Stand: 9/13
Oft hängt die Entscheidung des Mieters, ob er einen mietrechtlichen Rechtsanspruch gerichtlich durchsetzt oder nicht von der Frage ab, ob das Prozesskostenrisiko tragbar ist. Keiner kann ja endgültig voraussagen, wie ein Prozess letztlich ausgeht. Wenn der Mieter keine Rechtsschutzversicherung für Mietangelegenheiten hat, ist das Risiko sinnvollerweise nach eingehender Rechtsberatung abzuwägen, da – wie weiter unten ersichtlich – die Kosten eines Mietprozesses leicht in die Tausende gehen können.
Folgende Fragen behandelt dieser Artikel:
Kommt es wegen einer Meinungsverschiedenheit zwischen Mieter und Vermieter zu einem gerichtlichen Verfahren, so entstehen hierfür Gebühren und Auslagen.
Das Gericht trifft neben seiner Sachentscheidung (z.B. über die Berechtigung einer Kündigung oder Mieterhöhung) auch eine Entscheidung darüber, wer die Kosten des Verfahrens zu tragen hat.
Die Verfahrenskosten setzen sich aus den Gerichtskosten und den Rechtsanwaltskosten zusammen, wenn eine oder beide Parteien zur Wahrnehmung ihrer Rechte einen Rechtsanwalt beauftragt haben. Die Gerichtskosten und die Rechtsanwaltskosten setzen sich aus bestimmten Gebühren zusammen. Im Regelfall fallen in einem Prozess erster Instanz drei Gerichts- und je Partei zweieinhalb Anwaltsgebühren an. Wird ein Vergleich geschlossen, fallen dreieinhalb Anwaltsgebühren an – die Gerichtsgebühr reduziert sich auf eine einfache Gebühr.
Kosten für ein Sachverständigengutachten
Zu den Gerichtskosten zählen grundsätzlich nur die Kosten für ein vom Gericht in Auftrag gegebenes Sachverständigengutachten. Musste ein Sachverständiger im Prozess ein Gutachten vorlegen, was in einem Streit über die Miethöhe oder in einem Verfahren über vom Vermieter zu beseitigende Wohnungsmängel häufig der Fall ist, dann können sich die Prozesskosten unter Umständen noch einmal um einen Betrag zwischen 500 und 2000 Euro erhöhen, da Sachverständige bekanntermaßen teuer sind.
Ein Gutachten hingegen, das der Vermieter vorprozessual in Auftrag gegeben hat, um ein Mieterhöhungsverlangen zu begründen, muss von ihm selbst bezahlt werden, auch wenn er den späteren Prozess gewinnt (LG Bremen WuM 84, 114; LG Frankenthal WuM 84, 114; LG Hannover WuM 83, 182).
Die Höhe der Gerichts- und Anwaltskosten richtet sich nach dem Gerichtskostengesetz beziehungsweise nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Es entscheidet der Streit- bzw. Gegenstandswert über die einzelnen Kostenansätze. Auf der Grundlage des ermittelten Streitwerts setzt das Gericht nach Beendigung des Prozesses die Gerichts- und Anwaltskosten fest. Diese hat dann die unterlegene Partei zu zahlen (§ 91 ZPO).
Es genügt also ein Blick in die maßgeblichen Gebührentabellen, um vorab zu überschlagen, welche Kosten im schlimmsten Fall entstehen können.
Wichtig: Die unterlegene Partei hat neben den Gerichtskosten sowohl die Kosten des eigenen Anwalts als auch die Kosten des gegnerischen Anwalts zu tragen (wenn Anwälte in Anspruch genommen wurden). Wird ein Prozess teilweise gewonnen, so werden die Kosten entsprechend dem Ergebnis geteilt. Beispiel: Bei einer Mieterhöhungsklage spricht das Gericht dem Vermieter 1/3 der verlangten Mieterhöhung zu. Dann hat er 2/3 der Kosten zu tragen, der Mieter nur 1/3.
Zu den Kosten bei Beantragung eines Mahnbescheides vgl. unserer Info Nr. 199.
Was kostet der Mietprozess?
