Jede Woche werden in Berliner Mietshäusern zwei bis drei Kinderwagen in Brand gesteckt, oft mit verheerenden Folgen. Nicht erst seit dem Neuköllner Vorfall mit drei Todesopfern warnt die Feuerwehr daher eindringlich davor, Kinderwagen im Treppenhaus abzustellen. Doch wohin mit dem guten Stück?
Während es in Neubauten oft ebenerdig gelegene Abstellräume für Fahrräder und Kinderwagen gibt, kommt in Altbauten allenfalls der Keller in Frage. Doch häufig ist eine steile Treppe zu überwinden. Außerdem: Wer will das womöglich teure Gefährt schon in einen feuchten, schmutzigen Keller stellen? Vielen Eltern bleibt daher gar nichts anderes übrig, als den Kinderwagen im Treppenhaus zu parken. Mietrechtlich gesehen ist das auch erlaubt, jedenfalls sofern es keine Ausweichmöglichkeit gibt und andere Mieter nicht behindert werden.
Der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins (BMV) hält die Rechtsprechung für sachgerecht: „Es ist Eltern nicht zuzumuten, den Wagen samt Kind und Einkauf die Treppen hochzutragen“, meint Reiner Wild. Die immer wieder geäußerte Behauptung, nach der Berliner Bauordnung sei das Abstellen von Kinderwagen im Treppenhaus verboten, stimmt übrigens nicht. „Entscheidend ist, dass sie andere nicht behindern, es muss genug Platz bleiben, damit beispielsweise von Rettungssanitätern eine Bahre heruntergetragen werden kann“, erklärt der Rechtsexperte des BMV, Frank Maciejewski. Das sei in jedem Einzelfall abzuwägen.
Bei der Berliner Feuerwehr sieht man es verständlicherweise so, dass abgestellte Gegenstände in Flur, Treppenhaus oder Eingangsbereich grundsätzlich ein Hindernis darstellen. „Die Flucht- und Rettungswege müssen freibleiben, weil sonst die Einsatzkräfte behindert werden, außerdem sind Kinderwagen eine potenzielle Brandlast “, betont Feuerwehrsprecher Jens-Peter Wilke. Der Aufsatz aus Kunststoff brenne innerhalb von Minuten wie Zunder. Brandstifter würden sich gezielt unverschlossene oder leicht zugängliche Häuser aussuchen, in denen Sperrmüll, Kinderwagen oder ähnliche Gegenstände herumstehen. „Wir empfehlen den Hausverwaltungen daher, für alternative Abstellmöglichkeiten zu sorgen beziehungsweise ihre Mieter dabei zu unterstützen“, meint Wilke. Seine Erfahrung: „Es sind sehr häufig Lösungen möglich, wenn man es wirklich will, aber viele Hausverwaltungen zeigen wenig Interesse.“
Lösungen und ein Rat
Mit gutem Beispiel voran gehen vor allem die genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen. So hat die Charlottenburger Baugenossenschaft zehn sogenannte Kinderwagenboxen angeschafft. Auch Rollatoren und Rollstühle werden hier sicher aufbewahrt und sind vor Wind und Wetter geschützt. Die kleinen abschließbaren Garagen haben auch in kleineren Höfen Platz. „Eine tolle Lösung, aber bei Stückpreisen von 300 bis 600 Euro nicht gerade preiswert“, meint Reiner Wild: „Wir legen den Vermietern nahe, für Abstellmöglichkeiten in Hof oder Garten zu sorgen.“ In vielen Altbauten gibt es beispielsweise ungenutzte Remisen, gelegentlich kann auch eine unattraktive Erdgeschosswohnung in einen Abstellraum umfunktioniert werden. Auch die Selbsthilfe von Mietern müsse von den Hauseigentümern stärker unterstützt werden. Ein einfacher Holzverschlag als Unterstand könne von Mietern leicht selber gebaut werden.
Beim Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) ist man da skeptisch. Zum einen schaffe man damit neue Brandherde, zum anderen gebe es ein Platzproblem: „Gerade Familien wollen den Hof ja auch zum Aufenthalt nutzen, wegen der Mülltonnen ist da ohnehin nur wenig Platz“, gibt Dr. David Eberhardt, Sprecher des BBU, zu bedenken. Wenn irgendwie möglich, sollten die Kinderwagen zumindest nachts in die Wohnung genommen werden. „Wir empfehlen den Kauf von demontierbaren Kinderwagen, dann kann man zumindest den brennbaren Aufsatz nach oben tragen“, so Dr. Eberhardt. Gegenüber dem Brandrisiko müsste das Argument der Bequemlichkeit zurückstehen. Genauso wichtig sei es aber, dass Mieter darauf achten, dass die Haustür nachts verschlossen ist.
Birgit Leiß
MieterMagazin 5/11
Die Kunststoffaufsätze von Kinderwagen sind leicht entzündlich – das birgt Gefahr im Treppenhaus
Foto: Berliner Feuerwehr
Rat und Tat
Ein Piepsen rettet Leben
Seit Jahren wird in Berlin über die Einführung einer Rauchmelder-Pflicht diskutiert. In neun der 16 deutschen Bundesländer gibt es sie bereits. Der Berliner Senat hat dies bisher als überflüssig und zu bürokratisch abgelehnt. Unter dem Eindruck der tödlichen Brandstiftungen der jüngsten Zeit erwägt man nun doch, eine Verpflichtung einzuführen, jedenfalls wenn der Appell an die Hauseigentümer zum freiwilligen Einbau bis zum Jahresende nicht fruchtet. Darauf haben sich der Innensenator und die Senatorin für Stadtentwicklung verständigt. Der Berliner Mieterverein begrüßt eine entsprechende Änderung der Bauordnung, die Vermieterverbände lehnen sie wegen der Kosten ab. Die Berliner Feuerwehr kritisiert, dass nur in den Treppenhäusern Warnmelder zur Pflicht gemacht werden sollen. In den Wohnungen seien sie viel wichtiger.
bl
06.06.2018