Leitsatz:
Wer eine Wohnung an eine Wohngemeinschaft vermietet, der muss das sich daraus ergebende Wechselrecht in Bezug auf die zur Wohngemeinschaft gehörenden Personen in Kauf nehmen, wenn das nicht ausdrücklich vertraglich ausgeschlossen ist.
LG Berlin vom 28.8.2013 – 65 S 78/13 –
Mitgeteilt von RA Hans-Christoph Friedmann
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Die Mitglieder einer Wohngemeinschaft hatten nach Auszug eines Bewohners ein neues WG-Mitglied aufgenommen, ohne den Vermieter um Erlaubnis zu fragen. Der Vermieter nahm dies zum Anlass für eine Kündigung des Mietverhältnisses. Das Landgericht wollte dem nicht folgen.
Zwar sei für den Personenwechsel auf Seiten der Mieter auch bei einer Wohngemeinschaft eine Erlaubnis des Vermieters erforderlich. Einer Wohngemeinschaft stehe aber ein Anspruch auf Zustimmung zur Auswechslung einzelner Mitglieder zu. Das habe zur Folge, dass der Vermieter grundsätzlich dem Austausch von Mitgliedern der Wohngemeinschaft zustimmen müsse. Dem Vermieter müsse klar sein, dass die Gemeinschaft aufgrund möglicher Wohnsitzwechsel oder aus anderen Gründen, zum Beispiel im Zusammenhang mit einer Ausbildung oder dem Studium, nicht auf Dauer angelegt sei. Diese Konsequenz stehe der Vertragfreiheit nicht unvereinbar gegenüber. Wer eine Wohnung an eine Wohngemeinschaft vermiete, der müsse das sich daraus ergebende Wechselrecht in Bezug auf die zur Wohngemeinschaft gehörenden Personen in Kauf nehmen, wenn das nicht ausdrücklich vertraglich ausgeschlossen sei. Daran ändere sich im vorliegenden Fall auch dadurch nichts, dass der Mietvertrag bereits bestand, als der Erwerber auf Vermieterseite in das Mietverhältnis eingetreten sei. Gemäß § 566 BGB berühre der Eigentümerwechsel und damit der Eintritt des Erwerbers der Mietsache in das Wohnungsmietverhältnis den Vertrag selbst nicht. Es ergebe sich deshalb kein Grund für eine andere Bewertung im Fall des Eigentumswechsels an der Mietsache.
Da die Mieter als Wohngemeinschaft einen Anspruch auf Zustimmung an der begehrten Auswechslung des einen Bewohners hatten, stelle es keine so schwerwiegende Pflichtverletzung im Sinne von § 543 Absatz 2 Nummer 2, Alternative 2 BGB dar, trotz der nicht erteilten Erlaubnis zur Aufnahme des neuen Bewohners und Entlassung eines ausgezogenen Bewohners aus dem Mietverhältnis einen Teil der Wohnung an den neuen Bewohner zu überlassen. Erhebliche Interessen des Vermieters, die gegen einen Wechsel in der Zusammensetzung der Wohngemeinschaft sprachen, hätte der Vermieter im Zeitpunkt der Kündigung nicht erklärt. Insbesondere hätte er keine weiteren Informationen über den neuen Wohngemeinschafter und seine Einkommens- beziehungsweise Vermögenssituation erbeten, sodass er damit eine Verweigerung der Erlaubnis nicht rechtfertigen könne. Der Vermieter könne deshalb dem Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis nicht entgegenhalten, dass die Mieter für ihn notwendige Informationen über den neuen Bewohner der Wohngemeinschaft nicht mitgeteilt hätten. Daraus ergebe sich folglich kein die Pflichtverletzung der Mieter erschwerendes Moment. Entsprechendes gelte für die vom Vermieter gleichzeitig ausgesprochene ordentliche Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nummer 1 BGB.
Urteilstext
Aus den Gründen:
…
A. Widerklage
..
… aa) Ein Kündigungsgrund für eine fristlose Kündigung gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 BGB hat nicht vorgelegen. Die Überlassung eines Teils der Wohnung zum Mitbewohnen an Herrn He. stellt keinen Kündigungsgrund dar, weil die Kläger einen Anspruch auf die Erteilung einer entsprechenden Erlaubnis dafür hatten. Spätestens seit dem 3. Nachtrag vom 29.7.2009 bildeten die Kläger auf der Mieterseite eine Wohngemeinschaft, also eine zeitlich beschränkte Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft, die nicht auf Dauer ausgerichtet ist. Das ergab sich aus der relativ kurzen Abfolge der Veränderungen der auf Mieterseite aufgetretenen Personen. 2002 war der Mietvertrag auf Mieterseite von dem Kläger Ho. sowie J. Bö. und A. Bo. abgeschlossen worden. Dann schied zuerst A. Bo. aus und 2005 auch J. Bö.. Ab 2006 waren dann M. Gr. und G. Sp. mit in das Mietverhältnis eingetreten. Die erneute Änderung in der Zusammensetzung auf Mieterseite, anstelle von Herrn Sp. trat der Kläger Pr. mit in das Mietverhältnis gemäß dem mit der Beklagten geschlossenen 3. Nachtrag zum Mietvertrag ein, sollte dann zu keiner qualitativen Zäsur, insbesondere zu keiner Rückzahlung oder Übertragung der Kaution und auch nicht zu einer Abrechnung über die Betriebskostenvorschüsse aus diesem Anlass führen.
