Leitsatz:
In einem Mietvertrag über Gewerberäume verstößt die Formularklausel „Etwaige Renovierungs- oder Instandsetzungsarbeiten im und am Haus sind ohne Mietminderung zu dulden.“ nicht gegen § 9 AGBG.
Kammergericht, Urteil vom 2.11.00 – 8 U 4206/99 –
Mitgeteilt von RA Thomas Wetzel
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg.
Der Klägerin stand lediglich ein Gesamtanspruch in Höhe von 3042,61 DM zu; dieser Anspruch ist durch die inzwischen von den Beklagten erklärte Hilfsaufrechnung erloschen.
Hinsichtlich der von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche gilt Folgendes:
Die Beklagten erkennen das Urteil nur insoweit an, als sie zur Zahlung von 138 DM wegen Ersatzes für die Fliesenreinigungsarbeiten nebst anteiligen Zinsen verurteilt worden sind. Im Übrigen wenden sie sich gegen ihre Haftung dem Grunde nach und auch gegen die Bewertung der Minderung im Einzelnen.
Der auf § 812 BGB gestützte Anspruch setzt voraus, dass der Mietzins jeweils in den betreffenden Zeiträumen gemäß § 537 BGB gemindert war. Im Hinblick auf die Bestimmung zu 6) in der Anlage zum Mietvertrag der Parteien ist bei der Minderung zu unterscheiden zwischen Mängeln, die allein auf Grund der Belästigung durch Renovierungs- und Instandsetzungsarbeiten beruhen und anderen Mängeln. Bezüglich der ersten Gruppe ist davon auszugehen, dass trotz der Duldungspflicht des Mieters gemäß § 541 a BGB die Gewährleistungspflichten des Vermieters und die darauf beruhenden Rechte des Mieters von der Duldungspflicht unberührt bleiben (vgl. Bub/ Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., Anm. III A Rdn. 1097). Wie sich aus dem Gegenschluss zu § 537 Abs. 3 BGB ergibt, kann bei der Vermietung von Geschäftsräumen § 537 auch durch Formularvertrag abbedungen werden (vgl. BGH NJW-RR 1993, S. 519). Dies wird damit begründet, dass die Minderung nicht zu den Grundprinzipien des Mietrechts gehört (vgl. Bub/Treier, III, B Rdnr. 1373). § 11 Nr. 10 AGBG ist auf Mietverträge nicht anwendbar (BGHZ 94, 180; OLG Frankfurt WM 1987, 143, OLG Hamburg, MDR 1981, 934). Allerdings soll ein vollständiger Ausschluss des Rechts zur Minderung gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG unwirksam sein, da hierdurch der Grundsatz der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung unangemessen einschränkt werde (Wolf/Eckert, Handbuch des gewerblichen Miet- und Pachtrechts, 6. Aufl., Rdn. 133, Bub/Treier, a.a.O.).
Die Auffassung des Landgerichts, dass die unter Nr. 6 in der Anlage zum Mietvertrag vereinbarte Klausel nach § 9 AGBG unwirksam sei, ist nicht zutreffend. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Klausel überhaupt als eine „Allgemeine Geschäftsbedingung“ im Sinne von § 1 Abs. 1 AGBG anzusehen ist. Die Klägerin hat dies erstmals in dem Verhandlungstermin vor dem Senat vortragen lassen, indem sie geltend gemacht hat, dass die Beklagten diese Klausel in einer Vielzahl von Mietverträgen verwendeten. Eine Stellungnahme zu dieser Behauptung durch die Beklagten steht bisher aus, da sich der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hierzu im Termin nicht erklären konnte.
Aber auch bei Anwendbarkeit des AGBG kann von einer Unwirksamkeit der Klausel nach § 9 AGBG nicht ausgegangen werden. Denn es trifft nicht zu, dass nach dieser Bestimmung ein vollständiger Ausschluss des Rechts der Minderung vereinbart worden ist. Aus dem Wortlaut lässt sich ohne weiteres herleiten, dass Minderung nur insoweit ausgeschlossen sein soll, als durch Renovierungs- und Instandsetzungsarbeiten in und am Haus Belästigungen entstehen. Dies ergibt sich aus dem Zusammenhang, dass zunächst die ohnehin nach dem Gesetz bestehende Duldungspflicht festgehalten wird und diese mit dem Zusatz „ohne Mietminderung“ versehen ist. Das bedeutet, dass allein aus der Duldung und den damit verbundenen Unannehmlichkeiten keine Mietminderung hergeleitet werden kann. Daraus folgt aber nicht, dass sonstige Fehler der Mietsache eine Minderung nicht zulassen. Auch Fehler bei den Renovierungs- und Instandsetzungsarbeiten können danach Minderung des Mietzinses begründen. Allenfalls könnte die Klausel insoweit unklar sein, als nicht festgelegt ist, dass die Duldungspflicht sich nur auf notwendige Renovierungs- und Instandsetzungsarbeiten und auch nur auf den notwendigen zeitlichen und räumlichen Umfang derartiger Arbeiten bezieht. Letzteres versteht sich aber von selbst und ist eine Frage der Auslegung, wobei nach § 5 AGBG die engste Auslegung zu Gunsten des Mieters herangezogen werden könnte. Jedenfalls handelt es sich bei dieser Frage um eine Auslegung und nicht um eine so genannte geltungserhaltende Reduktion. Da der Ausschluss nur einen geringen Teil der am Mietobjekt möglichen Fehler betrifft, bestehen gegen die Wirksamkeit des Ausschlusses, auch wenn es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen handeln sollte, keine Bedenken.
Es kommt Folgendes hinzu:
Wie der 20. Senat in den von den Beklagten zitierten Urteilen ausgeführt hat, soll sich schon allein aus dem Hinweis auf die Duldungspflicht hinsichtlich bestimmter Arbeiten eine vertraglich vereinbarte Einschränkung des Fehlerbegriffs ergeben. Wenn dies möglich ist, worüber nicht abschließend entschieden werden muss, da die Klausel unter Ziffer 6 der Anlage zum Mietvertrag viel deutlicher ist, muss es jedenfalls erst recht möglich sein, die Minderung in einem solchen Umfang auszuschließen, auch wenn der Ausschluss nicht auf einen bestimmten Bauteil (Fassade), sondern generell auf Renovierungs- und Instandsetzungsarbeiten bezogen ist.
Soweit das Landgericht demzufolge einen Anspruch aus § 812 BGB wegen des Vorhandenseins des Baugerüstes, des Betriebs des Schüttcontainers und der übrigen Belästigungen durch Bauarbeiten (die ersten drei Positionen auf Blatt 21) zugesprochen hat, ist die Klage deshalb unbegründet.
Da die Ausschlussklausel unter Nr. 6 in der Anlage zum Mietvertrag § 5 AGBG in jedem Falle eng auszulegen ist, bedeutet dies, dass für Mängel, die durch Bau- und Renovierungsarbeiten verursacht wurden, wie (teilweise) der gerügte Wassereinbruch und das durch Kalkwasser verdreckte Schaufenster, der Ausschluss nicht eingreift. Es spielt deshalb keine Rolle, dass die durch den Wassereinbruch verursachten Mängel teilweise aus der Schadhaftigkeit des Balkons, teilweise auf den am Balkon durchgeführten Ausbesserungsarbeiten beruhten. Dasselbe gilt bezüglich der Verschmutzung der Schaufenster durch Kalkwasser. …
Anmerkung der Redaktion:
Die in der Entscheidung zitierten Paragraphen entsprechen der bis zum 31.8.2001 geltenden Rechtslage.
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31.12.2016