Leitsätze:
1. Bei einem morgendlichen Kaltwasservorlauf von ca. 10 Litern ist eine Mietminderung von 10% der Nettokaltmiete angemessen.
2. Ein solcher Kaltwasservorlauf berechtigt den Mieter auch zur fristlosen Kündigung unter den Voraussetzungen des § 542 BGB.
AG Köpenick, Schlussurteil vom 15.11.00 – 12 C 214/00 –
Mitgeteilt von RA Matthias Tüxen
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Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
… Die weitergehenden Forderungen, mit denen die Beklagte gegenüber dem Guthaben aus der Heizkostenabrechnung 1998 aufrechnet, bestehen nicht. Die Beklagte hat keinen Anspruch auf Zahlung des ausstehenden Mietzinses für die Monate März bis Dezember 1999, da die Kläger in Höhe der einbehaltenen Miete den Mietzins gemäß § 537 BGB wirksam mindern konnten. In der Wohnung der Kläger kam es, wenn längere Zeit kein Warmwasser abgenommen wurde – insbesondere am Morgen – zu einem Kaltwasservorlauf von ca. 10 Litern, bevor warmes Wasser anlag. Dies steht zur Überzeugung des Gerichts nach der durchgeführten Beweisaufnahme fest. Sowohl das Ehepaar G. als auch das Ehepaar H. haben bei ihrer Vernehmung übereinstimmend ausgesagt, dass bis zur Warmwasserbereitstellung eine ungewöhnlich lange Zeit verstreicht, in der in etwa 5 bis 10 Liter Kaltwasser ablaufen. Lediglich die Schätzung des Zeugen G. belief sich hinsichtlich der abgelaufenen Wassermenge auf 5 bis 7,5 Liter, während die Zeugen Frau G. und Frau K. einen Kaltwasservorlauf von ca. 10 Litern schätzten. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Aussage der Zeugin K., da sich ihre Schätzung auf begründete Tatsachen zurückführen lässt. So hat sie entsprechend der Gepflogenheiten der Kläger bei einem Duschbad am Morgen einen bereitstehenden 10-Liter-Eimer Wasser benutzt, um das vorlaufende Kaltwasser aufzufangen, damit dieses für andere Zwecke verwendet werden kann. Hierbei stellte sie fest, dass der 10-Liter-Eimer randvoll mit Wasser gelaufen war, bevor warmes Wasser anlag. An der Richtigkeit dieser Aussage bestehen für das Gericht keine Bedenken, insbesondere da sie auch in den Zeugenaussagen des Ehepaares G. sowie des Herrn H. ihre Bestätigung findet. Obwohl den anderen Aussagen eher subjektives Empfinden als objektive Tatsachen zu Grunde liegen, ist doch allein ein ungewöhnlich langer und übermäßiger Kaltwasservorlauf aufgefallen.
Auch die gegenbeweislich gehörten Zeugen Herr O. und Frau A. entkräften diese Aussagen nicht. Die Zeugen O. und A. konnten den Beweis für die Behauptung der Beklagten, dass eine Überprüfung ergeben habe, dass in der Wohnung der Kläger die Warmwasserbereitstellung nach maximal 10 Sekunden gewährleistet sei, nicht führen. Vielmehr ergab die Beweisaufnahme, dass die Mitarbeiter der Beklagten zu keiner Zeit in der Wohnung der Kläger eine Überprüfung vorgenommen haben. Nicht ausgeschlossen sei zwar, dass eine Überprüfung und Regulierung für die Wohnung der Kläger im Keller des Hauses stattgefunden habe, eine Überprüfung in der Wohnung der Kläger wurde jedoch zu keiner Zeit durchgeführt. Darüber hinaus sagte der Zeuge O. aus, dass es im Haus der Kläger auf Grund des ständigen Zuzugs weiterer Mieter und der damit erforderlichen Regulierungen im Wasserkreislauf sowie auf Grund von unbefugten Manipulationen häufiger zu Problemen mit dem Wasservorlauf kam. Nachregulierungen wurden erforderlich, da ein normgemäßer Kaltwasservorlauf nicht länger als 10 Sekunden dauern dürfte, wobei höchstens 5 Liter Kaltwasser vorlaufen dürfen.
