Leitsatz:
Der Mieter ist – vorbehaltlich entgegenstehender Vertragsvereinbarungen – berechtigt, zwischen Balkondecke und Balkonbrüstung ein Transparent mit der zweizeilig gehaltenen Aufschrift „Wir lassen uns nicht luxussanieren!“ aufzuspannen, wenn die Transparentkonstruktion keine Verletzung der Bausubstanz mit sich bringt.
AG Mitte vom 26.2.2014 – 119 C 408/13 – (rechtskräftig)
Mitgeteilt von RA Christoph Müller
Urteilstext
Tatbestand:
Die Klägerin ist Eigentümerin und Vermieterin, die Beklagten sind aufgrund Mietvertrages mit Wirkung ab dem 01.01.1989 Mieter einer Wohnung im 3. Obergeschoß des Hauses Calvinstraße 21. Der der Wohnung zugehörige Balkon geht zur Calvinstraße hinaus. Das Haus ist derzeit in 6 der 15 Wohnungen von Mietparteien bewohnt.
Mit Schreiben vom 31.10.2011 und 31.08.2012, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (BI. 17 ff. und 30 ff. d. A.), kündigte die Klägerin die Durchführung von Modernisierungsarbeiten an dem streitgegenständlichen Gebäude an.
Die Beklagten spannten im Herbst 2011 zwischen Balkondecke und Balkonbrüstung ein Transparent mit der zweizeilig gehaltenen Aufschrift „Wir lassen uns nicht Luxussanieren!“.
Am 31.05.2013 I 03.06.2013 ließ die Klägerin das Gebäude an der Straßenfront zur C.-straße mit einem Baugerüst vollständig einrüsten. ln und an dem Gebäude werden Arbeiten von bzw. im Auftrag der Klägerin durchgeführt. Wegen der zur Duldung begehrten, der angekündigten bzw. aufgrund der von der Klägerin durchgeführten Arbeiten befanden und befinden sich die Parteien miteinander, aber auch weitere der Mietparteien des Hauses mit der Klägerin in anderweitigen gerichtlichen Auseinandersetzungen.
Am 12.10.2013 ließ die Klägerin an dem Gerüstbereich vor dem Balkon der Beklagten eine graue Filzstoffbahn von ca. 6 Meter Länge und etwa 1 Meter Breite und später statt dieser mehrfache Lagen von Netzplanen befestigen.
Die Klägerin ist der Auffassung, das Transparent stelle einen vertragswidrigen Gebrauch der
Mietsache dar und beschädige aufgrund seiner Befestigung das Eigentum der Klägerin, d.h. die Fassade und das Mauerwerk des Hauses. Ein etwaiges Meinungsäußerungsinteresse der Beklagten habe zurückzutreten; die Beklagten wendeten sich provozierend gegen die von der Klägerin betriebene Modernisierung des Objekts. ln der Öffentlichkeit werde der unzutreffende Eindruck getragen, es werde mit dem Ziel der Vertreibung der Mieterschaft modernisiert.
Die Klägerin beantragt,
- die Beklagten zu verurteilen, das von ihnen angebrachte Transparent mit der Aufschrift „Wir lassen uns nicht Luxussanieren!“ am Balkon der von ihnen ge nutzten Wohnung im 3. OG der C.-straße xx, Berlin zu entfernen.
- die Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, Transparente mit der unter Ziffer 1 wiedergegebenen Aufschrift und diesem vergleichbaren Wortlaut in Bezug auf die von der Klägerin durchzuführenden Modernisierungsarbeiten flächendeckend auf dem Balkon, an der Fassade oder den Fenstern der von ihnen genutzten Wohnung im 3. OG der C.-straße xx, Berlin, anzubringen.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen, und widerklagend die Klägerin zu verurteilen, die an dem Gerüst vor dem Haus C.-straße xx in 10xxx Berlin, vor dem Balkon der Wohnung der Beklagten angebrachte ca. 6 m in der Breite und 1 m Länge dreifache Lage von Netzplanen zu beseitigen.
