Leitsatz:
Die Heizkostenabrechnung ist materiell fehlerhaft, wenn nicht alle Nutzergruppen vorab mit ihrem jeweiligen Verbrauch gemessen wurden, § 5 Absatz 2 Satz 1 HeizkostenVO. Denn nur bei Messung aller Nutzergruppen kann ausgeschlossen werden, dass die bei Berechnung nivellierten Leitungs- und sonstigen Verluste nicht auf alle Gruppen beziehungsweise ungleichmäßig umgelegt werden. Es ist in solchen Fällen nach § 9 a HeizkostenVO zu verfahren.
LG Berlin vom 20.3.2013 – 67 S 414/12 –
Mitgeteilt von RA Johann Heinrich Lüth
Urteilstext
Gründe
1) Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
Die Berufung ist gemäß § 511 Abs. 1 ZPO statthaft und die gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderliche Mindestbeschwer ist erreicht. Die Form- und Fristvorschriften der §§ 517, 519 und 520 ZPO sind erfüllt. Die Berufung ist damit insgesamt zulässig.
2) Die Berufung hat Erfolg.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung der Nachforderung in Höhe von 984,13 € aus der Heizkostenabrechnung für 2007/08 gemäß § 535 Abs. 2 BGB.
Mit dem Vertrag vom 3. Januar 1986 mieteten der Beklagte und Herr D, von der K.-Grundstücksgesellschaft mbH die Wohnung in der P.-straße XX, sechstes Obergeschoss, 10XXX Berlin. Die Wohnung hat drei Zimmer und ist 87m2 groß. Herr D. ist inzwischen verstorben. Die Klägerin ist inzwischen Eigentümerin und Vermieterin.
Unter dem 6. Oktober 2009 rechnete die Klägerin über die Heizkosten 2007/08 ab und verlangte eine Nachzahlung von 1.076,17 €. Der Beklagte zahlte 92,04 €. Den Rest von 984,13 € macht die Klägerin in diesem Verfahren geltend.
Die weiteren Abrechnungen 2008/09 und 2009/10 sind nicht mehr streitgegenständlich.
Das Amtsgericht hat den Beklagten zur Nachzahlung 2007/08 wie beantragt verurteilt, wogegen sich die Berufung wendet.
Entgegen der Berufung führt ein etwaiger Fehler bei der Vorerfassung gemäß § 5, § 6 HeizkostenVO nicht zur formellen Unwirksamkeit der Abrechnung. Dies hat der Bundesgerichtshof in dem von dem Beklagten selbst angeführten Urteil vom 16. Juli 2008 – VIII ZR 57/07 (Rn. 16) entschieden. Ebenso führen etwaige falsche Flächenangaben nicht dazu, dass ein formeller Fehler der Abrechnung gegeben wäre. Der Verteilerschlüssel muss nachvollziehbar angegeben, also prüfbar sein, nicht aber muss er zutreffen. Letzteres ist allein materiell zu beurteilen.
Allerdings ist der Einwand des Beklagten zur Vorerfassung materiell zutreffend. Die Heizkostenabrechnung ist hier deshalb unzutreffend, weil nicht alle Nutzergruppen vorab mit ihrem jeweiligen Verbrauch gemessen wurden, § 5 Abs. 2 Satz 1 HeizkostenVO. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob der Stand eines defekten Zählers (Nr. 5020) geschätzt worden ist. Jedenfalls ist die größte Nutzergruppe (Wxxxxx. ([8.699m2 – 2.912m2 =] 5.787m2) nicht gemessen worden, sondern berechnet worden. Es kommt nicht darauf an, ob die Gruppe der Wohnungen oder eine andere nicht gemessen worden ist“. Entscheidend ist, dass nur bei Messung aller Nutzergruppen ausgeschlossen werden kann, dass die bei Berechnung nivellierten Leitungs- und sonstigen Verluste nicht auf alle Gruppen bzw. ungleichmäßig umgelegt werden. Weder § 5, § 6 HeizkostenVO noch die sie ausführlich behandelnde Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 16. Juli 2008 – VIII ZR 57/07 (dort Rn. 20-26) differenzieren danach, welche Gruppen erfasst und welche berechnet worden sind. Die von der Klägerin angeführte Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 14. September 2005 – VIII ZR 195/04 – ist nicht einschlägig. § 5, § 6 HeizkostenVO sind dort nicht besprochen.
Es ist nach § 9a Abs. 2 HeizkostenVO zu verfahren, da allein die nicht gemessene Nutzergruppe W.xxxx weit über die Hälfte der Fläche einnimmt. Die Gesamtkosten der Wärmeversorgung von 53.560,67 € sind nach der Fläche (87m2 von 8.699m2) zu verteilen, wobei sich 535,67 € ergeben. Dieser Betrag ist nach § 12 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenVO um 15% (= 80,35 €) auf 455,32 € zu kürzen (siehe hierzu wiederum BGH vom 16. Juli 2008 – VIII ZR 57/07 Rn. 27). Der Beklagte ist mit diesem Einwand nicht ausgeschlossen. Er hat ihn vorgerichtlich nicht nur in den Schreiben des Mieterbundes vom 14. Dezember 2009 und 22. April 2010 benennen lassen, es ist vielmehr vorgerichtlich im Schreiben des Mieterbundes vom 31. Mai 2010 bereits der auch hier ermittelte Betrag errechnet worden. § 556 Abs. 3 Satz 5 BGB greift nicht zulasten des Beklagten ein. Die Schreiben des Mieterbundes lagen schon beim Amtsgericht vor und sind – hinsichtlich des Zugangs – unstreitig.
Es errechnen sich Kosten des Beklagten von (455,32 € + 524,69 € =) 980,01 €, denen Vorauszahlungen von 907,44 € gegenüberstehen. Die Differenz von 72,57 € ist durch die Zahlung des Beklagten von 92,04 € mehr als ausgeglichen.
Auf die weiteren Fragen (Flächenabweichungen) kommt es nicht mehr an.
3) Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, für den ersten Rechtszug auch aus § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht gegeben sind. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Es ist nicht erforderlich, die Revision zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
29.06.2017