Leitsatz:
Zum Anspruch des Mieters einer Eigentumswohnung auf Mängelbeseitigung am Gemeinschaftseigentum (hier: Lärm- und Geruchsbelästigung durch Müllraum).
AG Schöneberg, Urteil von 30.1.01 – 11 C 388/00 –
Mitgeteilt von RA Wolfgang Schäfer
Urteilstext
Aus dem Tatbestand:
Die Kläger sind auf Grund eines schriftlichen Mietvertrages vom 24.1.1985 Mieter einer im Erdgeschoss links des Hauses G-Straße in Schöneberg belegenen 2 1/2-Zimmerwohnung. Die derzeitige Miete der Wohnung beträgt 440,30 DM zzgl. Betriebskostenvorschuss von 230,00 DM und Heizkostenvorschuss in Höhe von 88,20 DM. Nach Abschluss des Mietvertrages wurde die Wohnanlage G-Straße in Wohnungseigentum umgewandelt. Die von den Klägern gemietete Wohnung erwarb der Beklagte im Frühjahr 1996.
Die Wohnanlage, zu welcher das Haus G-Straße gehört, besteht aus 8 Mehrfamilienhäusern, welche zur Gartenseite hin einen gemeinsamen Hof haben. Dort befanden sich bei Abschluss des Mietvertrages der Kläger zwei zentrale Müllplätze, auf denen die Mülltonnen aufgestellt waren. Im Verlauf des Jahres 1997 erfolgten Sanierungsmaßnahmen in der Wohnanlage. Dabei wurde einer der Müllplatze aufgelöst und in den Kellerraum, der unter der Wohnung der Kläger liegt, verlegt. Dieser Müllraum ist von der Straßenseite her über 9 Stufen zu begehen. Direkt darüber befindet sich das Wohnzimmer der klägerischen Wohnung. Das Fenster des Schlafzimmers der Wohnung, das gleichfalls zur Straße hin gelegen ist, befindet sich auf der Höhe des Zugangsbereiches zu den Stufen, die zu dem Müllraum hinabführen. Der Müllraum ist außerdem von der Hofseite durch eine Treppe begehbar, die sich längs der Außenwand der Küche befindet. In diesem Müllraum befinden sich eine Biomülltonne, ein Glascontainer und verschiedene weitere Mülltonnen. Etwa die Hälfte der Mieter der Wohnanlage entsorgen ihren Hausmüll tagsüber und nachts in diesem Müllraum. Dabei entsteht Ruhe störender Lärm, der deutlich in der Wohnung der Kläger zu hören ist. Die aus zwei Türflügeln bestehende straßenseitige Tür des Müllraums wird von den Benutzern fast nie geschlossen. Durch die offen stehende Tür dringt der Geruch von Abfall nach oben. Die Kläger müssen daher die Fenster ihres Wohn- wie auch des Schlafzimmers regelmäßig geschlossen halten. Ein Lüften ist nicht möglich, da sonst der Geruch von Abfall in die Wohnung eindringt. Die Kläger haben sich wiederholt gezwungen gesehen, bis zu 10x am Tag die straßenseitige Tür des Müllraumes zu schließen. Seit 1997 sprachen die Kläger die Hausverwaltung ihrer Wohnung hinsichtlich dieser Missstände an, ohne dass jedoch für Abhilfe gesorgt wurde.
Die Kläger sind der Meinung, dass der Beklagte als ihr Vermieter verpflichtet sei, diese Mängel im Bereich unterhalb ihrer Wohnung abzustellen.
Sie beantragen, den Beklagten zu verurteilen, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass durch die Benutzung des Müllraumes keine Ruhe störenden Geräusche im Sinne der „Verordnung zur Bekämpfung des Lärms“ in der jeweils geltenden Fassung, insbesondere in der Zeit von 13.00 bis 15.00 h und von 20.00 bis 7.00 h, auf die im Hause G-Straße im Erdgeschoss links … gelegene Wohnung der Kläger einwirken und außerdem keine von dort ausgehenden Gerüche von Abfall auf deren Wohnung einwirken.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Er hält den Klageantrag für unzulässig, da er zu unbestimmt sei. Die Maßnahmen, welche er zur Beseitigung der von den Klägern gerügten Missstände ergreifen solle, seien nicht konkret bezeichnet worden. Im Übrigen ist er der Meinung, zur Beseitigung dieser Missstände nicht verpflichtet zu sein, da dies subjektiv unmöglich sei. Die Mängel, welche von den Klägern gerügt würden, beträfen Teile des Gemeinschaftseigentums der Wohnanlage G-Straße. Auf diese habe er als Sondereigentümer rechtlich keine Zugriffsmöglichkeiten. …
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist zulässig. Der Klageantrag entspricht dem Bestimmtheitserfordernis des §253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Mängel, deren Beseitigung die Kläger verlangen, sind konkret bezeichnet, nämlich Lärm- und Geruchsbelästigungen aus dem Kellerraum unterhalb ihrer Wohnung im Haus G-Straße.