In dem von den Klägern festgestellten übermäßigen Kaltwasservorlauf ist mithin ein Fehler im Sinne des § 537 Abs. 1 BGB zu sehen, da hierin eine für den Mieter nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustandes der Mietsache vom vertraglich geschuldeten, nämlich dem normgemäßen Zustand liegt. Es handelt sich hierbei auch nicht um einen nur unerheblichen Mietmangel gemäß § 537 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die Systematik des § 537 Abs. 1 Satz 2 BGB ist dahin zu verstehen, dass grundsätzlich von der Erheblichkeit der Störungen auszugehen ist und diese nur ausnahmsweise – wenn es sich um marginale Mängel handelt – unerheblich sind, was vom Vermieter zu beweisen ist (Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., IV, Rn. 460; BGH, LM, BGB, §537 Nr. 22). Eine Unerheblichkeit des Mangels ist vorliegend schon deshalb nicht anzunehmen, da der Fehler des übermäßigen Kaltwasservorlaufs den Mieter in zweifacher Hinsicht belastet, nämlich zum einen durch die Minderung der Tauglichkeit bei der Warmwasserversorgung und zum anderen durch die zusätzlichen Kosten für den übermäßigen Kaltwasservorlauf. Insbesondere dadurch, dass die Mieter neben den Einschränkungen des Mietgebrauchs auch noch mit Mehrkosten für den Wasserverbrauch belastet werden, ist auch die von den Klägern vorgenommene Minderung in Höhe von 10% der Grundmiete gemäß § 537 Abs. 1 BGB angemessen. …
… Die Kläger haben mit Schreiben vom 5.12.1999 wirksam gemäß § 542 BGB das Mietverhältnis mit der Beklagten zum 31.12. 1999 fristlos gekündigt. Das Sonderkündigungsrecht besteht immer dann, wenn der Vermieter seiner Verpflichtung zur Überlassung der Mietsache zum vertragsmäßigen Gebrauch nicht nachkommt, wenn also in Folge eines Sachmangels der vertragsmäßige Gebrauch nicht möglich ist. In einem nachträglich auftretenden Mangel ist daher eine Gebrauchsentziehung gemäß § 542 Abs. 1 Satz 1 BGB zu sehen. Ein solcher nachträglich auftretender Mangel ist entsprechend der vorstehenden Ausführungen in dem übermäßigen Kaltwasservorlauf zu sehen. Mit Schreiben vom 18.2.1999 haben die Kläger der Beklagten auch gemäß § 542 Abs. 1 Satz 2 BGB eine angemessene Frist zur Beseitigung der Beeinträchtigung des vertragsmäßigen Gebrauchs gesetzt. Die Länge der Frist hängt davon ab, innerhalb welchen Zeitraumes dem Vermieter die Beseitigung der Mängel zugemutet werden kann. Selbst wenn die vom Mieter gesetzte Frist zu kurz bemessen ist, so tritt an die Stelle dieser Frist die angemessene Frist (LG Berlin GE 86, 37). Eine zu kurze Frist macht die Ankündigung jedenfalls nicht unwirksam (OLG Hamm NJW-RR 91,1035). Die Beklagte ist auf die Mängelanzeige und Beseitigungsaufforderung, wie die Beweisaufnahme gezeigt hat, jedenfalls in der Wohnung der Klägerin nicht tätig geworden und hat die gesetzte Frist fruchtlos verstreichen lassen. Der außerordentlichen Kündigung steht auch nicht § 542 Abs. 2 BGB entgegen, da die Unerheblichkeit wie die „unerhebliche Minderung der Tauglichkeit“ in § 537 Abs. 1 Satz 2 BGB dahin zu bewerten ist, dass sie ein Weniger gegenüber einer gewöhnlichen Hinderung oder Vorenthaltung ist (Sternel, Mietrecht, 3. Aufl. Rn. IV, 460). Unerheblich ist eine Hinderung oder Vorenthaltung daher nur dann, wenn sie auch keine Minderung rechtfertigen würde, also unter der Bagatellgrenze von 5% liegt (Kinne, Mängel in Mieträumen, 2. Aufl., Rn. 196). Eine nur unerhebliche Vorenthaltung liegt entsprechend vorstehenden Ausführungen nicht vor. Die Kündigungserklärung genügte den allgemeinen Voraussetzungen und hält die Schriftform gemäß § 564 a Abs.1 BGB ein. Auch ist die Berufung auf die nicht vertragsgemäße Warmwasserbereitstellung durch den Verweis auf das Schreiben vom 18.2.1999, in welchem der Mangel hinreichend erörtert wird, ausreichend. …
Anmerkung der Redaktion:
vgl. LG Berlin – ZK 64 – GE 98, 90
14.06.2016