Für untenstehende Tabelle wurde folgende Ausgangslage angenommen:
Auf beiden Seiten werden Rechtsanwälte eingeschaltet. Bei den Rechtsanwaltsgebühren sind die Portokostenpauschalen von höchstens 40 Euro und 19 % MwSt. bereits berücksichtigt. Es ergeht ein normales erstinstanzliches Urteil mit Begründung. Bei einem Vergleich vor Gericht erhöhen sich die Anwaltsgebühren um die Einigungsgebühr – die Gerichtskosten reduzieren sich.
Die in der folgenden Tabelle angegebenen Kosten für die zweite Instanz (Berufung) sind die inklusiv der ersten Instanz anfallenden Kosten.
Die Kosten für den Prozess betragen dann nach einer vorsichtigen Schätzung, die immer etwas nach oben korrigiert werden sollte, insgesamt (in Euro) circa:
Streit- und Gegenstands- wert bis … Euro |
1. Instanz ohne gerichtlichen Vergleich |
1. Instanz mit gerichtlichem Vergleich |
2. Instanz ohne gerichtlichen Vergleich (Kosten inkl. 1. Instanz) |
2. Instanz mit gerichtlichem Vergleich (Kosten inkl. 1. Instanz) |
500 1.000 1.500 2.000 3.000 4.000 5.000 6.000 7.000 8.000 9.000 10.000 13.000 16.000 19.000 |
420 682 944 1.207 1.567 1.928 2.288 2.648 3.009 3.369 3.730 4.090 4.442 4.794 5.145 |
457 767 1.076 1.386 1.829 2.273 2.717 3.161 3.605 4.049 4.492 4.936 5.345 5.755 6.164 |
907 1.475 2.042 2.610 3.386 4.162 4.939 5.715 6.491 7.268 8.044 8.820 9.583 10.345 11.107 |
977 1.616 2.256 2.896 3.792 4.688 5.584 6.480 7.376 8.273 9.169 10.065 10.917 11.770 12.622 |
In obiger Tabelle nicht berücksichtigt sind:
- Kosten für Zustellung von prozessualen Schriftstücken (z.B. Klagezustellung)
- die Kosten der Beweisaufnahme selbst (z.B. Kosten des Sachverständigen, Zeugenentschädigung usw.)
- Kosten für das Zwangsvollstreckungsverfahren
- erhöhte Rechtsanwaltsgebühren, weil mehrere Mandanten vertreten werden (Diese Gebühren erhöhen sich bei einer Mehrheit von Auftraggebern gemäß § 7 RVG um 3/10, also bereits dann, wenn im Mietprozess mehrere Mieter einer Wohnung vertreten werden müssen, da sie alle gemeinsam den Mietvertrag unterschrieben haben.)
- Nebenkosten bei Rechtsanwaltsgebühren, z.B. Hebegebühr, Kopierkosten, Fahrtkosten, usw.
Zweite Instanz (Berufung)
Verfahren der zweiten Instanz setzen einen Streitwert von mindestens 600 Euro bzw. die Zulassung der Berufung durch das Amtsgericht voraus. Die Anwaltskosten erhöhen sich um etwa 12 %. Bei den Gerichtskosten erhöht sich die Urteilsgebühr von 3 auf 4 Gebühren, wenn ein Urteil mit Begründung erfolgt.
Wie wird der Gebührenstreitwert ermittelt?
Kündigungen (Räumungsklage)
12 Nettokaltmieten (§ 41 Abs. 2 Satz 1 GKG), ausnahmsweise sind bei der Vereinbarung von Nebenkostenpauschalen auch diese Nebenkostenpauschalen zu berücksichtigen (§ 41 Abs. 2 i.V.m. Abs.1 Satz 2 GKG)
Beispiel: Der Mieter zahlt monatlich 650 Euro Miete (ohne Nebenkosten). Der Streitwert für eine Räumungsklage beträgt demnach 12 x 650 Euro = 7800 Euro.