Die Klägerin beantragt, die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagten behaupten, das Transparent sei ohne Befestigung im Mauerwerk an Stangen im Innenraum des Balkons ohne Verwendung von Dübeln oder Nägeln befestigt. Die Transparentaufschrift halte sich an die Ausführungen bzw. Formulierungen des BGH zur Auslegung der Vorgängervorschrift der §§ 555 b ff. BGB im Rechtsentscheid vom 19.02.1992, VIII ARZ 5/91. Erstmalig in 2013 habe die Klägerin das Transparent beanstandet. Dieses beinhalte lediglich eine sachliche Meinungsäußerung. Dass eine Luxusmodernisierung vorliege, ergäbe sich bereits aus der dem Erhöhungsschreiben vom 31.10.2011 zu entnehmenden Mieterhöhung nach Modernisierung. Die Vorgehensweise der Klägerin sei auch in der Presse diskutiert worden. Die Verhängung des Balkonbereichs mit grauen Filzbahnen bzw. mehrfachen Netzplanen sei schikanös und nehme dem hinter dem Balkon belegenen Wohnzimmer die Lichtzufuhr. Insbesondere stelle die damit vorgenommene Verhängung des Transparents der Beklagten einen widerrechtlichen Eingriff der Klägerin in das Recht auf freie Meinungsäußerung der Beklagten dar.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Inaugenscheinnahme vor Ort C.-straße xx. Wegen der Einzelheiten und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Beweisbeschlüsse vom 18.11.2013 (BI. 86 d. A.) und 13.12.2013 (BI. 99 d. A.) sowie das Protokoll der als Ortstermin abgehaltenen mündlichen Verhandlung vom 09.01.2014 (BI. 106 ff. d. A.) verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Klägerin steht ein Anspruch auf Beseitigung des von den Beklagten angebrachten Transparents gemäß §§ 541, 823 BGB und Unterlassung zukünftiger Anbringung eines Transparents mit einer solchen bzw. vergleichbaren Aufschrift nach § 1004 BGB nicht zu.
Soweit in Nr. 7 c der Vertragsbestimmungen zum Mietvertrag geregelt ist, dass die Anbringung von Schildern und Aufschriften jeglicher Art in den gemeinschaftliche Räumen oder am Hause der Zustimmung des Vermieters bedarf, ergibt sich hieraus der von der Klägerin geltend gemachte Beseitigungs- bzw. Unterlassungsanspruch nicht, da sich die Zustimmungsbedürftigkeit nicht auf die den Beklagten individuell überlassene Mietsache bezieht, denn das Transparent ist nicht am Haus oder in gemeinschaftlichen Räumen, sondern an und in dem von den Beklagten gemieteten und ihnen individuell als Mietsache überlassenen Balkon angebracht.
Dass im Mietvertrag darüber hinaus keine Regelung über die Anbringung von Transparenten bzw. Schildern hinsichtlich der konkret überlassenen Mietsache bzw. am Balkon enthalten ist, führt nicht per se dazu, dass dies grundsätzlich ausgeschlossen ist, sondern führt zu einer nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte und Umstände vorzunehmenden Auslegung des Mietvertrages und der Abwägung der Mieterinteressen (insbesondere des Rechts auf freie Meinungsäußerung, Art. 5 GG) und der Vermieterinteressen (insbesondere des Rechts auf Unversehrtheit des Eigentums, Art. 14 GG) im Einzelfall, ob konkret die Anbringung eines Transparents oder Schildes sich als vertragswidriger Gebrauch der Mietsache darstellt. Zu berücksichtigen sind dabei u.a. der Inhalt der Meinungsäußerung, der allgemeine Zustand des Hauses und der unmittelbaren Umgebung, die Wahrnehmbarkeit der Meinungsäußerung durch Passanten und die Beeinträchtigung der Fassade (vgl. Blank in Schmidt-Futterer, Mietrecht, § 541 BGB, Rn. 87).
Eine nicht mehr ausgewogene Beeinträchtigung vermieterseitiger Interessen kann insbesondere dann der Fall sein und wird somit ein vertragswidriger Gebrauch der Mietsache vorliegen, wenn die Mietsache hierdurch physisch beeinträchtigt, d. h. beschädigt wird oder das Transparent und dessen Inhalt strafbare, sittenwidrige oder sich gegen konkrete Personen, z.B. der des Vermieters, richtende Äußerungen enthalten (AG Charlottenburg, Urteil vom 14.01.1983, Grundeigentum 1983, 665).