Bei der Anzahl dieser Wechsel bis zum Jahre 2009 ist deutlich, dass es ich auf Mieterseite nicht um eine auf Dauer ausgerichtete Lebensgemeinschaft handelte, sondern um zeitlich beschränkte Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaften (vgl. dazu die Kammer GE 2012, 1371 f., zitiert nach juris). Daran ändert nichts, dass der Kläger Ho. bereits seit 2002 in der Wohnung wohnte. Wie dem vorgerichtlichen Schreiben der Kläger vom August 2011 zu entnehmen ist, war er zu diesem Zeitpunkt bereits aus der Wohnung ausgezogen, hatte damit zwar seine Verpflichtungen aus dem Mietverhältnis als Mitglied der Wohngemeinschaft gegenüber der Beklagten noch nicht verloren, aber die tatsächliche Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft mit den übrigen Bewohnern der Wohnung bereits beendet. Zudem ist auch eine mögliche Verweildauer von 9 Jahren eines Mitglieds der Wohngemeinschaft bei häufiger langen Ausbildungszeiten durchaus nicht ungewöhnlich, so dass das allein die Wohngemeinschaft auf Mieterseite nicht in Frage stellt.
Zwar ist für den Personenwechsel auf Seiten der Mieter auch bei einer Wohngemeinschaft eine Erlaubnis des Vermieters erforderlich (vgl. Blank in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 11. Aufl. § 543 RN 71). Einer Wohngemeinschaft steht aber ein Anspruch auf Zustimmung zur Auswechslung einzelner Mitglieder zu, wie die Kammer in der zitierten Entscheidung unter Bezugnahme auf weitere Nachweise in der Literatur bereits befunden hat. Das hat zur Folge, dass der Vermieter grundsätzlich dem Austausch von Mitgliedern der Wohngemeinschaft zustimmen muss. Dem Vermieter muss klar sein, dass die Gemeinschaft aufgrund möglicher Wohnsitzwechsel oder aus anderen Gründen, z.B. im Zusammenhang mit einer Ausbildung oder dem Studium nicht auf Dauer angelegt ist. Diese Konsequenz steht der Vertragfreiheit nicht unvereinbar gegenüber. Wer eine Wohnung an eine Wohngemeinschaft vermietet, der muss das sich daraus ergebende Wechselrecht in Bezug auf die zur Wohngemeinschaft gehörenden Personen in Kauf nehmen, wenn das nicht ausdrücklich vertraglich ausgeschlossen ist (die Kammer a.a.O.). Daran ändert hier nichts, dass der Mietvertrag bereits bestand, als die Beklagte auf Vermieterseite in das Mietverhältnis eingetreten ist. Gemäß § 566 BGB berührt der Eigentümerwechsel und damit der Eintritt des Erwerbers der Mietsache in das Wohnungsmietverhältnis den Vertrag selbst nicht. Es ergibt sich deshalb kein Grund für eine andere Bewertung im Fall des Eigentumswechsels an der Mietsache.
Da die Kläger als Wohngemeinschaft einen Anspruch auf Zustimmung mit der begehrten Auswechslung des Klägers hatten, stellte es keine so schwerwiegende Pflichtverletzung im Sinne von § 543 Abs. 2 Nr.2 Alt. 2 BGB dar, trotz der nach August 2011 nicht erteilten Erlaubnis zur Aufnahme des Herrn He. und Entlassung des Kläger Ho. aus dem Mietverhältnis einen Teil der Wohnung Herrn He. zu überlassen. Erhebliche Interessen der Beklagten, die gegen einen Wechsel in der Zusammensetzung der Wohngemeinschaft sprachen, hatte die Beklagte im Zeitpunkt der Kündigung nicht erklärt. Insbesondere hatte sie keine weiteren Informationen über Herrn He. und seine Einkommens- bzw. Vermögenssituation erbeten, sodass sie damit eine Verweigerung der Erlaubnis nicht rechtfertigen kann. Die Beklagte kann deshalb dem Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis nicht entgegenhalten, dass die Kläger für sie notwendige Informationen über Herrn He. nicht mitgeteilt hatten. Daraus ergibt sich folglich kein die Pflichtverletzung der Kläger erschwerendes Moment.