Dass die Kläger die Beseitigung dieser Mängel durch Ergreifung „geeigneter Maßnahmen“ begehren, macht den Klageantrag nicht unbestimmt. Denn die Mängel, welche vom Beklagten beseitigt werden sollen, sind hinreichend benannt worden und im Übrigen aus den Ausführungen der Klagebegründung eindeutig zu erkennen. Nicht erforderlich war hingegen, dass die Kläger die Maßnahmen genau anführen, welche ihrer Meinung nach zur Behebung dieser Mängel erforderlich sind. Denn hier gibt es unzweifelhaft verschiedene Lösungen, die alle geeignet wären, eine effektive Mängelbeseitigung zu garantieren. Welche dieser Lösungen für den Beklagten am wirtschaftlichsten und sinnvollsten erscheint, darf und muss dieser selbst entscheiden. Denn diese Entscheidung kann ihm von den Klägern gar nicht abgenommen werden und darf deshalb auch nicht Gegenstand der Verurteilung des Beklagten zu einer bestimmten Leistung werden.
Die Klage ist auch sachlich begründet. Die Wohnung der Kläger ist infolge der Sanierungsmaßnahmen im Laufe des Jahres 1997 mangelhaft geworden dergestalt, dass nunmehr unterhalb dieser Wohnung ein Müllraum im Keller eingerichtet wurde, von dem erhebliche Lärm- und Geruchsbeeinträchtigungen auf die Wohnung ausgehen. Diese im Tatbestand näher beschriebenen Zustände sind unstreitig. Sie entsprechen auch nicht dem vertragsgemäßen Zustand der Wohnung, da bei Abschluss des Mietvertrages bis zum Jahre 1997 die Müllplätze der gesamten Wohnanlage an anderem Orte gelegen waren und die Wohnung der Kläger von der Existenz und Benutzung des Müllplatzes im Keller des Hauses G-Straße nicht beeinträchtigt wurde.
Die Beseitigung dieser Missstände ist objektiv möglich. Einerseits könnten Maßnahmen ergriffen werden, dass die Tür des Müllraums im Keller des Hauses G-Straße nicht immer offen steht, andererseits könnte dieser Müllraum überhaupt an eine andere Stelle verlegt werden, von wo eine Beeinträchtigung vermieteter Wohnungen nicht zu befürchten wäre. Dass es irgendeinen objektiven Grund geben könnte, der solche Maßnahmen verhindert, ist vom Beklagten selbst nicht vorgetragen worden.
Es besteht aber auch keine subjektive Unmöglichkeit für den Beklagten, derartige Maßnahmen zu ergreifen. Allein die Tatsache, dass er nur Sondereigentümer der Wohnung der Kläger ist, rechtfertigt eine solche Annahme nicht. Denn darüber hinaus ist er auch Gemeinschaftseigentümer der gesamten Wohnanlage und hat als solcher die ihm nach §§ 13 ff WEG zustehenden Rechte und Pflichten. Zur Durchsetzung dieser Rechte, zu welchen auch die Möglichkeit der ungestörten Nutzung seines Wohnungseigentums – sei es durch ihn selber oder durch Dritte – gehört, ist er gehalten, sämtliche im Wohnungseigentumsgesetz vorgesehenen rechtlichen Maßnahmen und Schritte zu ergreifen, insbesondere entsprechende Eigentümerbeschlüsse herbeizuführen und notfalls gerichtliche Entscheidungen gemäß §§ 43 ff WEG hierüber zu beantragen.
Dass alles dies dem Beklagten nicht möglich sein sollte, ist nicht nachvollziehbar und von ihm auch nicht schlüssig dargelegt worden. Der Beklagte hat nicht einmal vorgetragen, welche Maßnahmen er gegenüber seinen übrigen Miteigentümern ergriffen hat, um überhaupt die Beseitigung der Missstände bezüglich der Wohnung der Kläger zu diskutieren. Unter diesen Umständen von „subjektivem Unvermögen“ zu sprechen, ist schlichtweg nicht nachvollziehbar.
Im Übrigen darf der Kläger als Mieter einer Eigentumswohnung nicht schlechter gestellt sein als Mieter einer „normalen“ Wohnung in einem Hause, welches dem Vermieter gänzlich gehört. Denn ein solcher kann ohne Zweifel gegenüber seinem Vermieter Ansprüche nach § 536 BGB geltend machen, ohne dass dieser sich auf subjektives Unvermögen berufen könnte. Es besteht keine gesetzliche Regelung, dass Vermieter einer Eigentumswohnung insoweit besser gestellt wären. …
16.03.2013