen aufwiesen, weder ersichtlich noch indiziert. An Hand der von dem Beklagten mit Schriftsatz vom 7. Februar 2019 vorgelegten annotierten Grundrissskizze ist ersichtlich, dass Dekorationsmängel keineswegs an allen „Wänden/Decken“ vorhanden gewesen sein sollen, sodass es einer detaillierten Leistungsaufforderung unter spezifischer Bezeichnung der im einzelnen betroffenen Wand- und Deckenbereiche bedurft hätte. Eine solche Leistungsaufforderung ist durch den Protokollentwurf nicht dokumentiert; auch Vortrag zu konkreten Dekorationsmängeln an Zimmerdecken sowie zu einer etwaigen Fristsetzung, bis zu deren Ablauf die Mieter die Nacharbeiten spätestens durchführen sollten, hat der Beklagte im ersten Rechtszug nicht gehalten.
Soweit der Beklagte erstmals mit der Berufung behauptet, die Zeugen Zooo und Rooo hätten den Kläger und seine Mitmieter im Rahmen der Wohnungsrückgabe am 31. August 2017 nicht nur auf die einzelnen Dekorationsmängel hingewiesen, sondern zu deren Beseitigung auch eine verbindliche Frist von drei Wochen gesetzt, nach deren fruchtlosen Ablauf auf Kosten der Mieter eine Fachfirma beauftragt werde, hat der Kläger dies bestritten. Unter diesen Umständen kann das neue Vorbringen nun gemäß §§ 529, 531 ZPO nicht mehr berücksichtigt werden; denn der Beklagte hätte zu einer etwaigen fruchtlosen Fristsetzung bereits im ersten Rechtszug vortragen können und müssen. Sein Vorwurf, ihm sei das aus § 281 Abs. 1 BGB fließende Erfordernis einer Fristsetzung nicht bekannt gewesen, sodass das Amtsgericht ihn darauf hätte hinweisen müssen und durch die angefochtene Entscheidung seinen grundrechtgleichen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt habe, geht fehl. Der Beklagte hat nämlich spätestens mit Schriftsatz vom 21. Februar 2019, dort Seite 7, zu erkennen gegeben, dass ihm das Gesetz und das grundsätzliche Erfordernis einer Fristsetzung durchaus bekannt gewesen ist. Anders kann sein dortiges Vorbringen nicht gewürdigt werden, eine Fristsetzung sei vorliegend deswegen entbehrlich gewesen, weil die Mieter sich ernsthaft und endgültig geweigert hätten, Schönheitsreparaturen durchzuführen.
Diesen von dem Beklagten nicht weiter ausgeführten und auch nicht unter Beweis gestellten Ausnahmetatbestand einer ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung im Sinne des § 281 Abs. 2 BGB hat das Amtsgericht indes zu Recht – und von der Berufung ungerügt – nicht als erfüllt angesehen.
2. Soweit der Beklagte meint, ihm stünde wegen der Dekorationsmängel unabhängig von den Voraussetzungen des § 281 BGB schon nach §§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB Schadenersatz zu, weil die Beklagten die Wohnung durch unsachgemäße Schönheitsreparaturversuche über das vertraglich erlaubte Maß hinaus beschädigt hätten, trifft dies aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils nicht zu. Die Angriffe der Berufung vermögen eine abweichende Würdigung nicht zu rechtfertigen.
Fehl geht schon die Darstellung der Berufung, die Beweisaufnahme habe den Vortrag des Klägers widerlegt, wonach die Mieter am Ende des Mietverhältnisses zwar Dübellöcher verspachtelt, aber keine Malerarbeiten durchgeführt hätten. Der Beklagte übersieht nämlich, dass nach Angaben der Zeugin Hooo zu einem früheren Zeitpunkt Malerarbeiten in der Wohnung durchgeführt worden waren, um Wasserflecken zu kaschieren. Es ist nicht ohne weiteres auszuschließen, dass in Folge dieser Mangelbeseitigungsarbeiten stellenweise Farbschattierungen entstanden und der streitige Vortrag des Klägers zutreffend ist.
Dies mag indes dahinstehen. Entscheidend ist, dass die Beweisaufnahme keinen Hinweis auf durch den Kläger oder seine Mitmieter verursachte Schäden an der Sachsubstanz der Mietsache erbracht hat, die den Rückschluss auf eine Verletzung der die Mieter nach § 241 Abs. 2 BGB treffenden Obhutspflichten rechtfertigen. Unabhängig von einer Leistungsaufforderung mit Fristsetzung muss ein Mieter nach §§ 280 Abs. 1, 249 BGB im Grundsatz nur für derartige Substanzschäden, die auf eine Überschreitung des erlaubten Mietgebrauchs und eine Verletzung der den Mieter treffenden Obhutspflichten zurückgehen, Schadenersatz leisten (vgl. BGHZ 218, 22 ff. [VIII. Zivilsenat]; BGH – XII ZR 79/17 -, Urt. v. 27.06.2018, GE 2018, 994 ff. [XII. Zivilsenat]). Solche Substanzschäden waren aber auch nach dem Vortrag des Beklagten nicht vorhanden. Anders als im Fall BGH – VIII ZR 416/12 -, Urt. v. 06.11.2013, GE 2014, 49 f., geht es vorliegend auch nicht um an und für sich ordnungsgemäß durchgeführte Schönheitsreparaturen, die aber zu einer ungewöhnlichen Farbgestaltung und einem für eine Wiedervermietung ungeeigneten Dekorationszustand führten. Vielmehr rügt der Beklagte lediglich, dass Wände und Decken bei Rückgabe der Wohnung nicht mehr einheitlich weiß gewesen seien, sondern – teils durch Vergrauung, teils durch jüngeren Farbauftrag, teils durch Spachtelmasse – Schattierungen aufgewiesen und einen unansehnlichen Eindruck gemacht hätten. Ging es dem Beklagten mithin allein um die ordnungsgemäße Vornahme von Schönheitsreparaturen – nämlich konkret um die Anbringung des nach seiner Darstellung erforderlichen frischen Anstrichs an Wänden und Decken der Wohnung -, kann er die unter oben 1. geprüften rechtlichen Voraussetzungen für einen diesbezüglichen Schadenersatzanspruch nicht dadurch umgehen, dass er schlichte Dekorationsmängel als Beschädigungen der Mietsache zu qualifizieren sucht. Das Zuspachteln eines Dübellochs oder das partielle Streichen einer Wand stellt weder eine Überschreitung des vertraglichen Mietgebrauchs noch gar eine strafbare Sachbeschädigung dar.
Die Kammer regt deshalb an, die Berufung zurückzunehmen und weist vorsorglich darauf hin, dass sich die Gerichtsgebühren für das Berufungsverfahren in diesem Falle halbieren würden (vgl. Nr. 1220, 1222 Kostenverzeichnis zum Gerichtskostengesetz).
Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen.
Hinweis: Die Berufung ist nach Zustellung des Hinweisbeschlusses zurückgenommen worden.
25.09.2023