Leitsatz:
Für den Ausschluss des Anspruches auf Untervermietung reicht es aus, dass das Überlassungsinteresse des Mieters zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits latent vorhanden ist. Dies kann der Fall sein, wenn bereits zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses spätere Auslandseinsätze des Mieters von mehrjähriger Dauer naheliegen.
LG Berlin vom 30.6.2022 – 67 S 35/22 –
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Gemäß § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Mieter vom Vermieter die Erlaubnis verlangen, einen Teil des Wohnraums einem Dritten zum Gebrauch zu überlassen, wenn für den Mieter nach Abschluss des Mietvertrags ein berechtigtes Interesse entsteht. An diesen Voraussetzungen fehlt es dann, wenn ein berechtigtes Interesse des Mieters nicht erst „nach Vertragsschluss“, sondern bereits zuvor entstanden ist.
§ 553 Abs. 1 Satz 1 BGB soll mit der zeitlichen Einschränkung des berechtigten Interesses verhindern, dass der Mieter, der ein bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorhandenes Interesse zur Überlassung eines Teils des Wohnraums mit Dritten gegenüber dem Vermieter verschweigt, die durch den Vertrag gesetzten Grenzen des vertragsgemäßen Gebrauchs unter Berufung auf eine zu gestattende Untervermietung unterläuft. Für den Ausschluss des Überlassungsanspruchs reicht es aus, dass das Überlassungsinteresse des Mieters zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits latent vorhanden ist.
Um einen solchen Fall handelte es sich nach Ansicht des Landgerichts vorliegend: Das wirtschaftliche Interesse der Mieter an einer Deckung der ihnen in Berlin auch während ihrer berufsbedingten Auslandseinsätze erwachsenden Mietkosten und einer der Erzielung von Untermieteinnahmen dienenden Drittüberlassung der Mietsache sei bereits zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vorhanden gewesen, jedenfalls aber latent angelegt. Denn die Mieter wären schon vor Abschluss des Mietvertrages – und zum Teil langjährig – beruflich im Ausland tätig gewesen. Es habe zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses kein einziger Anhalt dafür bestanden, dass die beruflichen Auslandsentsendungen des für eine politische Stiftung tätigen Mitmieters nach Vertragsabschluss ein Ende finden würden, auch wenn der Zeitpunkt und zeitliche Umfang künftiger Einsätze nicht ausschließlich von den Dispositionen des Mieters, sondern im Wesentlichen von den Einsatzentscheidungen seines Arbeitgebers abhängig gewesen wären. Damit habe aber auch kein Grund bestanden, zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht von einem späteren wirtschaftlichen Interesse an der Erzielung von Untermieteinnahmen zur Deckung der in Berlin anfallenden Mietkosten auszugehen.
Dass die Mieter sich nicht unmittelbar, sondern erstmals einige Zeit nach Vertragsabschluss wieder langfristig und durchgängig berufsbedingt im Ausland aufgehalten hätten, rechtfertige keine ihnen günstigere Entscheidung. Denn dieser Umstand sei typischer Ausdruck einer bereits zum Zeitpunkt des Mietvertragsschlusses latent vorhandenen Anlage des Überlassungsinteresses, bei der nicht das spätere Ob des Interesses ungewiss sei, sondern lediglich der genaue Zeitpunkt, an dem es erstmals offen zu Tage treten werde. Deshalb komme es für den Ausschluss des Überlassungsanspruchs auch nicht darauf an, ob der Mieter den erstmaligen Entschluss zur Aufnahme eines Dritten bereits unmittelbar nach Abschluss des Mietvertrages oder erst erhebliche Zeit danach fasse.
Urteilstext
Gründe
I.
Die klagenden Mieter begehren die Zustimmung zur teilweisen Gebrauchsüberlassung einer von dem Beklagten angemieteten Wohnung vom 1. Januar 2022 bis zum 28. Februar 2026. Der Beklagte verlangt widerklagend die Räumung und Herausgabe, Zahlung und Feststellung.
Das Amtsgericht hat den Beklagten zur Erlaubniserteilung verurteilt. Die Kläger hätten ein berechtigtes Interesse an der teilweisen Gebrauchsüberlassung. Dieses sei erst nach Abschluss des Mietvertrages entstanden, da die Kläger bei dessen Abschluss noch nicht hätten sicher sein können, ihr gesamtes Berufsleben im Ausland zu verbringen. Die Widerklage sei hingegen unbegründet. Weder sei das Mietverhältnis kündigungsbedingt beendet noch bestünden die übrigen zum Gegenstand der Widerklage erhobenen Ansprüche. Wegen der Einzelheiten, insbesondere auch zum erstinstanzlichen Vorbringen und zu den im ersten Rechtszug gestellten Anträgen, wird auf das amtsgerichtliche Urteil (Bl. 73-79 d.A.) Bezug genommen.