Widerspruch des Mieters gegen eine Kündigung nach der Sozialklausel und Verlängerungsverlangen (§§ 574 ff. BGB)
Summe des Mietzinses der Verlängerungsdauer, höchstens jedoch ein 12-facher Nettokaltmietenbetrag (§ 41 Abs. 1 Satz 1 GKG)
Bestehen oder Dauer des Mietverhältnisses oder einzelner Bestandteile des Mietvertrages (z.B. Dachboden)
streitiger Zeitraum, maximal die Jahresmiete im Umfang des streitigen Anteils (z.B. 1/10 oder Miete für Dachboden) (§ 41 Abs. 1 Satz 1 GKG)
Mieterhöhungen
Erhöhungsbetrag mal 12 (§ 41 Abs. 5 Satz 1 GKG)
Bei der Streitwertfestsetzung muss ein unwidersprochenes Teilanerkenntnis eines Mieterhöhungsverlangens zu Gunsten des Mieters berücksichtigt werden (AG Münster WuM 79, 269).
Mieterhöhungen bei Gewerberäumen
Erhöhungsbetrag mal 42 (§ 9 ZPO; OLG Brandenburg MM 95, 440)
Instandhaltung/Mängelbeseitigung
monatlicher Minderungsbetrag mal 12 (§ 41 Abs. 5 GKG)
Mietminderung
Summe aller Minderungsbeträge, mindestens aber Minderungsbetrag mal 12, nach neuester Rechtsprechung Minderungsbetrag mal 42
Modernisierungs-Duldungsklage (§ 555 d Abs. 1 BGB)
voraussichtlicher Modernisierungszuschlag mal 12 (§ 41 Abs. 5 Satz 1 GKG)
Anspruch auf Mietermodernisierung
In Anlehnung an § 41 Abs. 5 Satz 1 GKG vermutlich 12-facher Betrag der monatlichen fiktiven Mieterhöhung für die Maßnahme, wenn der Vermieter dies durchgeführt hätte.
Instandhaltungs-Duldungsklage (§ 555 a Abs. 1 BGB)
monatlicher Minderungsbetrag mal 12 (§ 41 Abs. 5 Satz 1 GKG
Unterlassung des Lastschrifteinzugs
Monatsmiete mal 42 (§ 9 ZPO; LG Berlin – 67. ZK – GE 95, 1553)
andere Zahlungsansprüche (z.B. aus Betriebskostenabrechnung)
jeweils geforderter Betrag
§ 5 WiStG – Rückzahlungsanspruch
jeweils geforderter Betrag
§ 5 WiStG – Klage auf Feststellung der höchstzulässigen Miete
wohl zukünftig umstritten: bisher behaupteter Überhöhungsbetrag mal 42 (LG Hamburg – 316 S 57/93), Nunmehr in Anlehnung an § 41 Abs.5 Satz 1 GKG (Hartmann § 41 GKG Rn 37) möglicherweise nur der 12-fache Überhöhungsbetrag.
Schönheitsreparaturen
jeweils geforderter Schadensersatz (d.h. Wert der streitigen Renovierungsarbeiten)
Beweissicherungsverfahren
Der Gebührenstreitwert für das selbstständige Beweisverfahren richtet sich nach dem Gegenstandswert der Hauptsache (LG Berlin GE 96, 1549)
Aufnahme von Lebensgefährten/Untermieter
voraussichtlicher Untermietzins mal 42 (§ 9 ZPO; LG Hamburg v. 25.8.93 – 316 T 67/92 -)
Unterlassung (z.B. Anspruch auf Unterlassung des Klavierspielens oder der Tierhaltung)
freies Ermessen des Gerichts (§ 3 ZPO; LG Berlin – 67. ZK – GE 96, 470)
Klage auf Nebenkostenabrechnung
1/3 der jährlichen Vorauszahlungen oder zu erwartender Erstattungsbetrag
Beispiele für Gebührenstreitwerte
Art der Klage/ Streit-gegenstand |
Streitwert- berechnung |
Streitwert in € |
Gebühren RA (eigener) |
in € | Gebühren RA (Gegen-seite) |
Gerichts-gebühren in € |
Gesamt-kosten 1.Instanz in € |
Leistungs-/ Zahlungs- klage |
Der Streitwert bestimmt sich nach der strittigen Summe | zum Beispiel 3.000,- | Prozes- suale An- waltsgebühr + Post- pauschale + 19 % MwSt. |
502,50 + 40,00 + 103,08 = 645,58 |
645,58 | 315,- | 1.606,16 |
Instand-setzungs- klage | 12-facher Betrag des monatl. Minderungs-betrages; hier: Herdinstand-setzung / Minderung 5 % der Miete / zum Beispiel 30,- € bei 600,- € Miete |
