Leitsatz:
Zur Frage, ob die Wohnungseigentümergemeinschaft bei Wohngeldrückstand eines Wohnungseigentümers für die Vergangenheit berechtigt ist, gegenüber dem Mieter des säumigen Wohnungseigentümers die Versorgung der vermieteten Räume mit Heizung und Wasser bis zum Ausgleich der Rückstände zu unterbinden.
LG Berlin, Urteil vom 18.8.05 – 30 O 262/05 –
Mitgeteilt von RA Ulrich Kernen
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
„… Ohne Erfolg verweisen die Kläger ferner auf die Beschlüsse des AG Neukölln vom …, mit denen die Wohnungseigentümer rechtskräftig zur Duldung der Versorgungssperre verpflichtet wurden. Denn die Beklagte zu 2. war als Mieterin nicht Beteiligte im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 2 WEG. …
Die Wohnungseigentümergemeinschaft kann mit einfacher Mehrheit gegenüber einem säumigen Wohngeldschuldner eine Versorgungssperre derart beschließen, dass die in der Wohnung des säumigen Wohngeldschuldners vorhandenen Leitungen von den zentralen Versorgungsleitungen abgetrennt werden (so genanntes „ausfrieren“). Die Vorschrift des § 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG (Einziehung des Wohnungseigentums im Falle eines Zahlungsrückstandes) stellt hinsichtlich der möglichen Maßnahmen der Gemeinschaft gegenüber dem säumigen Wohngeldschuldner keine abschließende Sonderregelung dar. Keinem Wohnungseigentümer ist es zumutbar, auf Dauer für einen anderen Wohnungseigentümer den auf diesen entfallenden Kostenanteil zu übernehmen (einhellige Meinung, KGR 2001, 275 = MDR 2001, 1346 m.w.N.).
Damit ist aber noch nicht die Frage beantwortet, ob eine Versorgungssperre wegen Wohngeldrückständen auch dann durchgeführt werden darf, wenn die Wohnung des säumigen Eigentümers vermietet ist. Einerseits wird die Ansicht vertreten, dem Mieter könnten gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft keine weitergehenden Rechte zustehen als dem vermietenden Wohnungseigentümer, weil der Mieter nämlich von diesem seine Rechtsstellung ableite (KGR 2002, 31 = MDR 2002, 574; im Ergebnis ebenso, aber mit abweichender Begründung Kümmel/von Seldeneck GE 2002, 1045). Andererseits wird dafürgehalten, eine Versorgungssperre wegen Wohngeldrückständen stelle eine verbotene Eigenmacht der Wohnungseigentümergemeinschaft gegenüber dem Mieter dar (OLGR Köln 2000, 457).
Der vorliegende Fall gebietet nicht, zu der Streitfrage (eingehend auch Gaier, ZWE 2004, 109) abschließend Stellung zu nehmen. Denn der Mieter kann jedenfalls nicht gezwungen werden, den Zugang zu seiner Wohnung freizugeben, damit in der Wohnung befindliche Absperrvorrichtungen betätigt werden können. Der Duldungsanspruch, den die Gemeinschaft gemäß § 14 Nr. 4 WEG gegen den Wohnungseigentümer selbst hat, besteht gegen den Mieter nicht (Kümmel/von Seldeneck a.a.O.; Gaier a.a.O.; Niedenführ/Schulze, WEG, 7. Aufl., § 28, RN 152). …“
28.02.2013