Der Beklagte hat gegen das ihm am 3. Januar 2022 zugestellte Urteil am 2. Februar 2022 Berufung eingelegt, die er nach vorheriger Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit am 1. April 2022 eingegangenem Schriftsatz begründet hat.
Er rügt, das Amtsgericht hätte ihn zu Unrecht zur Genehmigung der begehrten Gebrauchsüberlassung verurteilt, da das von den Klägern dazu geltend gemachte Interesse nicht erst nach Mietvertragsschluss, sondern bereits davor entstanden sei. Auch die von ihm erhobene Widerklage sei zulässig und begründet.
Der Beklagte beantragt, das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe seine Berufungsanträge abzuändern, die Klage abzuweisen und die Kläger auf seine Widerklage zu verurteilen. Wegen der Einzelheiten des Berufungsantrags wird auf die Berufungsbegründung (Bl. 114 d.A.) Bezug genommen.
Die Kläger beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil und vertiefen ihren erstinstanzlichen Vortrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf sämtliche erst- und zweitinstanzlich gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist teilweise begründet.
Die Berufung ist begründet, soweit sie sich gegen die erstinstanzliche Stattgabe der Klage richtet. Den Klägern steht ein Anspruch auf Gestattung der teilweisen Gebrauchsüberlassung ab dem 1. Januar 2022 bis zum 28. Februar 2026 gegenüber dem Beklagten gemäß § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht zu.
Danach kann der Mieter vom Vermieter die Erlaubnis verlangen, einen Teil des Wohnraums einem Dritten zum Gebrauch zu überlassen, wenn für den Mieter nach Abschluss des Mietvertrags ein berechtigtes Interesse entsteht. An diesen Voraussetzungen fehlt es bereits deshalb, weil ein berechtigtes Interesse der Kläger nicht erst „nach Vertragsschluss“, sondern bereits zuvor entstanden ist.
§ 553 Abs. 1 Satz 1 BGB soll mit der zeitlichen Einschränkung des berechtigten Interesses verhindern, dass der Mieter, der ein bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorhandenes Interesse zur Überlassung eines Teils des Wohnraums mit Dritten gegenüber dem Vermieter verschweigt, die durch den Vertrag gesetzten Grenzen des vertragsgemäßen Gebrauchs unter Berufung auf eine zu gestattende Untervermietung unterläuft (vgl. BGH, Urt. v. 31. Januar 2018 – VIII ZR 105/17, NZM 2018, 325, beckonline Tz. 56). Für den Ausschluss des Überlassungsanspruchs reicht es aus, dass das Überlassungsinteresse des Mieters zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits latent vorhanden ist (vgl. BGH, a.a.O). Jedenfalls um einen solchen Fall handelt es sich hier:
Das wirtschaftliche Interesse der Kläger an einer Deckung der ihnen in Berlin auch während ihrer berufsbedingten Auslandseinsätze erwachsenden Mietkosten und einer der Erzielung von Untermieteinnahmen dienenden Drittüberlassung der Mietsache war bereits zum Zeitpunkt des Vertragschlusses vorhanden, jedenfalls aber latent angelegt. Denn die Kläger waren schon vor Abschluss des Mietvertrages – und zum Teil langjährig – beruflich im Ausland tätig. Es bestand zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses kein einziger Anhalt dafür, dass die beruflichen Auslandsentsendungen des für eine politische Stiftung tätigen Klägers zu 2) nach Vertragsschluss ein Ende finden würden, auch wenn der Zeitpunkt und zeitliche Umfang künftiger Einsätze nicht ausschließlich von den Dispositionen des Klägers zu 2), sondern im Wesentlichen von den Einsatzentscheidungen seines Arbeitgebers abhingen. Damit bestand aber auch kein Grund, zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht von einem späteren wirtschaftlichen Interesse an der Erzielung von Untermieteinnahmen zur Deckung der in Berlin anfallenden Mietkosten auszugehen. Dass die Kläger sich nicht unmittelbar, sondern erstmals einige Zeit nach Vertragsschluss wieder langfristig und durchgängig berufsbedingt im Ausland aufgehalten haben, rechtfertigt keine ihnen günstigere Entscheidung. Denn dieser Umstand ist typischer Ausdruck einer bereits zum Zeitpunkt des Mietvertragsschlusses latent vorhandenen Anlage des Überlassungsinteresses, bei der nicht das spätere Ob des Interesses ungewiss ist, sondern lediglich der genaue Zeitpunkt, an dem es erstmals offen zu Tage treten wird. Deshalb kommt es für den Ausschluss des Überlassungsanspruchs auch nicht darauf an, ob der Mieter – so wie die Kläger – den erstmaligen Entschluss zur Aufnahme eines Dritten bereits unmittelbar nach Abschluss des Mietvertrages oder erst erhebliche Zeit danach fasst (vgl. Emmerich, in: BeckOGK BGB, Stand 1. April 2022, § 553 Rz. 14 m.w.N.).