30,- € x 12= 360,- € |
Prozes- suale An- waltsgebühr + Post- pauschale + 19 % MwSt. |
112,50 + 26,75 + 26,46 = 165,71 |
165,71 | 105,- | 436,42 |
Miet- minderung |
42-facher Betrag des monatl. Minderungs-betrages; hier: erheblicher Baulärm (auch nachts) und starke Ver- schmutzung / Minderung 25 % der Miete / zum Beispiel 225,- € bei 900,- € Monatsmiete |
225,- € x 42 = 9.450,- € |
Prozes- suale An- waltsgebühr + Post- pauschale + 19 % MwSt. |
1.395,00 + 40,00 + 272,65 = 1.707,65 |
1.707,65 | 714,- | 4.129,30 |
Kündigung | 12-facher Betrag der monatlichen Miete; hier: zum Beispiel 900,- € Monatsmiete | 900,- € x 12 = 10.800,- € |
Prozes- suale An- waltsgebühr + Post- pauschale + 19 % MwSt. |
1.510,00 + 40,00 + 294,50 = 1.844,50 |
1.844,50 | 789,- | 4.478,00 |
Wie man sich gegen das Prozesskostenrisiko absichern kann
Wegen der hohen Prozesskosten schrecken viele Mieter davor zurück, sich mit ihrem Vermieter auch vor Gericht anzulegen. Hinzu kommt, dass in den meisten Fällen auch von einem Experten nicht mit Sicherheit gesagt werden kann, wie ein Prozess ausgehen wird. Wer die möglichen finanziellen Folgen der gerichtlichen Klärung eines mietrechtlichen Problems also abwenden will, muss sich hiergegen absichern. Mitglieder des Berliner Mieterverein e.V. sind automatisch abgesichert! Die Gefahr, zur Übernahme der gesamten Verfahrenskosten verurteilt zu werden („Prozesskostenrisiko“), besteht für unsere Mitglieder nicht. Der Beitrag, der von den Mitgliedern des Berliner Mietervereins gezahlt wird, finanziert auch die Kosten einer Mietrechtsschutzversicherung, die im Falle eines vom Mieter verlorenen Prozesses sämtliche Kosten übernimmt, die im Laufe des Prozesses anfallen können. Ob die Rechtsschutzversicherung allerdings zur Übernahme der Kosten im Einzelfall verpflichtet ist, hängt unter anderem ganz wesentlich davon ab, ob der Beitritt zum Berliner Mieterverein rechtzeitig vor Auftreten eines Streitfalles erfolgte. Wie bei allen anderen Rechtsschutzversicherungen gibt es eine Wartezeit von drei Monaten mit der Folge, dass nur solche Streitfälle abgesichert sind, die erst nach Ablauf der Wartefrist entstehen.
Lesen Sie hierzu unser umfangreiches
Info Nr. 159 „Rechtsschutzversicherung des Berliner Mieterverein e.V.“.
Prozesskostenhilfe
Wer mit seinem Einkommen unterhalb bestimmter Grenzen liegt, kann über seinen Anwalt Prozesskostenhilfe (PKH) gemäß §§ 114 ff. ZPO beantragen. Jeder Anwalt hat entsprechende Antragsformulare. Der PKH-Antrag wird üblicherweise zusammen mit dem Entwurf der Klageschrift dem zuständigen Amtsrichter vorgelegt. Hält das Gericht eine Klage oder die Verteidigung dagegen für aussichtsreich und hat der Beantragende entsprechende Einkommensverhältnisse nachgewiesen, so können die Kosten des eigenen Anwalts unter Umständen ganz von der Staatskasse übernommen oder zumindest darlehensweise vorgestreckt werden. Verliert derjenige, dem Prozesskostenhilfe vom Gericht bewilligt wurde, trotzdem den Prozess, hat er allerdings dennoch die Kosten des gegnerischen Anwalts zu tragen.
Weitere Einzelheiten hierzu sind unserem Info Nr. 168 zu entnehmen.
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29.05.2018