Für die in der Klageerwiderung und in der Berufung wiederholte fristlose, hilfsweise fristgemäße Kündigung gilt Vorstehendes gleichermaßen. Insbesondere hatte die Beklagte bis zum Termin der mündlichen Verhandlung nicht angeben, welche Angaben sie über Herrn He. wünschte, so dass die Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung rechtzeitig und ausreichende Angaben zur Herrn He. gemacht haben, welche die erkennbaren Interessen der Beklagten befriedigen. Insbesondere sind von den Klägern im Termin zur mündlichen Verhandlung Angaben zur Person des Herrn He. Gemacht worden, aus denen sich ergibt, dass eine gegen die Aufnahme des Herrn He. sprechendes berechtigtes Interesse der Beklagten nicht gegeben ist, weil insbesondere die finanziellen Verhältnisse der Mitglieder der Wohngemeinschaft sich durch Aufnahme von Herrn He. nicht nachteilig verändert haben. Dabei genügte die Erklärung gegenüber dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten, weil dieser als empfangsberechtigt für Erklärungen im Zusammenhang mit dem Streitgegenstand des Rechtsstreits anzusehen ist.
bb) Auch die hilfsweise fristgemäß erklärten Kündigungen vom 10.8.2012, in der Klageerwiderung und schließlich in der Berufungsinstanz wiederholt, haben das Mietverhältnis nicht beendet. Die Überlassung eines Teils der Wohnung an Herrn He. hatte kein so schwerwiegendes Gewicht, dass damit ein berechtigtes Interesse der Beklagten an der Beendigung des Mietverhältnisses zu rechtfertigen wäre. Die nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 2.2.2011 – VIII ZR 74/10, NZM 2011, 275 [276], zitiert nach beck-online) maßgeblichen Umstände des gegebenen Einzelfalles lassen keine erhebliche Pflichtverletzung erkennen. Hier wie in dem vom BGH entschiedenen Fall waren die Mieter ihrer Verpflichtung nachgekommen, vom Vermieter eine entsprechende Erlaubnis zu erbitten. Die Kläger hatten bereits mit Schreiben vom 16.8.2011 um die Erlaubnis zur Untervermietung an Herrn He. gebeten. Damit war dem Zweck der Einholung der Genehmigung genüge getan. Dieser Zweck besteht darin, dem Vermieter Gelegenheit zu geben, seine Einwendungen gegen die Gebrauchsüberlassung an den Dritten geltend zu machen, bevor dem Dritten die Räume überlassen werden. Indessen hatte die Beklagte auf dieses Schreiben nicht reagiert.
Nicht maßgeblich ist, dass die Kläger keine Untervermietung an Herrn He., sondern dessen Aufnahme in die Wohngemeinschaft der Mieter wünschten. Denn dass ihr Anliegen auch im August 2011 im Grunde hierauf gerichtet war, ergab sich bereits aus der Mitteilung in dem Schreiben , dass der Kläger Ho. bereits nicht mehr in der Wohnung wohne.
Die Beklagte verhielt sich zudem widersprüchlich, indem sie den Klägern nach Ausspruch der Kündigung die Erlaubnis zur Untervermietung an Frau Wu. für die Zeit vom 1.12.2012 bis zum 31.12.2013 erteilte. Dieses durften die Kläger nur als Bestätigung des Fortbestehens des Mietverhältnisses verstehen. Bei Wirksamkeit wenigstens der fristgemäßen Kündigung wäre das Mietverhältnis mit Wirkung zum 31.5.2013 beendet gewesen, so dass für eine längere Untermieterlaubnis die Grundlage gefehlt hätte. Einen Vorbehalt in Bezug auf die Dauer der Untermieterlaubnis hatte die Beklagte ersichtlich nicht gemacht.
B. Klage
Die Kläger haben den im angefochtenen Urteil zuerkannten Anspruch auf Zustimmung zum Austausch des Mitmieters Ho. gegen Herrn He.. Das Mietverhältnis ist nach denn oben stehenden Ausführungen nicht beendet worden. Nachdem die weiteren Angaben zur Person des Herrn He., seiner derzeitigen Beschäftigung – Jurastudium vor dem 1. Staatsexamen – und seiner derzeitigen Einkommenssituation – finanzielle Unterstützung durch die Eltern – bekannt sind, steht den Klägern als Wohngemeinschaft der Anspruch gegenüber der Beklagten aus den oben ebenfalls bereits dargelegten Gründen zu.
…
28.12.2017