Leitsatz:
Die Tätigkeit als freiberuflicher Versicherungsmakler ist vom Wohngebrauch gedeckt, wenn sich die Außenwirkung auf die erforderliche gewerbliche Anmeldung und die Eintragung in verschiedene einschlägige im Internet geführte Register beschränkt (Abgrenzung zu BGH vom 31.7.2013 – VIII ZR 149/13, WuM 13, 554; WuM 14, 98; GE 13, 1132; NZM 13, 786).
LG Berlin vom 6.3.2015 – 65 S 366/14 –
Urteilstext
Aus den Gründen:
… Die auf die teilgewerbliche Nutzung der Wohnung gestützte Kündigung der Wohnung war ebenfalls nicht wirksam und hat nicht zur Beendigung des Mietverhältnisses geführt.
Gemäß Nr. 8 a) der AVB zum Dauernutzungsvertrag der Parteien kann bei einer vertragswidrigen Nutzung der Wohnung, welche die Rechte der Genossenschaft in erheblichem Maße verletzt und trotz Abmahnung fortgesetzt wird, das Nutzungsverhältnis fristlos gekündigt werden.
Eine solche erhebliche Verletzung der Interessen der Genossenschaft liegt nicht vor. Der Kündigung steht entgegen, dass die Klägerin diese teilgewerbliche Nutzung in dem hiesigen Fall dulden muss, weil die Beklagten einen Anspruch auf Genehmigung dieser Nutzung haben (vgl. BGH – VIII ZR 165/08). Die Klägerin ist im Einzelfall nach Treu und Glauben verpflichtet, eine Erlaubnis zur teilgewerblichen Nutzung der Wohnung zu erteilen. Das kommt in Betracht, wenn es sich nur um eine Tätigkeit ohne Mitarbeiter und ohne ins Gewicht fallenden Kundenverkehr handelt. Auch eine selbständige berufliche Tätigkeit kann im Einzelfall so organisiert sein, dass sie wie beispielsweise bei einem Rechtsanwalt oder Makler – im Wesentlichen am Schreibtisch erledigt wird, in der Wohnung keine Mitarbeiter beschäftigt werden und von etwaigem Publikumsverkehr keine weitergehenden Einwirkungen auf die Mietsache oder Mietmieter ausgehen als bei einer üblichen Wohnnutzung (BGH ebenda, Rn. 15, zit. nach juris).
So liegt der Fall auch hier: Die Tätigkeit als Versicherungsmakler im Außendienst wird im Schwerpunkt bei den Kunden entfaltet. Im häuslichen Bereich sind dafür erforderliche Vor- und Nacharbeiten am Computer und Telefon erforderlich, die keine weiteren Einwirkungen auf das Wohnen oder auf andere Mitmieter haben. Soweit Arbeiten am häuslichen Schreibtisch erfolgen, sind diese vom Begriff des Wohnens mit erfasst. Der Beklagte als Versicherungsmakler unterhält nach seinem- angesichts zweier zum Haushalt gehöriger volljähriger, in der Ausbildung bzw. im Studium befindlicher Söhne und der Größe der Wohnung (4-Raum-Wohnung mit Hobbyraum) – ausreichenden Vorbringen kein Büro, beschäftigt dort auch keine Mitarbeiter und empfängt ferner keine Kunden in der Wohnung. Seine Tätigkeit als Versicherungsmakler hat folglich auf das Gebäude und seine Gemeinschaftseinrichtungen keinen Einfluss. Er hat weder am Briefkasten noch an der Wohnungstür oder am Klingeltableau einen Hinweis auf diese Tätigkeit. Die Außenwirkung beschränkt sich damit auf die erforderliche gewerbliche Anmeldung und die Eintragung in verschiedene einschlägige im Internet geführte Register, auf deren Inhalt er nicht in jedem Fall selbst Einfluss hat.
Überdies ist nach dem letztlich in der Sache nicht erheblich bestrittenen Vortrag der Beklagten von einer großen Anzahl in ähnlicher Weise gewerblicher bzw. freiberuflicher Tätigkeit in der Wohnung nachgehender Genossenschafter der Klägerin auszugehen, so dass auch nicht erkennbar geworden ist, dass die Rechte der Klägerin durch diese teilgewerbliche bzw. teilweise freiberufliche Tätigkeit im Sinne von Nr. 8a) der AVB zum Dauernutzungsvertrag in erheblichem Maße verletzt worden sind bzw. verletzt werden. Da die Klägerin darlegen muss, dass sie in ihren Interessen in erheblichem Maße verletzt wird, genügte es hier nicht, das Vorbringen des Beklagten zur Art und zum Umfang der Wohnungsnutzung bzw. der Außenwirkung seiner freiberuflichen Tätigkeit zu bestreiten.
Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin auf den Beschluss des BGH vom 31.07.2013 – VIII ZR 149/13, in dem allein die Außenwirkung durch das Anmelden des Gewerbes und der Angabe der Geschäftsadresse gegenüber Kunden als vertragswidrige gewerbliche, nicht vom Wohnen umfasste Nutzung bewertet worden ist. Die in dem Fall ausgeübte gewerbliche Tätigkeit war schon ihrer Art nach nicht vom Begriff des Wohnens umfasst. Es handelte sich vielmehr um einen Hausmeisterservice und ein Unternehmen, das De- und Remontage von Aufzugsanlagen und Schwertransporten innerhalb von Gebäuden, die Montage von Aufzugsanlagen und den Bau von Montagerüstungen als Gegenstand hatte. Die damit verbundenen Tätigkeiten sind nicht vergleichbar mit den Schreib-, Rechen- und Telefonarbeiten, die der Beklagte zu 2) als freiberuflicher Versicherungsmakler auszuführen hat.
Muss aber die Klägerin diese Tätigkeit des Beklagten zu 2) dulden, dann kann auch die aus diesem Grund hilfsweise erklärte fristgemäße Kündigung das Mietverhältnis nicht beendet haben. …
07.07.2017