Nach langem Tauziehen hat sich die rot-rote Koalition auf eine neue Regelung zum Schutz der Mieter nach Umwandlung geeinigt. Der Berliner Mieterverein (BMV) zeigte sich erleichtert, denn nunmehr profitieren sogar mehr Mieter als zuvor von einer verlängerten Kündigungssperrfrist.
Die neue Berliner Kündigungssperrfristverordnung – die bei Redaktionsschluss noch nicht rechtskräftig war – sieht vor, dass Mieter in sechs Bezirken nach Umwandlung in eine Eigentumswohnung sieben Jahre lang vor einer Eigenbedarfskündigung geschützt sind. Diese Sperrfrist gilt auch für den Kündigungsgrund „Hinderung wirtschaftlicher Verwertung“, der allerdings weitaus seltener vorkommt. Bisher galt die Sonderfrist nur für vier Bezirke, nämlich Friedrichshain-Kreuzberg, Charlottenburg-Wilmersdorf, Pankow und Tempelhof- Schöneberg. Neu hinzugekommen sind Mitte und Steglitz-Zehlendorf. In den restlichen Bezirken gilt lediglich die gesetzliche Schonfrist von drei Jahren gemäß Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB). Die Zahl der zusätzlich geschützten Mietverhältnisse wird auf 40.000 geschätzt. „Wir begrüßen, dass zwei Bezirke dazugekommen sind, allerdings hätten wir eine zehnjährige Sperrfrist wie in Hamburg für angemessen gehalten“, kommentiert Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins.
Leere Wohnungen erzielen einen höheren Preis
Allein zwischen 2004 und 2009 sind rund 30.000 Mietwohnungen umgewandelt worden, wie eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Klaus Doering (Die Linke) ergab. Vor allem 2009 boomte das Geschäft, 6916 Wohnungen wurden in diesem Jahr umgewandelt. Gegenüber 2007 ist das eine Steigerung um 75 Prozent. Spitzenreiter ist Charlottenburg-Wilmersdorf mit 1496 Umwandlungen, gefolgt von Tempelhof-Schöneberg mit 1192. Im vergangen Jahr ging die Zahl dann auf 4500 zurück, was die Eigentümer-Zeitschrift „Grundeigentum“ prompt zum Anlass nahm, die Berechtigung einer Schutzklausel-Verordnung in Frage zu stellen.
Doch das Umwandlungsgeschäft ist immer Schwankungen unterworfen, der Rückgang im vergangenen Jahr lasse daher nicht unbedingt eine Trendwende erkennen, meint BMV-Chef Reiner Wild. Da leere Wohnungen mehr einbringen als vermietete, wird auf die Bewohner oft erheblicher Druck ausgeübt, auszuziehen. Wie das geht, zeigt das Beispiel eines denkmalgeschützten Blocks in der Frankfurter Allee. Zuerst bot man den Mietern ihre Wohnungen zum Kauf an – zu völlig überhöhten Preisen, wie Steffen Zillich, Friedrichshainer Abgeordneter der Linken berichtet. Dann wurde den schockierten Mietern mitgeteilt, dass sie innerhalb eines bestimmten Zeitraums ausziehen müssten. Die Bewohner, von denen etliche seit Jahrzehnten hier leben, haben mittlerweile eine Mieterinitiative gegründet.
Umwandlung bedeutet aber nicht nur für die betroffenen Mieter eine Bedrohung, sondern führt in den Quartieren auch zu Verdrängung und sozialer Entmischung. Bestes Beispiel: der Chamissokiez in Kreuzberg. Über das attraktive Gründerzeitquartier rollt schon seit Jahren eine Umwandlungswelle. Etliche Häuser stehen leer, nachdem die Bewohner rausgekauft oder rausgeekelt wurden. Wie die meisten betroffenen Häuser gehörte die Willibald-Alexis-Straße 34 früher der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Gewobag. Sieben Jahre nach der Privatisierung wird das Haus nun durch den neuen Eigentümer in Einzeleigentum geteilt. Der Verkauf der Wohnungen hat bereits begonnen, doch die Bewohner wollen sich wehren. Durch „Androhungen, Rauskaufversuche, Räumungsklagen und Nichtwahrnehmung hausverwalterischer Tätigkeiten“, so berichten sie, wolle man sie verdrängen. Mittlerweile haben sie sich als Hausprojekt organisiert und wollen ihr Haus kaufen.