Nach der zu den Umständen der Anbringung des Transparents durchgeführten Beweisaufnahme und der gebotenen Abwägung ist eine eine vertragswidrige Nutzung der Mietsache durch die Beklagten begründende Beeinträchtigung der vermieterseitigen Interessen nicht zu erkennen:
Zunächst steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest, dass das von den Beklagten angebrachte Transparent nach seiner Art und der Anbringung keine Beschädigung des Gebäudes, Mauerwerks oder der Fassade bzw. der Mietsache bedingt oder befürchten lässt. Das Gericht hat sich durch richterliche Inaugenscheinnahme davon überzeugt, dass das aus bedruckter LKW Plane bestehende Transparent maßgeblich an mehreren, und daher den Druck und Zug gleichmäßig verteilenden 4 Holzstangen festgebunden ist, die ihrerseits nicht mit der Mietsache verbunden worden sind. Die von den Beklagten vorgenommene Spannung der Holzstangen mittels dünnen Leinen bzw. Seilen erfolgt über so ausreichend viele Haken bzw. Ösen, dass nicht zu befürchten ist, dass es zu einem Ausreißen dieser und damit einer Beschädigung in der Fassade bzw. den Wänden kommt. Zudem ergab sich auch zur Überzeugung des Gerichts deutlich, dass die Beklagten hierbei Haken und Ösen benutzt haben, die offenbar – was anhand das alten und dicken Fassadenfarbaufstrichs zu erkennen war – schon lange Zeit und aus anderen Gründen einmal angebracht worden waren und zudem sich ihrerseits nach Art, Größe und Anbringung auch im Rahmen eines vertragsgemäßen Gebrauchs der Mietsache halten, so dass hier nicht entschieden werden braucht oder weiter geklärt werden muss, ob die Haken und Ösen von den Beklagten angebracht wurden oder noch von Vormietern oder bzw. vermieterseits überlassen worden sind.
Auch nach der Wirkung des Transparents und dessen Inhalts bzw. Aufschrift kann unter Berücksichtigung der klägerischen Interessen nicht erkannt werden, dass die Beklagten unter den gegebenen Umständen den mietvertraglich zulässigen Gebrauch überspannen:
Zwar ist das Transparent, welches nahezu die gesamte lichte Höhe des Balkons über der Balkonbrüstung bis zur darüber belegenen Balkondecke einnimmt, durchaus prägnant wahrzunehmen, wenn man, von der anderen Straßenseite aus betrachtet, den Blick auf den Balkon der Beklagten hält. Der mit dem Transparent verhängte Balkon der Beklagten fällt auch ins Auge, weil durch die weiße Transparentfläche der optische Eindruck der Anordnung der dunkleren Fassade unterbrochen wird. Das Transparent dominiert andererseits jedoch in der Gesamtschau nicht das gesamte Gebäude, von dem die den Wohnungen zugehörigen, gleich großen Balkone in setzkastenmäßiger, regelmäßiger Anordnung zur Straßenseite hin belegen sind und die Fassade bilden, weil das Transparent in dem durch Gesamtschau gewonnenen Eindruck in seiner optischen Wirkung von Größe und Wahrnehmbarkeit nicht über die Wirkung hinausgeht, die der Verhängung eines der Balkone mit einer Außenmarkise bewirken würde.
Maßgeblich für die Beurteilung der optischen Wirkung des Transparents ist aber auch der aktuelle Um- und Zustand, dass das Gebäude vollständig durch das Baugerüst eingerüstet und des Weiteren derzeit offenkundig von umfangreichen Bauarbeiten betroffen ist. Von einer von der Klägerin nicht zumutbar hinzunehmenden optischen Beeinträchtigung des aktuellen Gesamtbildes bzw. des Gesamteindrucks des Gebäudes durch das an einem von vielen Balkonen angebrachte Transparent oder gar einer Dominanz des Transparents über die Fassade des Gebäudes kann daher nicht die Rede sein.
Weiter kann das Gericht in der von den Beklagten für die Aufschrift genutzten Formulierung keinen unsachlichen oder gar strafbaren oder sittenwidrigen oder gegen eine konkrete Person gerichteten Inhalt erkennen. Die Aufschrift wirkt weder in ihrer einfach gehaltenen Gestaltung durch schwarze Schrift auf weißem Grund noch insbesondere in ihrer Formulierung „Wir lassen uns nicht Luxussanieren!“ provozierend oder mißkreditierend. Konkrete Personen werden nicht benannt und auch nicht in Bezug genommen, insbesondere wird durch die Aufschrift kein konkreter Bezug zu der Klägerin oder eine Erkennbarkeit dieser hergestellt. Das Wort „luxussanieren“ wird in der Rechtsprechung und auch dem Bundesgerichtshof – wie sich z. B. der von den Beklagten zitierten Entscheidung entnehmen lässt – im Rahmen der Subsumtion der Vorschriften über die vermieterseitige Durchführung mieterseits duldungspflichtiger Maßnahmen im Sinne der §§ 555 b ff. BGB zur inhaltlichen Abgrenzung von Modernisierungsstandards benutzt, so dass diesem Wort oder Ausdruck kein ungebührlicher oder herabwürdigender Verständnisgehalt beigemessen oder entnommen werden kann.