Davon ausgehend kann es dahinstehen, ob das von den Klägern geltend gemachte wirtschaftliche Interesse überhaupt hinreichend gewichtig wäre, um gemäß § 553 Abs. 1 BGB einen Genehmigungsanspruch zu begründen (vgl. dazu Kammer, Urt. v. 17. März 2022 – 67 S 286/21, WuM 2022, 278, beckonline Tz. 13 ff.). Daran bestehen allerdings nicht nur wegen des beklagtenseits behaupteten Jahreseinkommens des Klägers zu 2) in Höhe von 150.000,00 EUR und der von dessen Arbeitgeber während eines Auslandseinsatzes gewährten monatlichen Unterkunftskostenzulage von 3.642,00 EUR Zweifel. Das für einen Genehmigungsanspruch erforderliche Gewicht des behaupteten wirtschaftlichen Interesses steht auch deshalb in Frage, weil die Kläger nicht nur Mieter der streitgegenständlichen Wohnung, sondern darüber hinaus auch noch Eigentümer einer weiteren Wohnung in Berlin sind, die sie anders als die von dem Beklagten angemietete Wohnung nicht zu eigenen Wohnzwecken, sondern ausschließlich zur Erzielung ihrer „Altersvorsorge“ dienender Mieteinnahmen nutzen.
Im Übrigen ist die Berufung unbegründet.
Der auf die Feststellung der fehlenden Berechtigung zur Untervermietunggerichtete Widerklageantrag ist unzulässig, soweit er sich in einer bloßen Negation des klägerischen Leistungsantrags erschöpft (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urt. v. 4. Juli 2013 – VII ZR 52/12, NJW-RR 2013, 1105, beckonline Tz. 11 m.w.N.). Soweit er darüber hinausgeht, ist er unbegründet. Denn ein zukünftiger Anspruch der Kläger auf Erteilung der Erlaubnis zur teilweisen Gebrauchsüberlassung aus anderen als den hier streitgegenständlichen Gründen ist nicht durch den Vergleichsschluss im vorangegangenen Rechtsstreit (LG Berlin – 67 S 324/18) ausgeschlossen. Die Parteien haben mit der dort getroffenen vergleichsweisen Vereinbarung nur eine Regelung für den im Vorprozess streitgegenständlichen Zeitraum getroffen. Ein Anhalt für die Vereinbarung eines generellen Ausschlusses des Rechts zur teilweisen Gebrauchsüberlassung aus anderen als den hier streitgegenständlichen Gründen besteht unter Zugrundelegung der Auslegungsparameter der §§ 133, 157 BGB nicht. Ob die Mietvertragsparteien die aus § 553 Abs. 1 BGB erwachsenden Ansprüche des Mieters überhaupt im Rahmen eines Prozessvergleichs beschränken können oder ob der Wirksamkeit eines entsprechenden Vergleichs nicht § 553 Abs. 3 BGB entgegen stünde, bedarf davon ausgehend keiner Entscheidung. Auch das hat das Amtsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt.
Das Amtsgericht hat die Widerklage auch im Übrigen zu Recht abgewiesen. Die Kammer nimmt insoweit auf die zutreffenden und die Angriffe der Berufung vollständig erschöpfenden Gründe der angefochtenen Entscheidung, denen nichts hinzuzufügen ist, Bezug.
Gründe, die mündliche Verhandlung gemäß § 156 ZPO wiederzueröffnen, bestanden den Ausführungen der Kläger im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 29. Juni 2022 zuwider nicht. Die der Entscheidung zu Grunde liegende Rechtsauffassung der Kammer war ausführlicher Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Insbesondere wurde in der Berufungsverhandlung die Frage, ob das von den Klägern geltend gemachte berechtigte Interesse einer teilweisen Gebrauchsüberlassung bereits bei Abschluss des Mietvertrages latent vorhanden war, mit Blick auf den schriftsätzlichen Vortrag der Kläger eingehend erörtert. Davon abgesehen würde der Inhalt des Schriftsatzes vom 29. Juni 2022 auch im Falle seiner prozessualen Berücksichtigungsfähigkeit eine abweichende Entscheidung zu Gunsten der Kläger nicht rechtfertigen.
Die Entscheidung zu den Kosten und zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe die Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO zuzulassen, bestanden nicht, da die entscheidungserheblichen abstrakten Rechtsfragen bereits höchstrichterlich geklärt sind.
28.06.2023