Kündigungsschutz ist nicht alles
Diesen Weg wollen auch Bewohner des Eckhauses Graefestraße 11/Böckhstraße 13 in Kreuzberg gehen. Anfang 2011 haben sie erfahren, dass ihr Haus in Eigentumswohnungen aufgeteilt und verkauft werden soll. Einige Mieter wollten von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen – allerdings nicht für die geforderten 2300 bis 2800 Euro pro Quadratmeter im unsanierten Zustand. In sogenannten „Mietmanagement-Gesprächen“, die sich nach Aussage der Mieter als Entmietungsgespräche entpuppten, stellte sich ohnehin bald heraus, dass man überhaupt nicht an einem Verkauf an die Mieterschaft interessiert war. Stattdessen wurden Auszugsprämien geboten, mit dem Hinweis, dass am 1. September der Verkauf beginnen soll – dem Stichtag, an dem die Berliner Kündigungssperrfristregelung auslaufen sollte. Eigentümer ist die dänische Unternehmensgruppe Taekker, die Vermarktung der Wohnungen hat „Ziegert Immobilien“ übernommen. Die 24 Mietparteien haben sich mittlerweile zusammengeschlossen und wollen ihr Haus mit Hilfe des „Mietshäuser Syndikats“ selbst erwerben.
„Der Fall zeigt, dass Kündigungsschutz nicht alles ist“, meint Reiner Wild. In Milieuschutzgebieten wie im Kreuzberger Graefekiez sollte Umwandlung nach Auffassung des Berliner Mietervereins generell genehmigungspflichtig sein. Das Baugesetzbuch räumt den Kommunen ausdrücklich die Möglichkeit ein, eine Umwandlungsverordnung zu erlassen. Damit können Umwandlungen in einem Milieuschutzgebiet unter Vorbehalt gestellt und um fünf Jahre verzögert werden. In Hamburg wird dieses Instrument seit Jahren angewandt. Doch in der Hauptstadt sieht man offenbar keinen Handlungsbedarf.
Birgit Leiß
MieterMagazin 9/11
Drohungen, überhöhte Kaufpreise, Räumungsklagen: Wo in Eigentum umgewandelt wird, müssen Mieter mit allem rechnen (umgewandelte Objekte in der Willibald-Alexis-Straße und in der Frankfurter Allee)
Fotos: Christian Muhrbeck
Die Broschüre „Wohnen in der Eigentumswohnung“ ist erhältlich für 6 Euro in der Geschäftsstelle des Berliner Mietervereins oder bei der Verlagsgesellschaft des DMB, 10169 Berlin (zuzüglich Versandkosten)
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Ihr Recht bei Umwandlung
Nach einer Umwandlung müssen Mieter nicht automatisch nach drei beziehungsweise sieben Jahren ausziehen. Vielmehr kann nach Ablauf dieses Zeitraums frühestens die Kündigung wegen Eigenbedarfs ausgesprochen werden. Je nach Mietdauer und vertraglicher Regelung kommt dann noch eine Kündigungsfrist von drei bis neun Monaten hinzu, im Einzelfall noch länger.
Zudem haben Mieter ein Vorkaufsrecht, wenn ihre Wohnung – erstmalig – umgewandelt wird. Das heißt, sie können, nachdem ihnen die Bedingungen des Kaufvertrages bekannt gemacht wurden, noch bis zu zwei Monate später in diesen Vertrag eintreten – zu den gleichen Konditionen wie der potenzielle Erwerber.
Der neue Käufer kann nur dann Eigenbedarf geltend machen, wenn er die Wohnung für sich selbst, für die zu seinem Hausstand gehörenden Personen oder für andere Familienangehörige braucht. Vorgetäuschter Eigenbedarf ist Betrug und kann Schadensersatzansprüche nach sich ziehen.
bl
29.03.2022