Aufgrund der von der Klägerin mit Schreiben vom 31.10.2011 und 31.08.2012 gegenüber den Beklagten geltend gemachten Duldung zu Modernisierungsmaßnahmen ist die Transparentaufschrift auch nicht unvermittelt und somit willkürlich, sondern konkret veranlasst und steht auch nicht außer Verhältnis zu dem doch erheblichen und alle Gebäudeteile umfassenden Umfang der angekündigten Maßnahmen.
Die von der Klägerin vorgetragene Auslegung, wonach durch das Transparent und dessen Aufschrift die Beklagten sich provozierend gegen die Klägerin und die von ihr betriebene Modernisierung stellten und der Eindruck in der Öffentlichkeit vermittelt werde, die Modernisierung werde mit dem Ziel einer Vertreibung der Mieterschaft geführt, ergibt sich nach Auffassung des Gerichts nicht für unvermittelte Passanten, sondern lässt sich gedanklich aus Sicht der Klägerin nur nachvollziehen im Zusammenhang mit der Kenntnis von den Auseinandersetzungen, die die noch im Haus verbliebenen Mietparteien mit der Klägerin im Zusammenhang mit der von dieser durchgeführten Arbeiten und Streitigkeiten geführt haben und die durchaus – dies ist gerichtsbekannt – auch kontrovers in Presse und Fernsehen diskutiert werden. Dann aber ist es auch durchaus statthaft und von der Klägerin hinzunehmen, dass die Beklagten sich für „Kenner“ weiterer Hintergründe – mit dieser dennoch sachlich gehaltenen Äußerung – positionieren. Dabei verkennt das Gericht auch nicht, dass die Anbringung des Transparents durchaus auch das Medieninteresse wieder geschürt haben mag – allerdings nicht mit einer über eine Momentaufnahme hinausgehenden Wirkung.
Unvermittelte Passanten nehmen hingegen ein sich in Bauarbeiten befindliches, ohnehin eingerüstetes und daher im optischen Eindruck erheblich eingeschränktes Gebäude wahr, wie es derzeit viele in Berlin gibt. Das im Baugerüst erkennbare Transparent mit der Aufschrift „Wir lassen uns nicht Luxussanieren!“ (wobei die Aufschrift allerdings aufgrund der Mehrfachlagen an Netzplanen vor dem Balkon der Beklagten hindurch gar nicht entziffert oder erkannt werden kann, wenn man denn nicht deren Wortlaut kennt) wird dann üblicherweise nicht anders verstanden als der Ausdruck eines – in Anbetracht des mit Arbeiten von einem solchen Umfang und den damit einhergehenden Beeinträchtigungen im engsten Lebensumkreis, d. h. der eigenen Wohnung, auch nachvollziehbaren Unmutes von von den Bauarbeiten gestressten und mit diesen nicht einverstandenen Mietern, ohne dass damit ein Verweis auf die Identität oder Person oder Mitarbeiter der Klägerin oder eine Abschätzigkeit oder gar Misskreditierung gegenüber der Vermieterseite bzw. ein Verweis auf die auch bis in die Medien gedrungene Auseinandersetzung der Parteien bzw. der Klägerin mit anderen Mietern des Hauses einhergeht.
Aus diesen Gründen kann auch ein Unterlassungsanspruch hinsichtlich einer zukünftigen Transparentanbringung im Zusammenhang mit den von der Klägerin durchgeführten Arbeiten nicht bestehen. Das Verhalten der Beklagten in Gestalt der Anbringung dieses konkreten Transparents unter den aktuellen konkreten Umständen lässt nicht den Schluss zu, dass die Beklagten die ihnen obliegenden mietvertraglichen Rechte und Pflichten grundsätzlich und prinzipiell überschätzen oder überstrapazieren und ihnen daher zur Vermeidung einer Wiederholung vorsorglich Einhalt zu gebieten wäre. Ob und wie die Situation rechtlich und tatsächlich ggf. anders zu beurteilen ist, wenn die Klägerin zu einem anderen Zeitpunkt andere Arbeiten als die von ihr begonnen und derzeit laufenden Modernisierungsmaßnahmen durchführt und die Beklagten erneut Transparente aufhängen würden, ob also eine Wiederholungsgefahr unter neuen Umständen (andere als die derzeitig von der Klägerin durchgeführten Arbeiten und Maßnahmen) besteht, ist Spekulation und liefe auf eine unzulässige Vorratstitulierung hinaus.
Die Widerklage ist zulässig und in dem – ohne inhaltlich gemäß § 308 Abs. 1 ZPO über den beklagtenseits gestellten Widerklageantrag hinauszugehen oder diesen gemäß dem insoweit der Auslegung zugänglichen beklagtenseits geltend gemachten Begehr zu begrenzen – tenorierten Umfang begründet.
Die Beklagten haben gegen die Klägerin Anspruch auf Beseitigung der ausschließlich vor ihrem Balkon angebrachten Mehrfachlagen an Netzplanen gemäß § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB, da die Mietsache – die Nutzbarkeit des Balkons und die Belichtung des dahinter belegenen Zimmers – hierdurch negativ beeinträchtigt wird:
Der Anspruch auf Beseitigung der Netzplanen ergibt sich dabei aber nicht, wie die Beklagten geltend machen, deshalb, weil die Beklagten durch deren Anbringung durch die Klägerin in ihrer Meinungsäußerungsfreiheit beschränkt würden. Die Beklagten haben als Mieter gegen die Klägerin als Mieterin keinen Anspruch auf Gewährung von Grundrechten oder Ermöglichung einer Ausübung dieser; Grundrechte sind Abwehrrechte gegen den Staat und entfalten im Verhältnis der Bürger bzw. Rechtssubjekte untereinander nur mittelbar Wirkung, begründen aber keine gegenseitigen Ansprüche.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht es für das Gericht fest, dass vor dem Balkonbereich der Beklagten zusätzlich zu der einfachen, über das gesamte Baugerüst verhängten Lage Netzplanen noch vier weitere Lagen dieser Netzplanen befestigt sind und dass die Mehrfachverhängung lediglich in dem Bereich vor dem Balkon der Beklagten, nicht aber der anderen Balkone des Hauses angebracht ist. Die Mehrfachverhängung führt zu einer – selbst unter Berücksichtigung des zum Zeitpunkt des Ortstermins sehr trüben Wetters, des aufgestellten Baugerüsts und des von den Beklagten angebrachten Transparents – nochmaligen Verringerung des Lichteinfalls in die Wohnung, mag diese auch im Vergleich zu den anderen lichteinfallsbegrenzenden Umständen am geringsten wiegen. Des Weiteren wird auch die Einsichtigkeit der Straße vom Balkon aus dergestalt beeinträchtigt, dass durch die Mehrfachlagen der Netzplanen die Straße nicht mehr hindurch gesehen werden kann, was bei einer einfachen Lage jedoch möglich wäre. Diese Sichtbegrenzung wird auch nicht dadurch, worauf die Klägerin verwiesen hat, aufgehoben oder aufgewogen, dass an der linken Stirnseite des Baugerüsts bzw. der linken Balkonecke eine – verhältnismäßig zur Balkonfläche sehr kleine – Ecke des Baugerüsts verblieben ist, an der die Netzplane nur in einfacher Lage angebracht bzw. keine Netzplane mehr angebracht ist. Damit wird die Mietsache und Nutzbarkeit des Balkons über das Maß hinausgehend beeinträchtigt, was die Beklagten unter den gegebenen Umständen (Aufstellung eines Baugerüsts aufgrund der klägerseits durchgeführten Arbeiten an Haus und Fassade) hinzunehmen haben.
Ein die Duldung der Anbringung der Mehrfachlagen durch die Beklagten bedingender sachlicher Grund für die Anbringung der Mehrfachplanen vor dem Balkonbereich wurde von der Klägerin nicht substantiiert vorgetragen und konnte auch durch das Gericht bei der Inaugenscheinnahme nicht erkannt werden. Dabei ist für das Gericht selbstverständlich, dass aus Schutzgründen das vor der Fassade aufgestellte Baugerüst mit einer Lage dieser üblichen Baunetzplanen zu verhängen ist, um das unkontrollierte Herabfallen von Bauschutt und -materialien auf den Straßenraum zu verhindern, und dies von den Mietern eines so verhüllten Hauses dann auch zu dulden ist. Dies erklärt aber nicht, warum es statt der üblichen und am Rest des Hauses auch nur so ausgeführt einfachen Lage an Netzplanen der Befestigung von Mehrfachlagen ausgerechnet nur vor dem Balkonbereich der Beklagten bedurfte.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO. Bei der Bemessung der Sicherheitsleistung hat das Gericht den für eine Beseitigung der Mehrfachnetzplanen auf dem Baugerüst notwendigen Kosten aufwand mit einem Betrag von 200,00 € geschätzt und neben dem Wert der durch die Beklagten des Weiteren vorläufig vollstreckbaren Kostenentscheidung berücksichtigt.
18.12.2017